18.12.2014FDPVerkehrspolitik und Infrastruktur

MEIßNER: Technische Harmonisierung im Bahn-Sektor sichern

Berlin. Die verkehrspolitischen Sprecherin der Liberalen im Europaparlament, FDP-Bundesvorstandsmitglied GESINE MEIßNER, gab der dpa das folgende Interview Die Fragen stellte Sebastian Kunigkeit.

Frage: Das Eisenbahnpaket kommt nur zäh voran, beim politischen Teil hat der Rat noch gar keine Verhandlungsposition. Zu den technischen Aspekten läuft immerhin der Trilog - wann erwarten Sie eine Einigung?

MEIßNER: Das ist eine schwierige Frage. Ich hoffe auf eine Einigung noch während der lettischen Ratspräsidentschaft. Ob das funktioniert, ist fraglich. Zum einen gibt es Bestrebungen, den technischen und politischen Teil zusammenzuhalten. Beim politischen Teil gibt es viele Fragezeichen, da habe ich große Skepsis, ob wir den überhaupt hinbekommen. Darum wäre ich nicht abgeneigt, den technischen Teil zuerst abzuschließen. Zum anderen weiß man auch nicht genau, wie die lettische Ratspräsidentschaft personell aufgestellt sein wird.

Irgendwann müssen wir vielleicht einfach Farbe bekennen und sagen, es geht nicht beides zusammen. Es wäre enorm wichtig, dass wir technisch eine Harmonisierung erreichen im europäischen Eisenbahnraum. Es ist schlimm, was derzeit passiert: Dass man durch die jeweiligen nationalen Sicherheitsvorschriften versucht, sich gegenseitig den Marktzugang zu versperren. Aus Verbrauchersicht finde ich auch das integrierte Ticketsystem enorm wichtig. In der Bahn kann man bislang nicht angeben, "ich will jetzt von Nordfinnland nach Südspanien" und der Computer spuckt mir die beste Verbindung aus - das geht nur beim Flieger.

Frage: Aber zunächst sind solche integrierten Systeme, die Tickets aller Anbieter verkaufen, doch nur auf nationaler Ebene vorgesehen?

MEIßNER: Ich weiß, das ist doch schon mal ein Anfang. Der Rat will da nicht so ganz ran. Es ist auch so, dass die Staatsbahnen kein großes Interesse daran haben, dass die anderen Anbieter mit aufgeführt sind. Aber das muss einfach mit rein, auch die Fernbusse müssen mit rein. Und das muss auch europaweit funktionieren.

Frage: Ein anderer Streitpunkt ist die Rolle der Europäischen Eisenbahnagentur. Der Rat will ein duales System der Zulassung von Loks und Zügen, wonach bei Fahrzeugen, die nur national verkehren, weiterhin auch die nationale Behörde die Zulassung erteilen kann. Finden Sie das akzeptabel oder widerspricht das nicht der Grundidee, einen einheitlichen Ansprechpartner zu haben?

MEIßNER: Ich denke, das könnte man beibehalten. Die Grundidee ist ja, dass man über die Europäische Eisenbahnagentur sicherstellt, dass durchgängige grenzüberschreitende Verkehre möglich sind. Wenn man Unternehmen hat, die nur in einem Land tätig sind, kann man das schon über die nationalen Agenturen abhandeln - die sollen ja ohnehin weiter bestimmte Aufgaben bei der Überwachung und Zertifizierung übernehmen. Die Europäische Eisenbahnagentur soll praktisch den Überblick behalten.

Frage: Birgt eine Aufspaltung des Pakets nicht auch die Gefahr, dass es beim Wettbewerbsteil dann erst recht keine Bewegung mehr gibt?

MEIßNER: Selbstverständlich besteht diese Gefahr, und deshalb ist es ja auch so, dass gerade die neue Kommissarin sagt: Natürlich soll das zusammen verhandelt werden. Auch im Parlament unterstützen das viele. Ich versuche nur, da pragmatisch ranzugehen und denke: Beim technischen Teil sind jetzt alle aufeinander zugegangen, da gibt es Möglichkeiten, eine Lösung zu finden. Diese technische Harmonisierung ist sehr wichtig, und die möchte ich persönlich erst einmal gesichert haben.

Ich kann es mal salopp sagen: Beim politischen Teil ist sowieso schon einiges in eine falsche Richtung gelaufen. Da hätte ich lieber die Lösung gehabt, die wir im Ausschuss beschlossen hatten, vor der Plenarabstimmung. Das war auch schon eine aufgeweichte Position gegenüber dem Kommissionsvorschlag, wäre aber wirklich ein Schritt nach vorne gewesen hinsichtlich Marktöffnung und mehr Wettbewerb. Was letztlich rausgekommen ist, liegt zum Teil noch hinter dem Status Quo. Und dann können wir es auch gleich lassen. Deshalb würde ich diesem politischen Teil keine große Träne nachweinen.

Frage: Besonders heftig umstritten war ja die Frage der Trennung von Schiene und Betrieb. Ist das, was jetzt auf dem Tisch liegt, aus Ihrer Sicht ein Fortschritt? Oder zementiert es nur den Status Quo?

MEIßNER: Es gibt einen kleinen Fortschritt, was die Transparenz in den Finanzströmen angeht. Es geht einfach nicht, dass man teilweise öffentliche Mittel nutzt, um Wettbewerber aufzukaufen. Das muss ganz klar getrennt sein und wir brauchen Transparenz in den Finanzströmen. Von der Theorie her wäre natürlich eine komplette Trennung von Netz und Betreiber völlig richtig. Mir kommt es aber in erster Linie auf das Ergebnis an: Dass wir tatsächlich Marktzugang für alle haben, keine Behinderung. Aber auch das ist schon akut verwässert worden. Und das dürfte bei Verhandlungen mit dem Rat nicht besser werden, da haben die nationalen Eisenbahnen ganze Arbeit geleistet.

Frage: Ein anderes Thema, bei dem es nur im Schneckentempo vorangeht, ist der einheitliche europäische Luftraum (Single European Sky, SES).

MEIßNER: Da ärgert es mich auch ein bisschen, wie die Mitgliedstaaten sich verhalten - in diesem Fall auch Deutschland. Deutschland, Frankreich, Benelux und die Schweiz sollten ja einen gemeinsamen Luftraumblock aufbauen, den FABEC. Aber da standen sich Deutschland und Frankreich mit ihren verschiedenen Flugsicherungssystemen gegenüber wie die kleinen Jungs in der Sandkiste und keiner war bereit einen Schritt nach vorne zu gehen.

Wenn man es schaffen würde, die Flugrouten über Europa statt zickzack geradlinig verlaufen zu lassen , hätten wir doch eine ganze Menge an Emissionen gespart, an Zeit gespart, an Geld gespart, und es wäre viel logischer. Und dass man das nicht hinkriegt nur wegen nationaler Eigenheiten, das ärgert mich. Ich bin sehr für Subsidiarität, aber im Verkehrsbereich wäre es für die Bürger viel besser, europäisch zu denken.

Frage: Nun gibt es ja inzwischen eine Einigung des Rates, der allerdings erneut einige Dinge verwässert. Enttäuscht?

MEIßNER: Ja, schon. Aber ich finde gut, dass erstmal überhaupt eine Position da ist. Einfach deswegen, weil der Rat ja bislang bei SES 2+ nur abgewehrt hat. Die meisten Mitgliedstaaten hatten ja noch gar nicht angefangen, die bislang gültigen Regeln nach SES umzusetzen. Und erst jetzt mit dieser Drohkulisse haben sie angefangen sich zu bewegen. Von daher ist es schon enttäuschend, dass der Rat immer nur so kleine Schritte macht.

Frage: Kann damit der Trilog beginnen? Was sind aus Ihrer Sicht die Knackpunkte?

MEIßNER: Da muss der Berichterstatter die Initiative ergreifen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das im Januar soweit sein wird, wir haben ja nur darauf gewartet. Es gibt eine ganze Menge an Knackpunkten: Die Rolle von Eurocontrol zum Beispiel, die die Aufgaben koordinieren sollten, so dass es weiterhin nationale Flugsicherungen gibt, aber nicht jeder alles macht.

Frage: Sie haben im Ausschuss immer wieder für mehr Aufmerksamkeit für die Binnenwasserstraßen gekämpft. Maros Sefcovic wollte das als Verkehrskommissar stark nach vorne stellen, musste dann aber das Ressort wechseln. Glauben Sie, dass Frau Bulc dem Thema ähnliche Priorität einräumt?

MEIßNER: Ja, bislang hat sie das zwar noch nicht so stark betont, aber da werde ich sie schon überzeugen. Das ist immer mit mein Credo im Verkehrsbereich: Es wird viel zu wenig über Binnenwasserstraßen als Entlastung zur Straße nachgedacht. Die Binnenwasserstraßen zu ertüchtigen für Frachtverkehr ist mit weniger Geld zu schaffen, als neue Eisenbahnstrecken zu bauen.

Frage: Parlament und Rat haben sich gerade auf neue Regeln für Maße und Gewichte geeinigt - die heftig umstrittene Regelung des grenzüberschreitenden Verkehrs von Lang-Lkw war dabei vom Tisch. Hoffen Sie auf eine Rückkehr der Riesenlaster?

MEIßNER: Der Öko-Kombis! Ich finde es wirklich schade, dass das raus ist, wobei es rein technisch in dieses Gesetz über Maße und Gewichte nicht reingehörte. Wir haben uns deshalb für eine Revisionsklausel eingesetzt, nach der sich die Kommission wieder mit dem grenzüberschreitenden Verkehr von Lang-LKW befassen muss. Ich weiß, dass gerade bei den Lang-Lkw die Geister geschieden sind, da gibt es eigentlich nur hassen oder lieben. Ich gehöre zu den Befürwortern - wobei sie natürlich auch nicht überall fahren sollen.

Ich komme aus Niedersachsen, wo in Deutschland die Feldversuche begonnen haben. Ich kenne ziemlich genau alle Strecken und weiß, dass sie da fahren können und die Infrastruktur das zulässt. Bisher haben die Versuche gezeigt, dass die Ökobilanz gut ist, die Energiebilanz, auch die wirtschaftliche Bilanz gut ist. Und in Skandinavien, wo viele Lang-LKW fahren, gibt es weiterhin einen starken Anteil von Fracht auf der Schiene.

Aus meiner Sicht ist klar: Wenn zwei benachbarte Länder Lang-Lkw erlauben und wir doch bewusst offene Grenzen im europäischen Binnenmarkt haben, warum sollten sie dann nicht zwischen diesen Ländern grenzüberschreitend verkehren? Ich weiß aber, dass es in der Logistikbranche jetzt Rechtsunsicherheit gibt, und dass die sich Klarheit gewünscht hätten. Ich hoffe darauf, dass es eine vernünftige Lösung gibt. Ein Riesen-Lkw mit einem automatischen Bremssystem hat einen kürzeren Bremsweg als ein Pkw.

Wenn man sich anschaut, wie stark der Frachtverkehr zunehmen wird - so schnell können wir gar keine neuen Schienen bauen oder Wasserwege ertüchtigen. Wir brauchen immer die Straße. Und mit den Lang-Lkw haben wir mehr Effizienz auf der Straße, da wäre es doch dumm, sie nicht zu erlauben. Deshalb werde ich sicher weiter dafür werben. Auch um die Umwelt zu schonen.

Frage: Sie sind auch stellvertretendes Mitglied im Umweltausschuss. Die FDP hatte dort bislang auf einen wettbewerbsfreundlichen Klimakurs gepocht, bei der Wahl ist Ihre Delegation aber von zwölf auf drei Mitglieder geschrumpft. Wird die Alde-Fraktion dadurch in Umweltfragen grüner?

MEIßNER: Das glaube ich nicht. Der Einfluss der FDP ist natürlich kleiner geworden. Aber es gibt ja einige andere, die ähnlich ticken wie wir. Klar kann man sehen, wer ist hauptverantwortlich im Umweltbereich - das ist bei uns Gerben-Jan Gerbrandy, der schon ein bisschen "grüner" ist als die FDP. Aber vorher war das Chris Davies, das macht keinen großen Unterschied. Ich glaube nicht, dass die Position der Alde entscheidend anders sein wird. Es war vorher schon so, dass wir einige hatten, die eher zu den Grünen tendierten, was die deutsche politische Landschaft angeht, und andere, die eher mit der CDU stimmten.

Nehmen wir das Beispiel des Emissionshandels im Luftverkehr: Da haben wir schon eine Mehrheit mit der gesamten Fraktion, dass wir nicht als Europäer mit dem Kopf durch die Wand gehen, sondern eine globale Einigung anstreben sollten. Wenn die (Internationale Zivilluftfahrtorganisation) Icao jetzt tatsächlich andeutet, dass sie einen globalen Emissionshandel im Luftverkehr ermöglichen will, sollten wir die Vorschläge abwarten. EU-Alleingänge bringen dem globalen Klima nichts und schaden unserer Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben in der Fraktion noch keine konkreten Abstimmungen zu dem Thema gehabt, ich glaube aber schon, wenn es dazu käme, dass eine Mehrheit sagen würde: Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit mit im Blick haben.

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