FDPFlüchtlingspolitik

Alte Versäumnisse bei der Integration vermeiden

Christian LindnerChristian Lindner erläutert Strategien zur erfolgreichen Integration von Flüchtlingen
06.10.2015

Die Flüchtlingsaufnahme repräsentiert eine humanitäre Pflicht und eine große Chance für Deutschland – aber auch eine Herausforderung. Christian Lindner mahnt, in Sachen Integration die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Im Gastbeitrag für den "Handelsblatt" fordert der FDP-Chef, aus der aktuellen Flüchtlingskrise keine Integrationskrise entstehen zu lassen. "Dafür muss die deutsche Bundesregierung entschlossener handeln, als sie es zuletzt getan hat", unterstreicht er und skizziert fünf wesentliche Punkte für einen bundesweiten Aktionsplan.

Die Fehler, die bei der Integration der sogenannten "Gastarbeiter" und Spätaussiedler gemacht worden seien, dürften nicht wiederholt werden, warnt der Freidemokrat. Schon in den kommenden Wochen entscheide sich, "ob wir die Einwanderung als Antwort auf den demografischen Wandel der nächsten Jahre zu nutzen wissen – oder ob das Jahr 2015 eines Tages als Sinnbild für eine gescheiterte Flüchtlingspolitik steht, in deren Folge die sozialen Probleme des Jahres 2035 entstanden sind", stellt er klar.

Fünf Strategien für gelungene Integration

Lindners Vorschläge: "Bereits unmittelbar nach der Ankunft in Deutschland sollten in den Erstaufnahmeeinrichtungen Integrationskurse die Werte unserer liberalen Verfassung vermitteln." Dazu müsse ein flächendeckendes Angebot an kostenfreien, verpflichtenden Sprachkursen geschaffen werden.

Außerdem müsse das Arbeitsverbot für Flüchtlinge abgeschafft werden. "Asylbewerber sollten wir nicht länger in eine künstliche Abhängigkeit vom Staat bringen. Der beste Integrationsmotor ist der Arbeitsmarkt", verdeutlicht Lindner. Hierzu gelte es auch, Jugendlichen eine Ausbildung zu erleichtern und gesetzliche Barrieren abzubauen, sowie Angebote aus der Wirtschaft, Flüchtlinge schnell einzustellen, zu unterstützen.

Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.

Humanitäre Hilfen und das Grundrecht auf Asyl stehen nicht zur Debatte. Sie sind ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Wenn Menschen auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg und Folter sind, müssen wir gewährleisten, dass sie sich auf Europa verlassen können.

Unabhängig von der Anzahl der Flüchtlinge, die jetzt noch zu uns kommen, dürfen nicht die Fehler wiederholt werden, die bei der Integration der sogenannten „Gastarbeiter“ und Spätaussiedler gemacht wurden. Schon in den kommenden Wochen und Monaten steht Deutschland im Umgang mit den Flüchtlingen, die zu uns kommen, am Scheideweg: Dann nämlich entscheidet sich, ob wir die Einwanderung als Antwort auf den demografischen Wandel der nächsten Jahre zu nutzen wissen – oder ob das Jahr 2015 eines Tages als Sinnbild für eine gescheiterte Flüchtlingspolitik steht, in deren Folge die sozialen Probleme des Jahres 2035 entstanden sind.

Aus der aktuellen Flüchtlingskrise darf keine Integrationskrise werden. Dafür muss die deutsche Bundesregierung entschlossener handeln, als sie es zuletzt getan hat. Wir brauchen umgehend einen bundesweiten Aktionsplan Integration. Fünf Punkte:

1. Die Integration von Flüchtlingen kann nicht erst beginnen, wenn sie auf die Kommunen verteilt worden sind. Bereits unmittelbar nach der Ankunft in Deutschland sollten in den Erstaufnahmeeinrichtungen Integrationskurse die Werte unserer liberalen Verfassung vermitteln. Denn unsere im Grundgesetz verankerten Werte bilden das Fundament unseres Zusammenlebens. Nicht nur Deutschland wird sich verändern, auch viele Flüchtlinge müssen es.

2. Asylbewerber sollten wir in Deutschland nicht länger in eine künstliche Abhängigkeit vom Staat bringen. Der beste Integrationsmotor ist der Arbeitsmarkt. Das Arbeitsverbot für Flüchtlinge sollte aufgehoben werden. Asylbewerber, die in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, sollten dies auch dürfen. Gerade Flüchtlinge, die eine berufliche Qualifikation mitbringen und die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei uns bleiben werden, sind in den Arbeitsmarkt als tätige Mitbürger vermittelbar. Standardisierte Qualifikationsabfragen schon in den Landeseinrichtungen können ein erster Schritt sein, um ihre Fähigkeiten frühzeitig festzustellen.

3. Junge Flüchtlinge müssen die Chance bekommen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Barrieren aus Gesetzen aus einer anderen Zeit, die Flüchtlingen eine Ausbildung in Deutschland erschweren, müssen abgeschafft werden. Das ist auch in unserem Interesse: Denn die Auszubildenden von heute sind die Fachkräfte von morgen. Die Anerkennung von Berufsabschlüssen muss genauso vereinfacht werden wie der Zugang zu unseren Hochschulen.

4. Das Engagement der deutschen Wirtschaft ist beeindruckend. Die Bundesregierung sollte jetzt ein neues „Bündnis für Arbeit“ anstoßen und die Spitzen der deutschen Wirtschaft an einen Tisch bringen. Wir wissen, dass nicht alle Flüchtlinge sofort als qualifizierte Fachkräfte einsetzbar sind und in den Betrieben viel Mühe und Aufwand vonnöten sein werden. Umso dringender sollten die Angebote aus der Wirtschaft unterstützt werden, Flüchtlinge schnell einzustellen.

5. Integration kann nur gelingen, wenn unsere Sprache erlernt wird. Es muss umgehend ein flächendeckendes Angebot an Sprachkursen geschaffen werden. Diese müssen für die Antragsteller von Asyl in Deutschland kostenfrei, aber auch verpflichtend sein. Gerade Kinder mit Sprachdefiziten brauchen Hilfe. Ihnen muss schnellstmöglich nach Ankunft in Deutschland das Erlernen unserer Sprache ermöglicht werden.

Integrationsaufgabe erlaubt keinen Aufschub

Es entscheidet sich nicht erst in den nächsten Jahren, ob wir die Einwanderung nach Deutschland als Chance begriffen und genutzt haben – sondern jetzt. Die Bewältigung der Ankunft vieler Menschen in Deutschland ist eine große Aufgabe, die viel Aufmerksamkeit erfordert. Die Bundesregierung und die Länder brauchen aber mehr Weitblick. Die Integration der Flüchtlinge in Deutschland ist nicht weniger wichtig. Und sie erlaubt keinen Aufschub!

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