12.08.2005FDP

REDE von Dr. Guido Westerwelle bei der Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Hannover am 12. August 2005 " Einheit in Freiheit" - 15 Jahre gesamtdeutsche liberale Partei -

Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,
daß die FDP die erste Partei war, die sich wiedervereinigte, steht in Linie einer Tradition der FDP. Wir haben immer Persönlichkeiten in unseren Reihen gehabt mit einem gesamtdeutschen Lebenslauf. Das gilt natürlich für Hans-Dietrich Genscher aber auch für Otto Graf Lambsdorff. Und auch für die unvergessenen Wolfgang Mischnick und Günter Rexrodt. Darum ist auch die Deutsche Einheit in der FDP immer ein Ziel der Politik der FDP geblieben, auch als andere die Einheit schon längst einer falsch verstandenen Entspannungspolitik geopfert haben. Die FDP hat in der Geschichte der Bundesrepublik an der Option der Einheit festgehalten bis zu dem Zeitpunkt als sich die Chance 1989 ergab.

Der Parteivorsitzende der Deutschen Einheit der FDP war Otto Graf Lambsdorff. Er hat sich mit Engagement und ungeheurer Kraft in diese Aufgabe gestürzt. Und das erst hat es möglich gemacht, daß sich die FDP heute vor 15 Jahren in Hannover zur ersten gesamtdeutschen Partei wiedervereinigen konnte.

Und noch etwas hat der Parteivorsitzende Graf Lambsdorff erreicht: Anfang der neunziger Jahre war die FDP wieder in allen Länderparlamenten vertreten. Die FDP war eine starke Partei in Ost und West. Und sie ist auch heute eine von drei gesamtdeutschen Parteien. Die Grundlage dafür haben der Parteivorsitzende Otto Graf Lambsdorff gelegt und für die neuen Bundesländern auch Bruno Menzel und Rainer Ortleb.

Das ist für mich auch ein Vorbild: Die FDP ist jetzt wieder in elf Länderparlamenten vertreten. Sie ist in den neuen Bundesländern in drei Parlamenten einschließlich Berlin vertreten und in einer Landesregierung in Sachsen-Anhalt. Aber damit geben wir uns nicht zufrieden. Die FDP will zurück in alle Länderparlamente in Ost und West. Voraussetzung dafür ist unsere starke kommunale Basis. Wir haben 350 Bürgermeister und mehr als 8000 kommunale Mandate, darunter viele Bürgermeister auch in großen Städten wie Dresden und Jena. Oft genug ist die FDP bei den Kommunalwahlen eine Mehrheitspartei. Das zeigt die großen Chancen, die liberale Politik in den neuen Bundesländern hat, wenn wir das richtige Angebot aus Personen und Programm haben.

Die Menschen in den neuen Bundesländern wollten die DDR nicht mehr. Und sie haben die DDR aus eigener Kraft vertrieben. Die friedliche Revolution mit den Füßen von 1989 ist für mich der stolzeste Freiheitskampf in der deutschen Geschichte seit 1848.

Deswegen bin ich auch ein entschiedener Gegner der Auffassung, daß in Ostdeutschland Freiheit nach der DDR erst wieder gelernt werden muß. Freiheit, die wir meinen, heißt für Liberale: Es gibt nur eine Freiheit für alle, Freiheit ist unteilbar. Die Widersprüche der Freiheit gibt es in Ost und West. Eine Sehnsucht nach Freiheit auf der einen Seite, oft gleichzeitig ein Verlangen nach Betreuung auf der anderen Seite.

Das Symbol der Unfreiheit in der deutschen Nachkriegsgeschichte ist die Mauer. Am 13. August vor 44 Jahren begann der Bau der Mauer. Die Mauer war mehr als eine Beschränkung der Reisefreiheit. Die Mauer war das Symbol von Herrschaft gegen den Willen der Menschen.
Viele Menschen haben beim Versuch, die Mauer zu überwinden, um in Freiheit zu Leben, ihr Leben riskiert. Eine unbekannte Zahl hat dabei das Leben verloren. Wenn wir heute Freiheit verteidigen als ein unveräußerliches Recht aller Menschen, dann auch für diejenigen, die unter der Unfreiheit der Mauer gelitten oder sogar ihr Leben verloren haben.

Freiheit die wir meinen, heißt Freiheit zur Verantwortung. Es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung. Ich möchte hier ein Bild von Graf Lambsdorff aufgreifen, das er früher gerne benutzt hat: Es ist das Bild vom Tiger im Zoo und seinem Wunsch nach Freiheit: ?Weg mit den Gitterstäben, aber regelmäßige Fütterung um 18:00 Uhr?

Weil für Liberale Freiheit unteilbar ist, war für uns auch unser Vaterland unteilbar. Liberale kämpfen darum, daß Menschen in den Genuß der Freiheit kommen. Das gilt für die Menschen in der DDR und das gilt international auch für alle Menschen, die unter Unterdrückung und Unfreiheit in diktatorischen Regimen leiden. Wir machen keine Tauschgeschäfte mit der Freiheit. Auch nicht mit wirtschaftlich aufstrebenden Nationen wie der Volksrepublik China. Ein Regime, das Tibet besetzt, massenhaft Menschenrechte unterdrückt, dem reichen wir nicht die Hand für die Aufhebung des EU-Waffenembargos .

Freiheit, die wir meinen, heißt: Freiheit ist unteilbar nach innen. Es gibt keinen Bindestrichliberalismus. Marktwirtschaftliche Freiheit und Freiheit der Bürger gehören zusammen. Viele halten die Aufhebung des Bankgeheimnisses durch Rot-Grün für ein wirtschaftliches Thema. Ich halte das zuerst für ein Bürgerrechtsthema. Wenn jeder Beamte in einer Verwaltung ohne richterliche Anordnung einfach so die Stammdaten von Bankkunden einsehen kann, dann ist das kein Gewinn von Sicherheit, sondern ein Verlust von Freiheit.
Wir alle wissen, zu hohe Steuern und Abgaben sind nicht zuerst ein fiskalisches Thema, sondern ein Freiheitsthema. Soziale Sicherungssysteme, die Arbeitsplätze kosten und immer weniger für die Versicherten bringen, sind ein Freiheitsthema. Aber wenn wir die Menschen gewinnen wollen, den Weg der Liberalen zu gehen: Dann müssen wir die Menschen dafür auch gewinnen, mehr Verantwortung zu wollen.
Die Liberalen sind gegen die Staatsquote von derzeit ca. 50 %, weil wir das für den Weg in die ungeplante Planwirtschaft halten. Wenn jeder zweite Euro durch die Hände des Staates geht, dann ist das auch eine Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger. Dahinter steht der Glauben, daß der Staat besser für die Bürger sorgen könnte, als sie für sich selber sorgen können. Das ist nicht Auffassung der Liberalen. Die sozialdemokratischen Parteien trauen dem Staat und mißtrauen dem Bürger, Liberale mißtrauen dem Staat und vertrauen der Kraft der Bürger.

Wir wollen den starken Staat, aber unser starker Staat ist ein schlanker Staat. Den schlanken Staat wollen wir deshalb, weil wir an den starken Bürger glauben. Das ist unser Credo der Freiheit: Freiheit braucht den starken Bürger. Die Menschen in Deutschland haben immer wieder bewiesen, daß sie mit ihrer Freiheit besser umgehen können als der Staat.

Anrede,
in diesen Tagen fühlen sich viele berufen, etwas zum Wesen der Menschen in den neuen Bundesländern zu sagen. Wer nach 15 Jahren Deutscher Einheit immer noch glaubt, Politik an vermeintlichen Charakterunterschieden der Menschen in Ost und West fest machen zu können, der hat entweder die Deutsche Einheit nicht verstanden oder er will bewußt zwischen Ost und West spalten. 15 Jahre nach der Deutschen Einheit halten wir Liberale fest: Die Menschen in Ost und West, sie haben ähnliche Probleme, sie brauchen eine ähnliche Antwort, wir wollen eine gemeinsame Politik für einen Aufschwung Ost und einen Aufschwung West. Wir wollen die gesamtdeutsche Solidarität und auch den Aufbau Ost. Ich halte es für unerträglich, wenn ein paar Westpolitiker in öffentlichen Stellungnahmen den Ostdeutschen erklären, welche Probleme die DDR bei Ihnen angerichtet hat. Das ist nur Werbung für die PDS. Denn von der PDS wissen wir, sie will spalten. Die PDS will die Probleme nicht lösen. Die PDS ist ein Teil des Problems.

Wir werden die PDS und ihre Sympathisanten in diesem Wahlkampf nicht links liegen lassen. Wir werden uns mit ihr auch nicht juristisch auseinandersetzen, wie es offensichtlich dem Bundeskanzler durch den Kopf geht. Wir wollen die politische Auseinandersetzung. Die Politik der PDS sie würde nicht zu einer Halbierung, sondern zu einer Verdoppelung der Arbeitslosigkeit führen. Wer in Westdeutschland PDS wählt, leistet einen Beitrag zu mehr Arbeitslosigkeit. Wer in Ostdeutschland PDS wählt, schadet seinen eigenen Chancen für Wohlstand und Aufschwung.

Dieser Wahlkampf wird gesamtdeutsch geführt. Ost gegen West, West gegen Ost, das wird nicht die Haltung einer Bundesregierung, an der die Freien Demokraten beteiligt sind. Deutschland besteht aus 16 Bundesländern und nicht nur aus Einem. Jede Stimme in Thüringen zählt genauso viel wie jede Stimme in Hessen und jede Stimme in Sachsen genauso viel wie jede Stimme in Bayern. Wir lassen uns die Freude an der Deutschen Einheit nicht nehmen. Von niemanden im Westen und von niemanden im Osten und von niemanden im Norden auch nicht von jemanden im Süden. Wer nur danach fragt, was kostet die Einheit, der vergißt, was sie uns wert ist.

Ich stelle sachlich fest, heute hier in Hannover: Die Region Hannover hat eine Arbeitslosenquote von 14,3 %. Dresden hat eine Arbeitslosenquote von 14,8 %. Potsdam hat eine Arbeitslosenquote von 12,6 %. Bremerhaven hat eine Arbeitslosenquote von 24 % also das Doppelte von Potsdam. Die Politik von sieben Jahren Rot-Grün hat zumindest eines geschaffen: Die Einheit der Probleme. Ich sage: Es wird dem Westen nicht gut gehen, wenn es dem Osten schlecht geht. Und es wird dem Osten nicht gut gehen, wenn es dem Westen schlecht geht. Deswegen brauchen wir eine nationale Wachstumsstrategie für ganz Deutschland.

Anrede,
schon in der alten Bundesrepublik hat sich eine Tendenz zur Gegnerschaft der liberalen Freiheitswerte entwickelt. Das Wort ?sozial? heißt im Wortsinn ursprünglich: gesellschaftlich. Viele Parteien, die heute in Deutschland von ?sozial? sprechen, meinen meist staatliche Verteilung. Es gibt eine Auffassung, die will glauben machen, Freiheit brauche das Korrektiv der Gleichheit. Es ist richtig, Freiheit fördert Vielfalt. Freiheit fördert Kreativität. Freiheit braucht den Wettbewerb der Ideen um die besten Lösungen genauso in der Wirtschaft wie in der Kultur. Diese Freiheit bringt unterschiedliche Ergebnisse. Ja sie soll unterschiedliche Ergebnisse bringen. Für Liberale bedeutet Gleichheit: Gleichheit der Rechte, Chancengleichheit, Gleichheit am Start aber nicht gleiche Ergebnisse am Ziel. Nicht die Gleichheit ist der Gegner der Freiheit, Gleichmacherei ist der Gegner der Freiheit.

Deswegen ist es Aufgabe einer liberalen Partei heute in Deutschland, den Menschen die Chance zu geben, ihre Freiheit zu leben. Wer keinen Arbeitsplatz finden kann, der hat keine Chance, seine Freiheit zu leben. Wer der jungen Generation heute durch immer mehr Staatsverschuldung eine unzumutbare Erblast aufbürdet, der nimmt der jungen Generation Freiheitschancen für morgen. Wer heute die natürlichen Ressourcen verbraucht, der vergeht sich an der Freiheit von morgen. Wer den Bürgerinnen und Bürgern zu hohe Steuern und zu hohe Abgaben aufbürdet, der enteignet Leistung und Freiheit. Wer im Namen der Terrorismusbekämpfung immer mehr Rechte der Bürger abbaut, ohne gleichzeitig dafür Sicherheit zu geben, der handelt gegen den Freiheitsgedanken unserer Verfassung.

Wenn heute drei Parteien links von der Mitte im Wahlkampf einen Überbietungswettbewerb der Verteilungspolitik betreiben, dann ist unser Kampf dagegen ein Freiheitskampf. Wenn ein drohendes Ergebnis der Neuwahlen sein könnte, dass SPD/Grüne und PDS eine Mehrheitsregierung bilden, dann ist unser Wahlkampf für eine starke FDP 2005 ein Freiheitskampf.

Freiheit, die wir meinen, hat der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher vor 15 Jahren auf den Parteitag hier in Hannover beschrieben. Ich zitiere:

"Freiheit verlangt Bekenntnis.
Freiheit verlangt Verantwortung.
Freiheit ist mehr als wirtschaftliche Freiheit.
Freiheit ist unteilbar.
Die Freiheit die wir meinen, wollen wir überall, wir wollen sie jetzt, und wir wollen sie für alle.
Freiheit ist nicht nur eine Sache der Vernunft, sie ist eine Sache des Herzens. Wir, die Liberalen, sind der Bannerträger der Freiheit.
Der Sozialismus hat ausgespielt, er hatte seine Chance, er hat versagt.
Das ist aber noch kein Grund, die Zukunft den Konservativen zu überlassen.
Die Zukunft gehört der Freiheit.
Wer unserer Politik der inneren Liberalität will, wer soziale und
ökologische Marktwirtschaft will, wer unsere Friedenspolitik will, der muß uns auch unterstützen ? in Bund, Ländern und Gemeinden.
Freiheit kann man wählen"

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