15.10.2002FDP

BRÜDERLE-Gastbeitrag für die "Heilbronner Stimme"

Berlin. Der stellvertretende FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende und wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion RAINER BRÜDERLE schrieb für die "Heilbronner Stimme" (Dienstag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag zu den Spar- und Steuererhöhungsplänen der rot-grünen Bundesregierung:

Grün-Rote Orientierungslosigkeit

Der Ruf von Hans Eichel als Sparkommissar ist längst ramponiert. Es ist geradezu grotesk, dass die amtierende Bundesregierung nach ihrer Wiederwahl einen Kassensturz machen muss und so - plötzlich und unerwartet - Haushaltslöcher in Höhe von 10 bis 15 Milliarden Euro
entdeckt. Entweder hat Grün-Rot nicht mehr damit gerechnet, dass sie wiedergewählt werden und die Übersicht über die Kassenlage vollständig verloren. Oder aber man hat den Wähler bewusst die katastrophale Haushaltslage vor der Wahl verschwiegen.

Auch das Wahlversprechen, keine Steuern zu erhöhen, ist längst einkassiert. Zur weiteren Erhöhung der Ökosteuer, der de-facto Erhöhung der Einkommensteuer treten nach dem Willen der Regierung in jedem Fall noch die Streichung steuerlicher Ausnahmetatbestände, ohne dass der Steuerzahler an anderer Stelle entlastet wird. Das ist nichts anderes als eine Steuererhöhung und damit ein Vertrauensbruch, der die Politikverdrossenheit in Deutschland weiter steigern wird.

Hinzu kommen die Diskussionen um die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine höhere Erbschaftsteuer. Völlig utopisch sind die Vorstellungen der Gewerkschaften, damit 20 Milliarden Euro einzunehmen. Diese Phantasiesumme soll dann direkt wieder in ein staatliches Ausgabenprogramm gepumpt werden. Das ist die aktionistische Strohfeuermethode aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die die Haushaltsprobleme mittelfristig weiter verschärft und keine konjunkturelle Erholung bringen wird. Zudem weiß jedes Kind: Die Vermögensteuer führt zu Erhebungskosten, die kaum niedriger als die damit erzielbaren Einnahmen sind.

Aber auch die diskutierte Streichliste der grün-roten Koalition steckt voller Merkwürdigkeiten. Da sollen zum Beispiel Maßnahmen, die erst in der vergangenen Legislaturperiode eingeführt worden sind, wieder gestrichen oder gekürzt werden. Stichworte: Entfernungspauschale oder Förderung der Riester-Rente. Das zeigt, Grün-Rot gibt Pistolenschüsse in alle Richtungen ab und ist völlig orientierungslos. Dagegen wird ein
ökonomisch sinnvoller Subventionsabbau wie bei der Steinkohle einfach zum Tabu erklärt. Lieber führen die Grünen einen ideologischen Kampf gegen das Ehegattensplitting.
Aber das Ehegattensplitting ist nicht ungerecht, sondern steuersystematisch gerecht. Denn es sorgt dafür, dass Ehen als Erwerbsgemeinschaften bei gleichem Gesamteinkommen, gleiche Steuern zahlen.

Die von Grün-Rot diskutierten Kappungen der steuerlichen Ausnahmetatbestände oder das Einziehen von Einkommensgrenzen können auch nicht als Steuervereinfachung verkauft werden. Sie machen das Steuerrecht vielmehr komplizierter und sorgen für mehr
Kontrollbürokratie. Insgesamt wirkt die Sparpolitik konfus und phantasielos. Zwar ist es
richtig zu sparen und die selbst verschuldeten Haushaltsprobleme wieder in Ordnung zu bringen. Aber für die hausgemachten Löcher dürfen nicht allein die Steuerzahler in Haftung genommen werden. Zumal damit die ohnehin lahmende Konjunktur weiter abgewürgt wird. Das erschwert auch die mittelfristige Konsolidierung.

Man muss das Pferd von der richtigen Seite aufzäumen. Steuern runter und sparen, statt Steuern rauf, ohne zu sparen. Weniger ist nämlich mittelfristig mehr. Denn mehr Wachstum und mehr Beschäftigung führt auch zu stabileren Einnahmen.

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