07.01.2015FDPFDP

SUDING-Interview: Liberalismus ist nicht teilbar

Berlin. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Hamburger Bürgerschaftswahl KATJA SUDING gab „Handelsblatt Online“ das folgende Interview. Die Fragen stellten TILL HOPPE und NILS RÜDEL:

Frage: Frau Suding, Sie kommen aus der PR und kennen sich mit Marken aus. Wäre die FDP Ihr Kunde, was würden Sie ihr raten?

SUDING: Sich auf das zu besinnen, was die FDP ausmacht. Es geht ja nicht darum, jetzt irgendeinen Firlefanz zu veranstalten. Es geht darum, wer wir sind – und das wieder herauszuarbeiten und konsequent herauszustellen. Wir Freien Demokraten haben ein großes Alleinstellungsmerkmal gegenüber allen anderen Parteien.

Frage: Erschöpft sich Ihr Alleinstellungsmerkmal in Gags? Das Plakat in Hamburg mit Ihnen neben dem Slogan „Unser Mann für Hamburg“ – das ist doch ein Gag, um ins Gespräch zu kommen?

SUDING: Das war der erste Aufschlag, ein einmal genutztes Motiv, das uns viel Aufmerksamkeit gebracht hat. Es gilt die Weisheit: Wer will, dass die Menschen in die Kirche kommen, schreibt die Predigt nicht aufs Plakat. Aber die Kampagne, die in Hamburg am Mittwoch vorgestellt wird, wird sich um unsere zentralen Themen drehen.

Frage: Was ist denn die FDP und was sind das für Themen?

SUDING: Wir sind immer noch die Bildungspartei. Wenn wir wollen, dass Menschen ihre Chancen im Leben optimal nutzen können, dann müssen wir für gute Bildung sorgen. Ein viel größeres Thema gibt es kaum.

Frage: Bildung ist ja ein Thema, das unter Parteichef Lindner neu entdeckt wurde...

SUDING: ... wiederentdeckt, nicht neu entdeckt. Die FDP hat sich schon lange als Bildungspartei begriffen. Wir müssen uns auf Felder zurückbesinnen, die in den vergangenen Jahren vielleicht etwas in den Hintergrund gerückt sind.

Frage: Trotzdem könnten wir jetzt nicht auf Anhieb sagen, wie denn genau die bildungspolitischen Ideen der FDP aussehen. Da scheint es an der Kommunikation zu hapern.

SUDING: Von anderen Parteien unterscheidet uns, dass wir ideologiefrei an die Sache herangehen. Uns geht es nicht um Strukturdebatten, wie sie Grüne, Linke und SPD führen. Uns geht es darum, wie man dem einzelnen Kind die beste Bildung ermöglichen kann. Es gibt nichts Ungerechteres, als jedes Kind gleich zu behandeln. Es geht uns um alle Kinder, sowohl die mit besonderem Förderbedarf, als auch um Hochbegabte, die große Probleme haben, wenn sie nicht entsprechend gefördert werden. Wir müssen aber auch schauen, wie wir Lehrer besser auswählen und ausbilden. Wir brauchen die allerbesten.

Frage: Was gehört neben Bildung noch zum Markenkern der FDP, auf den man sich besinnen soll?

SUDING: Soziale Marktwirtschaft! Auch wieder brandaktuell, wenn man sieht, wie die Große Koalition ein ums andere Mal die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft verletzt. Da braucht es eine liberale Kraft, die dagegenhält.

Frage: Was meinen Sie genau?

SUDING: Schauen wir uns doch mal das Rentenpaket an. Da werden 230 Milliarden Euro bis 2030 reingebuttert und die Beitragszahler belastet.

Frage: Aber das ist ja nicht neu. Die FDP hat sich im vergangenen Jahr auch schon über die Umverteilerei der Großen Koalition ereifert.

SUDING: Es war deshalb aber nicht falsch, nur weil es nicht jeden Tag auf den Titelseiten stand. Und wir werden es weiterhin sagen. Der Unterschied ist aber, das spüre ich bei meinen vielen Gesprächen mit Bürgern, es fällt jetzt auf fruchtbareren Boden. Die Menschen haben damals gesagt: Nun lass die Große Koalition doch erstmal machen. Aber inzwischen machen sie sich richtig Sorgen. Ich höre ganz oft den Satz: „Ich bin politisch heimatlos geworden. Niemand im Bundestag vertritt mich mehr.“

Frage: Aber die Leute mögen doch offenbar die Politik von Kanzlerin Merkel und der Großen Koalition, es geht ihnen gut. Sind Sie da die Spaßverderberin?

SUDING: Nein, überhaupt nicht. Den Menschen geht es gut und es ist normal, wenn nicht jeder jeden Morgen ausrechnet, wie viele Milliarden das Rentenpaket bis 2030 kostet. Aber es gibt auch mehr und mehr Menschen, die sich Gedanken um die Zukunft machen. Und die sagen uns, dass die FDP auf der bundespolitischen Bühne fehlt.

Frage: „Mehr Marktwirtschaft“ klingt ein wenig abstrakt. Wie erreicht man damit die Leute?

SUDING: Mit konkreten Beispielen. Nehmen Sie den Mindestlohn. Fragen Sie doch mal den Unternehmer, welche Sorgen er sich jetzt macht und wie viel Bürokratie er zu bewältigen hat. Wir ersticken doch schon in Bürokratie! Oder die Mietpreisbremse. Die hat Olaf Scholz für ganz Hamburg eingeführt, und nicht nur in den Gegenden, wo die Preise tatsächlich stark gestiegen sind. Das Ergebnis werden weniger neue Wohnungen sein, die Mieten in der Folge steigen. Oder die Energiewende. Gestiegene Energiepreise belasten Unternehmen und private Haushalte. Das planwirtschaftliche EEG muss abgeschafft werden. Es gibt weitere Beispiele, und das spüren die Menschen.

Frage: Das mag ja stimmen. Aber was fehlt, damit diese Menschen dann tatsächlich auch die FDP wählen?

SUDING: Wir brauchen jetzt endlich mal wieder einen Wahlerfolg. Erfolg macht sexy! Das haben wir bei der AfD erlebt, über die ja nicht deshalb so viel berichtet wurde, weil sie ein so tolles Programm hat, sondern weil sie bei Wahlen gut abgeschnitten haben. Wir müssen also wieder Wahlen gewinnen, wir müssen raus aus der Verliererecke. Die Leute wollen auf der Seite der Sieger stehen.

Frage: Nun steht die FDP in Hamburg in den Umfragen bei zwei Prozent, bundesweit leicht darüber. Ist noch ein Stückchen hin bis zum Wahlerfolg.

SUDING: Die Situation kenne ich, vor der letzten Bürgerschaftswahl war es ähnlich, und wir haben trotzdem ein gutes Ergebnis erzielt. Wir können kämpfen, wir sind sehr gute Wahlkämpfer. Und die Resonanz, die wir bekommen, fühlt sich nicht an wie zwei Prozent. Da wird noch viel passieren bis zum 15. Februar.

Frage: Ein Grund für die Umfrageergebnisse sind auch die innerparteilichen Querelen in Hamburg. Ist das jetzt vorbei?

SUDING: Ja. Das war ein Klärungsprozess, der notwendig war. Doch jetzt können wir wieder beschwingt und gut zusammen arbeiten.

Frage: Jetzt haben Sie aber das Problem mit den „Neuen Liberalen“, die sich von der FDP abgespalten haben und jetzt ebenfalls zur Wahl antreten...

SUDING: ... da muss ich Sie unterbrechen, es ist keine Abspaltung! Es sind eine Handvoll Mitglieder, die sich zusammen mit Piraten, Linken, Grünen und anderen zusammengetan haben, um eine neue Partei zu gründen. Wir haben den Trend im Übrigen wieder gedreht und haben mehr Parteieintritte.

Frage: Diese neue Gruppe setzt auf eine sozialliberale Politik. FDP-Chef Lindner hat ebenfalls das Soziale wiederentdeckt, Sie können sich eine Koalition mit SPD-Mann Scholz vorstellen...

SUDING: Für mich ist Liberalismus nicht teilbar! Für mich gehören zum Liberalismus wirtschaftliche Vernunft, solide Finanzen, beste Bildung und starke Bürgerrechte. Und eine Sozialpolitik, die anders ist als bei anderen. Wir wollen Menschen in einer schwierigen Phase ihres Lebens, in der sie Hilfe benötigen, unterstützen und motivieren und bilden, damit sie schnell wieder auf eigenen Beinen stehen können. Ich will sie nicht dauerhaft zu Sozialhilfeempfängern machen. Und was die Koalitionsfrage angeht: Wenn eine sozialliberale Koalition mit deutlich liberaler Handschrift möglich ist, dann machen wir das. Aber diese Frage ist nachrangig. Wir kämpfen zunächst für ein möglichst starkes Ergebnis der Freien Demokraten.

Frage: 2001, lange vor Ihrem Parteieintritt, hat die FDP in Hamburg mit CDU-Bürgermeister von Beust und der rechtspopulistischen Schill-Partei ein Bündnis geschmiedet. Fürs Protokoll: Können Sie sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen?

SUDING: (lacht) Nein! Da sehe ich keine Schnittmengen. Eine Partei, die homophob ist, Ressentiments gegen ausländische Mitbürger schürt und Europa sprengen will, kann kein Ansprechpartner für Liberale sein.

Frage: Die AfD ist umso mehr ein Tabu, seit Teile der Partei die Nähe zu Pegida suchen.

SUDING: Ja, und das machen sie zum Teil auf eine sehr perfide Weise. Dass man da bewusst mit Ressentiments und Fremdenfeindlichkeit spielt, gefällt mir überhaupt nicht.

Frage: Für die FDP ist das doch ganz gut, denn als liberal nimmt die AfD jetzt wohl niemand mehr wahr.

SUDING: Das war die AfD auch nie.

Frage: Pegida schließen sich Menschen an, die sich in ihren Ängsten, wie begründet die auch immer sind, von Politik und Medien alleine gelassen fühlen. Welches Angebot können Sie ihnen machen?

SUDING: Das Entscheidende ist, dass man nicht Dinge in einen Topf wirft, die nichts miteinander zu tun haben. Klar haben wir Probleme mit Extremisten, auch mit religiösen Extremisten, etwa Salafisten in Hamburg. Und die Rückkehr von IS-Kämpfern aus Syrien und dem Irak, vor denen ja viele Menschen zu uns geflohen sind, muss uns Sorgen bereiten. Aber es gilt, übrigens auch am rechten und am linken Rand: Alles, was extremistisch ist, muss mit der vollen Härte des Rechtsstaats bekämpft werden. Auf der anderen Seite brauchen wir aber ganz, ganz dringend gute und qualifizierte Zuwanderung. Diese Dinge muss man auseinander halten.

Frage: Am Montagabend war in Hamburg eine Gegendemo gegen Pegida geplant. Wären Sie nicht in Stuttgart, wären Sie hingegangen?

SUDING: Ja, da hätte ich aus voller Überzeugung mein Gesicht gezeigt.

Frage: Sie haben an diesem Dienstag einen großen Auftritt auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart, der größten Bühne innerhalb der FDP. Nervös?

SUDING: Nein, eher gespannt. Ich freue mich darauf!

Frage: Aber auf Ihnen lastet ein großer Erfolgsdruck. Die Parole ist doch: Die Hamburg-Wahl am 15. Februar muss erfolgreich sein, damit die Wende gelingen kann.

SUDING: Ich kann gut mit Druck umgehen, er spornt mich erst richtig an. Ich freue mich auf den Wahlkampf. Und es ist doch schön, wenn alle nach Hamburg schauen. Natürlich ist jede Wahl wichtig, aber am Ende zählt die Bundestagswahl 2017. Und selbst wenn Hamburg nicht klappen sollte, wovon ich sicher nicht ausgehe, wird es trotzdem weitergehen.

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