31.10.2005FDP

NIEBEL-Interview für den "Tagesspiegel"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab heute dem "Tagesspiegel" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte STEPHAN HASELBERGER:

Frage: Herr Niebel, Ihre Partei empört sich über die Steuererhöhungspläne von Union und SPD. Aber gibt es angesichts eines Defizits von 35 Milliarden Euro eine Alternative?

NIEBEL: Natürlich gibt es Alternativen. Das Beängstigende ist, daß die Union, mit der wir gerne regiert hätten, innerhalb kürzester Zeit den angestrebten Politikwechsel vergessen und sich sozialdemokratisiert hat. Da glauben offenbar manche, als bessere Sozialdemokraten hätten sie bei der Bundestagswahl stärker abgeschnitten.

Frage: Vielleicht stimmt das auch.

NIEBEL: Das glaube ich nicht. Selbst Herr Ramsauer von der Union rügt jetzt das fantasielose Drehen an der Steuer- und Abgabenschraube - das sind seine Worte! - und vermißt den großen Wurf. Ich kann nur allen Unionswählern, die einen Politikwechsel wollten, sagen: Bei der FDP finden Sie eine politische Heimat. Vier sozialistische Parteien braucht Deutschland nun wirklich nicht. Union und SPD vergessen, Strukturen zu reformieren. Sie wollen bei den Bürgern abkassieren. Dabei ließen sich 12,5 Milliarden Euro allein dadurch sparen, daß man im Haushalt überflüssige Ausgaben streicht. Da sind die Subventionen noch nicht eingeschlossen.

Frage: Was verstehen Sie unter überflüssigen Ausgaben?

NIEBEL: Mein Lieblingsbeispiel ist die nationale Erbsenreserve. Allein die Lagerung
von 25 000 Tonnen Trockenerbsen für Notzeiten kostet pro Jahr 100 000 Euro. Es gibt leider unzählige solche Beispiele.

Frage: Wie würde eine liberale Regierung - abgesehen von der nationalen Erbsenreserve - mit der Finanznot umgehen?

NIEBEL: Einsparungen im Haushalt, wo immer es geht, Kürzung der Subventionen um bis
zu 20 Prozent, niedrigere Steuersätze zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und damit zur Entlastung der Sozialsysteme, Bürokratieabbau - das sind die richtigen Rezepte.

Frage: Wie will die FDP als Oppositionspartei gegen die Finanz- und Steuerpolitik von Schwarz-Rot vorgehen?

NIEBEL: Wir werden als konstruktive Opposition die große Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners vor uns her treiben.

Frage: Wie das?

NIEBEL: Indem wir zum Beispiel die mit der Union beim Wechselgipfel kurz vor der Wahl vereinbarten Positionen im Bundestag einbringen. Dann sollen die in der Union mal Farbe bekennen!

Frage: Als eines der ersten Projekte will Schwarz-Rot den Föderalismus reformieren. Die FDP ist an fünf Landesregierungen beteiligt und kann Bedingungen stellen. Welche schweben Ihnen da vor?

NIEBEL: Wir haben im Bundesrat Einfluß auf 26 Stimmen - ebensoviele wie die SPD. Alle verfassungsändernden Maßnahmen sind also nur im Einvernehmen mit der FDP möglich. Eine Föderalismusreform wird es mit uns nur geben, wenn der Länderfinanzausgleich reformiert wird. Es kann nicht sein, daß leistungsstarke Länder wie Baden-Württemberg für den Länderfinanzausgleich Schulden machen müssen. So weit darf die Unterstützung für ärmere Länder nicht gehen.

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