FDPGriechenland-Krise

Tsipras-Regierung ist unglaubwürdig

Alexander Graf LambsdorffAlexander Graf Lambsdorff
13.07.2015

In Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs um eine Lösung für die Griechen gerungen und eine Einigung erzielt. FDP-Präsidiumsmitglied Alexander Graf Lambsdorff bezweifelt allerdings die Glaubwürdigkeit der griechischen Zusagen. Via Twitter ließ er verlauten: "Die vergangenen fünf Jahre geben uns ausreichend Grund zu glauben, dass die griechische Regierung dies getreulich tun wird. Ach Moment…" Im Interview mit der "B.Z. am Sonntag" warnte er vor den Auswirkungen eines dritten Hilfspakets auf die Stabilität der Euro-Zone.

Das Ergebnis des griechischen Referendums sei eindeutig gewesen, denn 61 Prozent der Wähler hätten die Reformen abgelehnt, erklärte der Freidemokrat. "Ich würde mich als griechischer Wähler verschaukelt fühlen, wenn ich erst das ganze Programm ablehnen soll und es eine Woche später als der Weisheit letzter Schluss verkauft bekäme", unterstrich Lambsdorff. "So macht sich Politik unglaubwürdig. Tsipras' Politik ist unglaubwürdig. Deswegen sollten wir als Europäer uns darauf auch nicht einlassen."

Lesen Sie das gesamte Interview hier:

Frage: Bis auf kleine Details ist das Reformprogramm, welches Tsipras vorgelegt hat, deckungsgleich mit den Forderungen der Troika vor dem Referendum. Was halten Sie davon?

LAMBSDORFF: Griechenland hat sich sehr deutlich geäußert im Referendum mit 61 Prozent Ablehnung der Reformen. Ich würde mich als griechischer Wähler verschaukelt fühlen, wenn ich erst das ganze Programm ablehnen soll und es eine Woche später als der Weisheit letzten Schluss verkauft bekäme. So macht sich Politik unglaubwürdig. Genau das ist das Problem. Tsipras' Politik ist unglaubwürdig. Deswegen sollten wir als Europäer uns darauf auch nicht einlassen.

Frage: Was wäre das für ein Signal?

LAMBSDORFF: Aus Sicht der FDP macht es keinen Sinn, Griechenland ein drittes Hilfspaket zu geben, einen Schuldenerlass und ein großes Investitionspaket, alles innerhalb des Euros. Denn das ist ein falsches Signal an all diejenigen innerhalb der Eurozone, die die Währung weich machen wollen.  Und wir wollen keine weich gespülte Währung, wir wollen einen harten Euro.

Frage: Können Sie sich erklären, warum eine linkssozialistische Regierung wie die Syriza nicht bereit ist, Häfen und Reiche zu besteuern?

LAMBSDORFF: Das kann niemand verstehen. Als Tsipras im Europaparlament war, gab es eine Riesen-Debatte. Guy Verhofstadt hat ihm gesagt: Sie reden immer von Reformen, wir sehen nur nie welche! Und so ist es: Weder bei der Besteuerung der Reichen, noch bei den Reedern und der orthodoxen Kirche. Warum ein Kommunist davor zurückschreckt, die Kirche zu besteuern, ist mir ein Rätsel.

Frage: Versucht Tsipras, statt Griechenland die EU zu reformieren, ihr den Sozialismus überzustülpen?

LAMBSDORFF: Ich habe den Verdacht, dass Herr Tsipras nicht Politik für Griechenland macht, sondern Politik mit Griechenland gegen das, was er 'das System' nennt. Nämlich eine marktwirtschaftlich organisierte freiheitliche EU mit einer harten Währung und einem funktionierenden Bankensektor.

Frage: Wenn EU und IWF nun doch nicht zahlen, würde sich Tsipras von Putin finanzieren lassen?

LAMBSDORFF: Dafür hat Putin das Geld gar nicht.

Frage: Also ein Grexit?

LAMBSDORFF: Ja. Der ist auch teuer, doch dabei ist ein Ende absehbar. Wenn die Kanzlerin aber umfällt und dem Bundestag ein neues Hilfspaket vorschlägt und die Unionsfraktion fällt um, zahlen wir weiter in ein Fass ohne Boden. Und das lehnen wir Freien Demokraten entschieden ab. Griechenland sollte aus dem Euro rausgehen und in der EU bleiben.

Frage: Sprechen die EU-Verträge nicht dagegen?

LAMBSDORFF: Die Verträge unterliegen der politischen Gestaltungsmacht der Mitgliedstaaten und der Europäer. Dass die Eurozone bisher einen Austritt nicht vorsah, zeigt einen Nachbesserungsbedarf im Vertrag. Den können die Europäer umsetzen.

Frage: Sollten Bundesregierung und Bundestag kommende Woche einem dritten Hilfsprogramm für Athen zustimmen, müsste Deutschland etwa 17 Milliarden Euro schultern. Würden wir die je wiedersehen?

LAMBSDORFF: Nein, zumal Griechenland ja gleichzeitig einen Schuldenschnitt verlangt. Merkel sagt, der sei nicht klassisch. Aber wie würde Ihr Bankberater reagieren, wenn Sie ihm erklären, Sie zahlen ihre Schulden nicht zurück, aber das sei nicht klassisch?

Frage: In Deutschland steigen wieder die Arbeitskosten. Ein Standortnachteil?

LAMBSDORFF: Die aktuellen Tarifabschlüsse, die in Tarifautonomie zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt werden, bringen nach zehn Jahren Lohnzurückhaltung keinen Standortnachteil. Deutschland ist besonders wettbewerbsfähig, und deshalb ist es nur gerecht, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon genauso profitieren wie die Unternehmer. Das kann unsere Kaufkraft erhöhen und die Wirtschaft in Deutschland antreiben. Während aber bei Tarifabschlüssen die Sozialpartner selbstständig beschließen, legt beim Mindestlohn der Staat den Preis für Arbeit fest – das Gegenteil von dem, wofür wir Liberale stehen. Es gibt regionale und branchenspezifische Unterschiede. Die Einmischung des Staates in die Lohnfindung ist völlig unsinnig. Und was die Große Koalition an sozialen Wohltaten verteilt, gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass wir von den Griechen die Rente mit 67 verlangen, aber Gabriel und Merkel in Deutschland die Rente mit 63 einführen.

Frage: Deutschland beschäftigt sich mit Griechenland, aber unsere Infrastruktur verfällt. Was muss geschehen?

LAMBSDORFF: Das brennt in der Tat allen Bürgern auf den Nägeln. Wir haben Hunderte sanierungsbedürftige Brücken, viele Straßen, bei denen man das Gefühl hat, über eine Dschungelpiste zu fahren. Hier Investitionen anzustoßen, ist notwendig. Die Zinsen sind so niedrig wie seit langem nicht. Insofern ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt, um dafür Geld in die Hand zu nehmen. Das schafft Arbeit und ist deswegen viel besser, als Sozialleistungen mit der Gießkanne zu verteilen.

Frage: Brauchen wir im Bundestag wieder die FDP? Und warum?

LAMBSDORFF: In Deutschland wird eine Stimme für liberale Wirtschaftspolitik dringend gebraucht. Die Sozialdemokratisierung der CDU, früher schleichend, geht mittlerweile in galoppierendem Tempo vorwärts. Man erfüllt der SPD jeden Wunsch. Wenn es kein liberales Korrektiv gibt, verspielen wir unsere momentane starke Position. Deshalb braucht es die FDP als wirtschaftspolitischen Kompass – und als Partei der Bürgerrechte.

Frage: Lucke und seine Freunde treten in Scharen aus der AfD aus. Sind Sie deren neue politische Heimat?

LAMBSDORFF: Da gibt es keinen Gesprächsbedarf. Lucke sagt von sich selbst, er sei ein Konservativer. Das ist sein gutes Recht. Aber wir wollen liberale Überzeugungstäter und nicht politische Glücksritter, die heute hier und morgen da schauen, wo sie Erfolg haben können. 

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