BEER-Interview: Kein zweiter Aufguss von Jamaika
Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer gab dem „Luxemburger Wort“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Helmut Uwer.
Frage: Nach dem Aus für eine Jamaika-Koalition in Deutschland ist die FDP gehörig unter Druck geraten. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer verteidigt die Absage mit dem Hinweis auf zu wenig Modernisierungsanstrengungen und einer Dominanz von Schwarz-Grün. Die Absage an Jamaika hat die FDP zwei Prozent gekostet, Parteichef Lindner sogar 20 Prozent. War sie wirklich richtig?
Beer: Ja, denn es geht nicht um Prozente, sondern um Inhalte. Wir haben für eine Modernisierungsagenda in Deutschland gekämpft, und die war mit CDU/CSU und den Grünen nicht zu vereinbaren. Hier begnügt man sich mit dem Verwalten des Status Quo. Doch das ist angesichts der rasanten Veränderungen um uns herum gefährlich: Wir müssen die Grundlagen für Freiheit und Wohlstand von morgen legen.
Frage: Zuerst waren es die Grünen, dann Bundeskanzlerin Merkel. Woran ist Jamaika denn nun wirklich gescheitert?
Beer: Am mangelnden Mut unserer Partner, in einem großen Wurf eine gemeinsame Vorstellung für die Zukunft zu entwickeln: gemeinsam neu zu denken, neue Wege zu gehen. In Wirtschaft und Wissenschaft wird immer von der Innovationskraft als Anspruch und Zielmarke gesprochen, doch was ist mit der Innovationsfähigkeit der deutschen Politik? In meinen Augen haben Politiker die Verantwortung, hier voranzugehen, um neue Chancen zu schaffen, Menschen Perspektiven zu eröffnen, die sie für sich nutzen können. In den Sondierungen, die wir erlebt haben, ging es aber nur darum, dass einige Schwarz-Grün endlich verwirklichen wollten, was 2013 knapp gescheitert war. Das wäre ein „Weiter so“ mit ein wenig mehr angeblichem „Öko“ geworden – für uns Freie Demokraten zu anspruchslos.
Frage: Im Wahlkampf haben Sie den „German Mut“ beschworen. Wo war der bei den Verhandlungen?
Beer: Der „German Mut“ hat unseren Gesprächspartnern leider gefehlt. Und daher haben wir Mut gezeigt, die in dem Moment unpopuläre, aber politisch richtige Entscheidung zu treffen, die Sondierung zu beenden. Wir haben danach gehandelt, worauf es ankommt und nicht danach, was ankommt. Unsere Aufgabe als Erneuerer werden wir nun als konstruktive Opposition wahrnehmen.
Frage: Wenn die GroKo nicht zustande kommt, wären Sie dann zu neuen Jamaika-Sondierungen bereit?
Beer: Erstmal sollen Union und SPD verhandeln bzw. die SPD ihren Parteitag abhalten, dessen Ausgang ja sehr ungewiss ist. Für die Freien Demokraten bleibt es bei unserer Haltung, dass wir einen Aufbruch für Deutschland brauchen. Dass Union und Grüne dazu aktuell auch nur in der Lage wären, sehe ich nicht. Ehrlich wären dann eine Minderheitsregierung und keine Spekulationen über einen zweiten Aufguss von Jamaika.
Frage: FDP-Chef Lindner sagt, eine Neuauflage von Jamaika nur ohne Merkel. Und wenn die CDU dann sagt, nur ohne Lindner?
Beer: Christian Lindner weist darauf hin, dass es inhaltliche und personelle Veränderungen braucht, um neue Grundlagen zu legen. Die FDP hat ihre Neuaufstellung schon erarbeitet, sie ist nur als Team zu haben.
Frage: Wie wollen Sie aus der Opposition Politik mitgestalten, wie das FDP-Chef Lindner angekündigt hat?
Beer: Im Parlament die eingeschlafene Debattenkultur wiederbeleben, mit eigenen Anträgen dort Druck machen, wo wir Deutschland voranbringen müssen: bessere Bildung, Entlastung bei Abgaben und Steuern, Stärkung der Bürgerrechte, ein geordnetes Einwanderungsrecht, eine umfassende Digitalisierungsstrategie. Einen ersten Erfolg haben wir schon erreicht: die unrealistischen nationalen Klimaziele 2020 sind vom Tisch. SPD und CDU/CSU haben sich unserem Vorschlag angeschlossen, sich besser auf die internationalen Ziele für 2030 und 2050 zu konzentrieren.
Frage: Ist die FDP die One-Man-Show Christian Lindner?
Beer: Nein. Christian Lindner ist der primus inter pares einer starken Truppe. Dass er so im Fokus steht, hängt auch damit zusammen, dass wir im Gegensatz zu anderen Parteien einen charismatischen, innovativen Parteivorsitzenden haben und die Partei nach einem aufwändigen Change-Prozess heute geschlossener denn je ist. In anderen Parteien rührt die Popularität einzelner Politiker meist von deren permanenten Querschüssen her. Die gibt es bei uns nicht.
Frage: Erinnert die derzeitige FDP mit unkonventionellen Methoden wie dem Spruch „German Mut“ und einem Parteichef im Unterhemd nicht ein wenig an Guido Westerwelles Spaßpartei?
Beer: Schauen Sie in unser Parteiprogramm, dann werden Sie sehen, wie ernst es uns ist. Und German Mut ist keine Floskel, sondern angesichts der politischen Verzagtheit notwendiger denn je. Wir Freien Demokraten leben diesen Zukunftsoptimismus vor und wollen so eine Plattform bieten für alle, die sich einer solchen „neuen Generation Deutschland“ anschließen wollen – unabhängig vom Alter, Herkunft, Beruf. German Mut ist eine Geisteshaltung.
Frage: Wie beurteilen Sie die Warnung vor einem Rechtsruck von der ehemaligen Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger?
Beer: Einen Rechtsruck in Deutschland gilt es zu verhindern. In der FDP sehe ich da keine Gefahr. Im Gegenteil: Wir sind als liberale, weltoffene Partei, die gegen Abschottung und für Bürgerrechte und die europäische Idee eintritt, der komplette Gegenentwurf zur AfD. Aber wir dürfen die Beantwortung der Fragen, die die Menschen bewegen, nicht den Gruppierungen rechts und links außen überlassen.
Frage: Inwiefern kann der französische Präsident Emmanuel Macron Vorbild für Deutschland sein, wenn er doch deutsches Geld will, was die FDP ablehnt?
Beer: Macron ist derzeit der einzige unter den Staats- und Regierungschef in Europa, der eine Vision hat. Mit seinen Ideen regt er zur Debatte über Europa an. Zukunft wurde nie gestaltet, indem alle einer Meinung waren, sondern indem um beste Lösungen gerungen wurde. Wir als Freie Demokraten stehen an Macrons Seite, was das Bekenntnis zu Europa angeht. Finanzpolitisch haben wir eine andere Vorstellung. Das ist unter Demokraten kein Drama, sondern Basis für fundierte Debatten.