12.10.2005

NIEBEL-Interview für den "Kölner Stadt-Anzeiger"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte SIBYLLE QUENETT.
Frage: Herr NIEBEL, welche Chance hat eine "Koalition der neuen Möglichkeiten"?
NIEBEL: Allein schon der Begriff ist sehr gewagt. Wenn man sieht, was die Union an Politikwechsel bereits im Vorfeld aufgegeben hat, ist das eher eine Koalition des Stillstands, auf die wir uns vorbereiten müssen. Meine Sorge ist, daß die großen Probleme Deutschlands nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner gelöst werden können. Wenn Sie mich fragen, dann hält diese Koalition keine vier Jahre durch.
Frage: Warum?
NIEBEL: Angesichts des Gezänkes und Gezerres der letzten drei Wochen, der Probleme der SPD, Frau Merkel zur Kanzlerin zu wählen, und inhaltlicher Fremdheit wird das mit Sicherheit keine Liebesheirat, auch keine Vernunftehe, sondern nur eine Zwangsheirat.
Frage: Wie kann die FDP als Opposition noch Reformmotor sein?
NIEBEL: Diese Stillstands-Koalition ist das Gegenteil von dem, was das Land braucht. Wir erleben die Sozialdemokratisierung der Union. Die große Koalition entwickelt auch schon erste Allmachtsphantasien. Das merkt man daran, daß sie das Bundestagspräsidium aufbläht, um ihre Parteien zu bedienen. Das wird teuer für die Bürger. Wir müssen unsere Wähler auf Dauer an uns binden. Sie haben für uns gestimmt, weil sie einen Politikwechsel unter Mitwirkung der FDP wollten. Abgesehen davon sind wir an fünf Landesregierungen beteiligt und beeinflussen 26 von 69 Stimmen im Bundesrat. Das entspricht der Stimmenzahl der SPD in der Länderkammer. Damit werden wir kritisch und konstruktiv das Regierungshandeln begleiten.
Frage: Worin sehen Sie die wichtigste Aufgabe der FDP als Opposition im Bundestag?
NIEBEL: Das beginnt mit der Kontrolle der Regierung. Selbstverständlich hat die größte Oppositionsfraktion Zugriff auf den Vorsitz im Haushaltsausschuß. Die Regierung gibt das Geld aus. Die Opposition hat das zu kontrollieren. Deshalb wird das die erste Nagelprobe für das Demokratieverständnis auf den beiden großen Tankern.
Frage: Haben Sie Zweifel, daß die FDP den Posten besetzen wird?
NIEBEL: Man hört so das eine oder andere. Es darf aber nicht sein, daß die eine große Partei den Finanzminister stellt, und die andere den Vorsitz im Haushaltsausschuß übernimmt.
Frage: Am Donnerstag tritt der Innenausschuß zusammen, um über die Durchsuchungen bei der Zeitschrift Cicero zu beraten. Können Sie sich auch vorstellen, mit den Stimmen von Grünen und Linkspartei einen Untersuchungsausschuß einzusetzen?
NIEBEL: Die FDP hat diese Sondersitzung beantragt. Wir halten das, was geschehen ist, für einen politischen Skandal. Dort wird man erst mal den Innenminister befragen. Sein rüpelhaftes Auftreten war bislang sicherlich nicht hilfreich.
Frage: Und der Untersuchungsausschuß?
NIEBEL: Bislang kann ein Untersuchungsausschuß nur mit 25 Prozent der Mitglieder des Bundestag eingesetzt werden. Sollte das notwendig sein, werden wir das mit den anderen Oppositionsparteien durchsetzen. Wir sind allerdings auch der Ansicht, daß man die Geschäftsordnung des Bundestages an die Bedingungen einer großen Koalition anpassen muß. Das hieße zum Beispiel, daß zwei Oppositionsfraktionen ausreichen könnten, um einen Untersuchungsausschuß ins Leben zu rufen, oder daß zumindest das Quorum gesenkt würde.

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