20.11.2013FDPEnergiepolitik

NIEBEL-Gastbeitrag für „Global Contact“

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL schrieb für „Global Contact“ (aktuelle Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Was haben Erdnussschalen und die Stadtwerke Mainz miteinander zu tun?  Die Antwort findet sich in dem 1200-Seelen-Städtchen Kalom im ländlichen Senegal: Hier hat die Stiftung „Energie für Afrika“ der Stadtwerke Mainz gemeinsam mit dem Projektentwickler Novis GmbH und der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) ein Biomassekraftwerk errichtet und versorgt die Einwohner nun mit Strom aus Abfall. Neben Erdnussschalen sind es vor allem Hirsestängel, die als Brennstoff dienen, geliefert von den Bauern vor Ort. Die Bauern können diese bislang wertlosen Abfälle verkaufen, die benachbarte Erdnusskooperative hat endlich Strom für eine Schälmaschine – und kann damit ihre Produktion deutlich ausweiten. Über ein Prepaid-System laden die Dorfbewohner ihre „Stromguthabenkarten“ auf. So halten Kühlschränke und elektrische Maschinen Einzug  in dem kleinen Ort – bislang undenkbar, denn Kalom ist nicht ans nationale Stromnetz angeschlossen. Und Energie aus Dieselgeneratoren war schlicht zu teuer und reichte nicht, um Maschinen zu betreiben.

Ein besonders schönes Beispiel für eine gelungene Entwicklungspartnerschaft im Rahmen deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Die Einwohner von Kalom profitieren doppelt:  Sie haben nun bezahlbaren Strom zur Verfügung und damit die Chance, selbst Betriebe einzurichten und andere Unternehmen anzulocken. Im Ort gibt es neuerdings einen Schlosser, eine Hirsemühle, eine Backstube und drei Läden. Die Stadtwerke Mainz wiederum können auf weitere Aufträge hoffen und sich so den Weg in den senegalesischen Strommarkt ebnen.  Aber warum erzähle ich Ihnen das?

Weltweit leben heute noch immer etwa 2,7 Milliarden Men­schen ohne Zugang zu modernen Ener­gie­dienstleistungen; 1,3 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität. In Subsahara-Afrika hat gerade einmal ein Viertel der Bevölkerung Anschluss an ein Stromnetz. Das sind Kinder, die abends nach Einbruch der Dunkelheit ihre Hausaufgaben nicht machen können. Ihre Eltern, die ohne Strom selbst von bescheidener wirtschaftlicher Entwicklung ebenso abgeschnitten sind wie von moderner Kommunikation. Familien, die mangels Alternative mit Reisig oder Dung kochen – und damit ihre und die Gesundheit ihrer Kinder aufs Spiel setzen: Jahr für Jahr sind weltweit schätzungsweise allein etwa 1,5 Millionen Totgeburten auf den giftigen Rauch in Haushalten zurückzuführen. Hinzu kommen ungezählte Verbrennungen und Unfälle durch offene Feuer im Haus.

Und weiter: Regionen ohne Anschluss an eine Energieversorgung haben insgesamt keine Chance auf Entwicklung. Wo kein Strom fließt, dorthin fließen auch keine Investitionen: Ohne Energie keine Industrie, ja oft noch nicht einmal Kleingewerbe. Die Betroffenen haben so keine Chance, sich aus eigener Kraft aus der Armut zu befreien. Die nach­haltige Versorgung dieser Menschen mit Energie ist daher einer der wichtigsten Schlüssel für die Bekämpfung der Armut und ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit:

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das BMZ, fördert Energievorhaben in mehr als 50 Partnerländern – mit etwa der Hälfte dieser Länder ist der Energiesektor als Schwerpunkt vereinbart. Im Zeitraum von 2009 bis 2012 haben wir für bilaterale Energievorhaben insgesamt mehr als 7 Milliarden Euro zugesagt  - Tendenz steigend: Allein 2012 belaufen sich die Zusagen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz auf knapp 2 Milliarden Euro. Damit ist Energie der größte Förderbereich des BMZ.

Es versteht sich dabei von selbst, dass wir uns vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien engagieren: Nicht nur bieten die Erneuerbaren ein längst nicht erschlossenes Potenzial – theoretisch das Tausendfache dessen, was die gesamte Weltbevölkerung verbraucht - sondern sie ermöglichen auch eine Entwicklung abgekoppelt vom Ressourcenverbrauch: Mehr Wirtschaftsleistung heißt dann eben nicht automatisch auch höhere Umweltbelastung, schlechtere Klimabilanz und steigende Abhängigkeit von endlichen Energieträgern. Und auch wenn in puncto Energiegewinnung in vielen Entwicklungsländern der Aufholbedarf riesig ist: Gleichzeitig haben diese Länder die Chance, gar nicht erst den Umweg über Kohle und Öl zu nehmen, sondern gleich in eine zukunftsfeste Energieversorgung einzusteigen.

Allerdings reden wir hier auch über immense Investitionsbedarfe, wenn es gelingen soll, allen Menschen Zugang zu Elektrizität zu verschaffen. Schätzungen sprechen von weltweit knapp 47 Milliarden US-Dollar pro Jahr, wenn dieses bis 2030 gelingen soll. Das ist weit jenseits dessen, was die internationale Entwicklungszusammenarbeit allein schultern könnte. Deswegen setzen wir hier verstärkt auf eine Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft – im Rahmen gezielter Energiepartnerschaften einerseits und Entwicklungspartnerschaften im Energiesektor andererseits. Das bedeutet: Wir bieten Unternehmen die Möglichkeit, mit uns gemeinsam den Schritt in ein Entwicklungsland zu gehen.

Denn auch wenn viele Entwicklungsländer eigentlich attraktive Standorte wären, so schrecken ausländische Investoren und Firmen oft genug vor dem höheren unternehmerischen Risiko zurück. Hier steht das BMZ unterstützend zur Seite: Einerseits mit unserer Expertise und Beratung durch Experten in unseren Durchführungsorganisationen. unternehmerischen Risiko zurück. Hier steht das BMZ unterstützend zur Seite: Einerseits mit unserer Expertise und Beratung durch Experten in unseren Durchführungsorganisationen. Andererseits tragen wir einen Teil des Risikos mit oder leisten finanzielle Unterstützung – beispielsweise im Rahmen unseres Programmes „develoPPP.de“. So können etwa mit Firmen der Solarwirtschaft oder der Windenergie Projekte realisiert werden, bei denen unternehmerisches Engagement und entwicklungspolitischer Nutzen Hand in Hand gehen. Dabei richtet sich develoPPP.de an große Unternehmen, vor allem aber an den Mittelstand. Gerade im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz gehören deutsche Firmen zu den Marktführern – dieses Know-how ist in unseren Kooperationsländern besonders gefragt. Unser Ziel ist es, dass alle Seiten profitieren: Die Menschen vor Ort im Partnerland ebenso wie das Unternehmen, das sich einen neuen Markt erschließt. Und nebenher auch noch der deutsche Steuerzahler, weil wir mit weniger Steuergeld mehr Nutzen erreichen und damit die Staatkasse entlasten.

Vor einigen Wochen erst war ich in Uganda – auch dort habe ich mir einige Beispiele für Entwicklungspartnerschaften direkt vor Ort angesehen. Die Kirchner Solar Group aus dem hessischen Ahlheim hat dort Mobilfunkmasten von Dieselgeneratoren auf Solarbetrieb umgerüstet und bietet den umliegenden Dörfern zusätzlich Strom zum Verkauf an. Das rheinland-pfälzische Unternehmen KSB setzt auf Wasserkraft und hat eine Flussturbine zur Stromversorgung installiert – in beiden Fällen zeigt sich,  wie deutsche Technologie kostengünstig und umweltfreundlich zum Einsatz kommen und dabei auch entwicklungspolitische Herausforderungen lösen kann. Weil wir hier gezielt mit Unternehmen zusammenarbeiten, erreichen wir mit nur geringem Einsatz deutscher Steuergelder weitreichende Wirkungen. Ich bin überzeugt, dass wir diesen Ansatz noch deutlich verstärken müssen – gerade auch in Zeiten weltweit kriselnder Finanzmärkte.

Vielleicht weckt die Idee, sich mit uns, dem BMZ, gemeinsam in einem Entwicklungsland zu engagieren, auch Ihr Interesse? Oder aber Sie tragen sich schon länger mit dem Gedanken, wussten aber bisher nicht, wie Sie das am besten anfangen? Dann möchte ich Sie ermutigen, sich mit unseren Experten zu vernetzen – wir stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Wir haben im Ministerium eigens eine Servicestelle für die Wirtschaft eingerichtet, die Ihnen in allen Fragen rund um das Thema weiterhilft (0228/995 35-31 31 - wirtschaft-kontakt@bmz.bund.de). Konkrete Informationen zu Entwicklungspartnerschaften finden Sie außerdem unter www.developpp.de. Hier können Sie sich mit Ihren Plänen direkt an unserem Ideenwettbewerb beteiligen. Frei nach dem Motto unseres Ministeriums – „Wir machen Zukunft. Machen Sie mit.“ – lade ich Sie herzlich ein: Werden Sie Zukunftsentwickler! Denn gerade auch im Energiebereich wartet eine Menge Arbeit auf uns.

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