18.12.2014FDPGesundheit

LINDNER-Gastbeitrag für die „Frankfurter Rundschau“: Der bürokratische Terminkalender

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER schrieb für die „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Keine Frage: Wer an einer Krankheit leidet, der will nicht warten, oftmals kann er es auch schlichtweg nicht. Eine zeitnahe fachärztliche Behandlung tut not. Umso ärgerlicher ist es für den Patienten, wenn er den benötigten Termin nicht bekommt. Aber die Lösung dieses Problems muss eine andere sein als das, was das Bundeskabinett auf Vorschlag von Gesundheitsminister Hermann Gröhe am Mittwoch beschlossen hat.

Manchmal klingen die Vorschläge der Regierungskoalition ja durchaus logisch und patientenfreundlich - allerdings stellen sie sich gerade in der Gesundheitspolitik als Sirenengesänge heraus. So auch bei der immer heftiger in den öffentlichen Fokus geratenen Wartezeitendiskussion. Natürlich klingt es zunächst sehr gut und patientenfreundlich, dass die Versicherten nicht länger als vier Wochen auf einen Facharzttermin warten sollen - das ist ein durchaus begrüßenswertes Ziel. Allerdings sollte man hier zu dem Projekt der großen Koalition die entscheidenden Fragen zum Hintergrund stellen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat die befragt, die es selbst am besten wissen sollten: die Patienten. Im Rahmen einer groß angelegten Befragung, an der mehr als 6000 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen haben, zeigte sich das überraschende Ergebnis: Für einen Großteil der Patienten ist die angeblich lange Wartezeit auf einen Termin beim Facharzt kaum ein Thema. Vielmehr erfuhr das Thema seine spezielle Aufmerksamkeit im Umfeld der ideologisch geprägten Diskussion um die Bürgerversicherung und wurde von interessierten Kreisen aufgebauscht. Sehr viele der Befragten, so der klare Befund der Befragung, hielten die Wartezeiten für vertretbar. Zugleich bezweifeln viele der Patienten, dass die Pläne des Gesundheitsministers überhaupt eine wirksame Lösung sein könnten.

Dort, wo es eine Terminmisere gibt, glauben die Patienten nicht, dass die Zwangsbewirtschaftung durch den Gesetzgeber wirklich schneller zum fachärztlichen Termin verhilft. Zugleich drohen durch das zentralisierte Terminmanagement, das von denKassenärztlichen Vereinigungen organisiert werden soll, den Patientinnen und Patienten handfeste Nachteile. Denn eine zentral koordinierte Vergabe von Terminen löst nicht die Ursache des Problems, sondern doktert an einem Symptom herum. Die zentrale Ursache für Wartezeiten ist schlichtweg, dass nicht mehr genügend Behandlungszeit bei Fachärzten zur Verfügung steht. Die Gründe dafür dürften mannigfaltig sein und vor allem in dem allseits wahrnehmbaren Ärztemangel bei Haus- und auch Fachärzten gipfeln. Da ändert es auch nichts, wenn der Antreiber versucht, die Schlagzahl zu erhöhen, wenn die Reserven der Ruderer erschöpft sind.

Das haben inzwischen auch viele Patienten erkannt, wie Leserkommentare zu diesem Thema in einschlägigen Medien beweisen. Besonders bedenklich ist zudem, dass durch eine zentralisierte Vergabe von Terminen bei Fachärzten die freie Arztwahl der Patientinnen und Patienten eingeschränkt wird. Idealerweise besteht zwischen dem Arzt und seinem Patienten ein Vertrauensverhältnis. Man geht in die Praxis, wo man den Arzt bereits kennt oder Freunde und Bekannte einem eine persönliche Empfehlung ausgesprochen haben.

Arztwahl ist Vertrauenssache. Mit dem Gesetzesvorhaben droht sie aber zum bürokratischen Akt zu werden. Nicht mehr der Patient, sondern die Vergabestelle entscheidet, an wen man sich mit seinem Leiden zu wenden hat. Es wird bislang verschwiegen, dass der Patient nur ein Anrecht auf eine schnelle Terminvermittlung hat, wenn die medizinische Indikation - zum Beispiel durch den Hausarzt gestellt - stimmt. Der Patient muss sich zuvor selbst um einen Termin bemüht haben, bis er sich dem
bürokratischen Prozedere der Terminservicestelle unterwerfen kann, um schließlich an einen vielleicht weit entfernten Arzt oder eine Klinik verwiesen zu werden. Das Kernproblem ist, dass der Patient eben nicht den Termin bei dem Facharzt seines Vertrauens oder seiner Wahl erhält, sondern mit der "Beauftragung" der Terminservicestelle seine freie Arztwahl aufgeben muss.

Die freie Arztwahl ist aber ein Bürgerrecht. Sie sollte nicht eingeschränkt oder aufgegeben werden für ein Problem, das von den Betroffenen in der Regel gar nicht als solches empfunden wird. Der vorliegende Entwurf ist nur Augenwischerei und Symbolpolitik, der eigentlich nichts an dem eigentlichen Problem ändert. Die Bundesregierung sollte die Rolle der Ärzte stärken, damit es weiterhin ein ausreichendes Fachangebot gibt, und Arztpraxen von Bürokratie befreien, damit sich Ärzte mehr den Patientinnen und Patienten als bürokratischen Vorschriften widmen können.

Mich erinnert das Vorhaben der zentralen Terminvergabe an die Mietpreisbremse. Auch am Wohnungsmarkt glaubt die Regierung, dass sie per Gesetzesbefehl ein Problem lösen kann, das eigentlich eine einfache Ursache hat. Steigende Preise sind Ausdruck eines mangelnden Angebots. Statt mit einer Mietpreisbremse Investoren und privaten Häuslebauern eine Keule zwischen die Beine zu werfen, bräuchte der Wohnungsmarkt mehr Dynamik, damit ein größeres Angebot besteht, das sich mit der Nachfrage in Einklang findet. Aber statt die Ursachen zu bekämpfen, versucht die Regierung mit neuer Bürokratie die Symptome zu lindern. Dabei sollte man Mietern und Patienten, Fachärzten und Wohnungsbauern oftmals einfach eines lassen: mehr Freiheit und mehr Marktwirtschaft, um die Probleme zu lösen, statt gut gemeinter staatlicher Eingriffe, die kein Problem lösen.

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