14.04.2011FDP

LINDNER-Interview für die "Bunte"

Berlin. FDP-Generalsekretär CHRISTIAN LINDNER gab der "Bunten" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte TOBIAS LOBE:

Frage: Warum haben Sie Ihren Hut nicht in den Ring geworfen?

LINDNER: Weil wir ein Team gebildet haben, in dem jeder seine Rolle hat. Als Generalsekretär habe ich seit dem vergangenen Jahr die spannend-fordernde Aufgabe, ein neues Programm zu erarbeiten. Mich nicht nur mit Tagespolitik zu beschäftigen, sondern auch mit Grundsatzfragen - das macht mir Freude.

Frage: Trauen Sie sich das Amt nicht zu?

LINDNER: Wir bekommen mit Philipp Rösler einen kompetenten und sympathischen neuen Vorsitzenden. Einen Mann, der als Minister und Familienvater mitten in der Politik und im Leben steht. Meine Lebenssituation ist mit 32 Jahren, noch unverheiratet, noch kinderlos, einfach eine andere.

Frage: Was verbindet das Traum-Trio Rösler, Bahr, Lindner?

LINDNER: Wir kamen in der ersten Hälfte der 90er in die FDP, als es der Partei richtig schlecht ging, man mit einer Karriere nicht rechnen konnte. Unser Parteieintritt war also ein Akt der Überzeugung. Und diese Überzeugung verbindet uns bis heute.

Frage: Freundschaft in der Politik - geht das überhaupt?

LINDNER: Sie kann auch in der Politik wachsen. Ich halte es nicht für ein Risiko, sondern für eine Stärke, persönlich gut miteinander zu können.

Frage: Haben Sie Mitleid mit Westerwelle?

LINDNER: Dazu besteht überhaupt kein Anlass. Guido Westerwelle hat die FDP zehn Jahre lang erfolgreich geführt. Es war seine souveräne Entscheidung das Parteiamt zur Verfügung zu stellen.

Frage: Manch einer kritisierte, Sie hätten den Vorsitzenden entschiedener vom Thron schubsen sollen.

LINDNER: Ich bin dafür, auch in schwierigen Situationen fair und respektvoll miteinander umzugehen. Wenn man nicht will, dass in unserer Gesellschaft das Ellbogenprinzip gilt, darf man in der eigenen Partei auch nicht danach verfahren.

Frage: Was macht eigentlich Ihre Doktorarbeit?

LINDNER: Ich habe damit einmal begonnen, aber seit meiner Wahl in den Bundestag keine Zeile daran arbeiten können. Die Politik fordert mich vollständig. Im Moment ist eine Dissertation also nur eine Fußnote in meiner Lebensplanung.

Frage: Sie lieben schnelle Autos.

LINDNER: Schon immer. Angeblich soll sogar mein erstes Wort Auto gewesen sein. Schnell ist mir gar nicht so wichtig - alt müssen sie sein. Die sind schöner. Bis vor einem Jahr hatte ich einen alten Porsche. Obwohl der längst verkauft ist, werde ich das Porschefahrer-Image nicht mehr los. Aber sogar bei der Linkspartei wird ja diese Leidenschaft geteilt, es ist also nicht so schlimm. Ich war Zivi, als ich mir meinen ersten gebrauchten Porsche vom ersten selbst verdienten Geld gekauft habe. Damit habe ich mir einen Kindheitstraum erfüllt, obwohl es sicher vernünftiger gewesen wäre, das Geld in einen Bausparvertrag oder die Altersvorsorge zu stecken.

Frage: Wie kamen Sie denn so jung an so viel Geld?

LINDNER: Ich hatte schon als Schüler eine kleine Werbeagentur. Das kam so: Ein Freund und ich hatten einen Schülerjob in einem Internetcafé unserer Stadtwerke. Das war im Papierzeitalter noch kein Renner. Deshalb kam zuerst keiner. Wir haben denen dann eine kleine Werbekampagne für 1000 Mark angeboten. Die haben wohl an uns geglaubt, weil wir so jung wie das Internet waren - hat auch geklappt. Daraus ist dann 1997 mein Gewerbe entstanden: Ich habe von Plakaten, Anzeigen und Broschüren über Großveranstaltungen bis hin zur Ausstattung von Ladengeschäften alles realisiert, was meine Kunden wollten.

Frage: Sie konnten davon leben?

LINDNER: Ja, das war erfolgreich. Insgesamt habe ich das gut sieben Jahre für zum Teil große Kunden gemacht. Wenige Monate war ich daneben mit drei Partnern an einem Internet-Start-up beteiligt, in der Endphase der New Economy im Jahr 2000. Das Projekt war aber nicht erfolgreich, sondern nur lehrreich. Der Markt drehte sich schon, als wir noch mit der Entwicklung unseres Produkts beschäftigt waren. Unsere möglichen Kunden lösten sich in Luft auf, Mitarbeitern musste gekündigt werden, unser Unternehmen scheiterte.

Frage: Aber Sie sind mit dem Porsche zum Zivildienst gefahren?
LINDNER: Das war eben eine rasante Zeit. Tagsüber war ich Zivi, nachts Unternehmer. Weil ich meine Firma weiterführen wollte, habe ich den Wehrdienst verweigert. Es war bei mir also eine Frage der Lebenssituation, wie bei so vielen. Deshalb ist es ehrlich, dass unsere Koalition die Wehrpflicht ausgesetzt hat. Ich habe mich später dann freiwillig bei der Bundeswehr beworben, weil ich an den Bürger in Uniform glaube.

Frage: Und wie sind Sie dann auch noch Politiker geworden?

LINDNER: Mein Vater hat mir mal die Freiburger Thesen der Liberalen zu lesen gegeben. Auch wenn ich mit 14 oder 15 nicht alles verstanden habe, fand ich den Grundgedanken einer freien Gesellschaft, in der jeder alle Chancen haben soll, faszinierend. Mit der echten Politik fing ich als Abiturient an. Auf einem FDP-Landesparteitag habe ich spontan meinen Sitznachbarn angestoßen und gebeten, mich für die Vorstandswahl vorzuschlagen. Ich bin tatsächlich gewählt worden, war wenig später im Landtag.

Frage: Jürgen Möllemann verspottete Sie als "Bambi"...

LINDNER: Lieber Bambi als Dumbo. Ich habe damals neben dem Mandat noch studiert und wollte hochschulpolitischer Sprecher werden, wegen meines Praxisbezugs. Jürgen Möllemann hat aber noch praktischer gedacht. Er rief mich morgens um 6.30 Uhr an und sagte: "Ja, Mensch, Bambi, das ist ja ganz niedlich, dass Sie das werden wollen. Aber als jüngster Abgeordneter stehen Sie doch den Kindergärten am nächsten. Machen Sie doch Kindergartenpolitik."

Frage: Das war bösartig...

LINDNER: Nein, das war eher sein Humor - und ein kleiner Tritt dazu. Ich habe mich ja nicht unterkriegen lassen, sondern mich mit großer Leidenschaft den Kitas in NRW gewidmet - zehn Jahre lang. Ich habe etliche Praktika in Kitas gemacht. Neben Sandburgenbauen habe ich viel über die Lebenssituation von Eltern, über Frühförderung und Jugendhilfe gelernt.

Frage: Sie sind Scheidungskind. Wie traurig war diese Erfahrung?

LINDNER: Nicht traurig - ich hatte ein glückliche, tolle Kindheit! Bei mir hat die Scheidung zu einer Verdoppelung der Eltern geführt, denn mein Vater und meine Mutter haben seit Langem neue Partner - und alle haben ein herzliches Verhältnis. Ich habe bei meiner Mutter gelebt und meinen Vater täglich gesehen. Samstags hatten wir ein Ritual: Wir sind in eine große Buchhandlung nach Köln gefahren und haben den Tag damit verbracht, Dutzende Bücher anzulesen. Wir waren sozusagen das literarische Duett.

Frage: Sie leben seit einiger Zeit mit Ihrer Freundin zusammen. Sprechen Sie zu Hause viel über Politik?

LINDNER: Klar, aber nicht nur. Wir streiten uns über politische Fragen und nicht über offene Zahnpastatuben. Meine Freundin ist ein wunderbarer Mensch, auch weil ich wild mit ihr diskutieren kann.

Frage: Hochzeit in Sicht?

LINDNER: Lassen Sie uns ein paar Geheimnisse. Wir sind sehr glücklich, haben eine große Liebe und sind ganz und gar miteinander verwachsen.

Frage: Wollen Sie Kinder?

LINDNER: Die machen das Leben erst komplett.

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