23.11.2017FDPFDP

BEER-Interview: Es hätte gereicht, unsere Positionen ernst zu nehmen

Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gab der „Passauer Neuen Presse“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Tobias Schmidt.

Frage: Frau Beer, FDP-Chef Christian Lindner hat nach seinem Gespräch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das endgültige Aus für Jamaika erklärt. Sind Sie mit dieser Festlegung einverstanden?

Beer: Beim Bundespräsidenten war ich nicht, und über dort Geäußertes reden wir nicht öffentlich. Herrn Schäubles Appell an die Verantwortung der Parlamentarier beherzigen wir, aber er hat nicht zu Kompromissen zu Lasten Dritter gemahnt. Und wir lassen unsere Wähler nicht im Stich. Wenn wir unsere wichtigsten Ziele – bessere Bildung, Wahrung der Bürgerrechte, geordnete Einwanderung, ein stabiles Europa, Entlastung, Versöhnung von Ökonomie und Ökologie – über Jamaika nicht erreichen können, dann suchen wir nach anderen Wegen zum Ziel. Auch wenn es länger dauert.

Frage: Stünde die FDP für eine Minderheitsregierung bereit oder würde eine schwarz-grüne Minderheitsregierung stützen?

Beer: Dafür fehlt mir die Vorstellungskraft. Das wäre eher Bermuda-Dreieck als Jamaika.

Frage: Fürchten Sie nicht, dass der FDP bei Neuwahlen der Abbruch der Jamaika-Verhandlungen übelgenommen werden würde?

Beer: Aktuelle Umfragen sprechen eine ganz andere Sprache. Viele sehen in uns eine überzeugungsstarke und wirkungsvolle Alternative für die Zukunft. Gerade auch weil wir uns in den Sondierungen nicht um der Möglichkeit von Ministerposten willen haben verbiegen lassen, sondern konsequent geblieben sind. Und wir haben neue Unterstützer: allein seit Montagmorgen rund 250
neue Parteimitglieder. Kurz: im Falle von Neuwahlen gehen wir selbstbewusst, geschlossen und motiviert in diesen Wahlkampf.

Frage: In den allermeisten Punkten herrschte in der letzten Jamaika-Nacht Einigkeit. Dennoch hat die FDP Nein gesagt. War die Jamaika-Absage nicht doch von langer Hand geplant?

Beer: Die Legende von der greifbar nahen Einigung wurde offenbar gestrickt, als erkennbar wurde, dass wir uns nicht einigen können. Gut zu sehen an der Äußerung von CSU-Mann Hans Michelbach, man habe sich beim Soli und sicheren Herkunftsländern geeinigt, direkt am Ende der Gespräche. Diese Äußerung musste er dann wieder zurücknehmen. Der Zweck ist ein durchsichtiges Schwarzer-Peter-Spiel. Mit dem Gesprächsverlauf hat es nichts zu tun. Es gab weit mehr als hundert schwerwiegende strittige Punkte. Keine Einigung bei Kernthemen wie Einwanderung, Finanzierung besserer Bildung etc.. Das ist ja mittlerweile dokumentiert.

Frage: Kanzlerin Angela Merkel ist tief enttäuscht. Für sie hat sich die FDP aus der Verantwortung gestohlen. Was sagen Sie dazu?

Beer: Wir haben in den Verhandlungen immer wieder deutlich gemacht, worauf es uns bei aller Kompromissbereitschaft im Hinblick auf die Modernisierung unserer Gesellschaft ankommt. Seit Freitag haben wir dann mehrfach mit „Signalstufe Gelb“ darauf aufmerksam gemacht, dass unsere Vorstellungen im Entwurfsstand nicht ausreichend vorkommen. Bei einer Regierungschefin mit ihrer Verhandlungserfahrung ist anzunehmen, dass sie diese Situation klar erfasst hat. Sie hat weiter jongliert und nicht die Balance gehalten. Bei ihr mischte sich wohl manche inhaltliche Neigung zu Grünen-Positionen mit der taktischen Maßgabe, den Grünen über ihren Parteitag zu helfen. Uns hätte sie nicht zu helfen brauchen, unsere Positionen ernst zu nehmen hätte gereicht.

 

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