11.08.2013FDPDatenschutz

Döring-Interview für Thüringer Allgemeine

Der FDP-Generalsekretär und stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion PATRICK DÖRING gab der "Thüringer Allgemeinen" (Wochenendbeilage) das folgende Interview. Die Fragen stellten Schüler und Studenten aus Thüringen.

TIM OBERMANN: Der amerikanische Geheimdienst kann unsere Internet-Daten in Deutschland ausspionieren. Das hat Edward Snowden aufgedeckt. Die USA verfolgen ihn nun als Verbrecher. Hätte Deutschland ihm nicht helfen sollen?

DÖRING: Ich glaube, dass die Enthüllungen von Edward Snowden über die Überwachungstätigkeiten der USA ein zweischneidiges Schwert sind. Damit hat er auch dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus geschadet. Das spielt all jenen in die Hände, die es nicht gut mit den westlichen Demokratien meinen. Geheimnisverrat in diesem sensiblen Bereich birgt Gefahren.

TIM OBERMANN: Finden Sie es denn legitim, dass die Amerikaner uns ausspionieren können?

DÖRING: Das wäre illegal und müsste die Bundesregierung verhindern. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, wir könnten gänzlich auf jegliche Art von Geheimdiensttätigkeit verzichten. Denn das würde nicht mehr, sondern weniger Sicherheit bedeuten. Geheimdienste müssen jedoch parlamentarisch kontrolliert werden. Das Parlament muss sagen können, was sie dürfen und was nicht. Bundestagsgremien müssen vertraulich darüber wachen. Das ist meine Vorstellung vom Umgang eines demokratischen Rechtsstaates mit den Geheimdiensten.

JAN SIEGEMUND: Schadet die Affäre Snowden den Deutsch-Amerikanischen Beziehungen?

DÖRING: Ich bin froh, dass die Diskussion keinen anti-amerikanischen Zungenschlag bekommen hat. Die Amerikaner sind außerhalb Europas unsere wichtigsten Verbündeten. Wir haben nach den Anschlägen vom 11. September betont, gemeinsam den internationalen Terror bekämpfen zu wollen. Dieses Ziel verfolgen wir weiterhin im Einklang mit geltendem Rechts und mit Sensibilität gegenüber den Daten unserer eigenen Bevölkerung. Es wäre inakzeptabel mit den Amerikanern über ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA zu verhandeln, wenn sie Wanzen in den Räumen der Europäischen Union angebracht hätten. Bis heute gibt es jedoch keinen Beweis dafür, dass zum Beispiel die EU-Behörden und EU-Botschaften von der NSA abgehört wurden.

FELIX BARGFELD: Warum lehnt die FDP Mindestlöhne ab?

DÖRING: Die FDP ist nicht gegen Mindestlöhne. Wir haben sogar in einigen Branchen tarifliche Mindestlöhne geschaffen. Uns ist jedoch ein Tarifvertrag lieber, der von den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden ausgehandelt wird. Ein politischer Mindestlohn, ausgekungelt von Parteien und Abgeordneten des Deutschen Bundestags, ist hingegen schädlich und passt nicht in unserer sozialen Marktwirtschaft. Wir wollen die Tarifpartner ein Stück weit zum Handeln motivieren. Beide Seiten müssen die Kraft aufbringen, um Tarifverträge abzuschließen. Dabei sind branchenspezifische und regionalen Unterschiede zu beachten: Man kann nicht einen Zwei-Mann-Betrieb im Thüringer Wald mit einem Hundertausend-Mann-Betrieb in Wolfsburg vergleichen. Würde die Politik hier mit einem einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn eingreifen, gingen viele Arbeitsplätze bei kleinen und mittleren Betrieben verloren.

FRANZISKA HECHT: Was halten Sie vom Vorschlag der Grünen, einen fleischfreien Tag pro Woche in deutschen Kantinen einzuführen?

DÖRING: Politik muss sich um die wesentlichen Dinge kümmern. Dazu gehört sicher nicht die Frage, wann wir Fleisch essen oder nicht. Wir sind eine aufgeklärte und freie Gesellschaft, jeder kann das selbst entscheiden. Die meisten Kantinen und Mensen bieten bereits vegetarische Alternativen an. Dafür braucht es kein Gesetz, keine Verordnung und keine Partei, die das mit erhobenem Zeigefinger vorschreibt.

FELIX BARGFELD: Wie stehen sie zum Modell inklusiver Schulen?

DÖRING: Inklusion ist für die Gesellschaft äußerst wohltuend. Auch wenn damit Herausforderungen auf uns alle zukommen. Ich glaube, dass auch weiterhin ein besonderer Förderbedarf für Kinder mit Lernschwächen besteht. Eltern, die ihre Kinder auf eine inklusive Schule schicken wollen, sollten das tun können. Aber auch Förderschulen sollten bestehen bleiben.

KATHLEEN RÖDGER: Der Solidaritäts-Pakt läuft 2019 aus. Schon wird in Thüringen über eine Weiterführung debattiert.

DÖRING: Die FDP will, dass spätestens 2019 mit dem Solidarpakt auch der Soli endet. Aber wir müssen heute schon entscheiden, wie wir das machen wollen. Neue Schulden darf es nicht geben. Ich plädiere daher für einen schrittweisen Abbau des Soli-Zuschlags, der so schnell wie möglich beginnen muss. Das entlastet spürbar die Mitte der Gesellschaft.

KATHLEEN RÖDGER: Ist denn Geld dafür vorhanden? Wir befinden uns doch immer noch in einer Finanz-Krise.

DÖRING: Trotz der Krise haben wir Rekord-Steuereinnahmen in Deutschland. Sobald es Überschüsse gibt, wollen wir mit diesem Geld die Belastung der Bürger zurückfahren. Denn die Bürger lechzen nicht gerade nach neuen Steuererhöhungen. Stattdessen verlangen sie vom Staat völlig zu Recht, dass er mit dem Geld auskommt, das ihm zur Verfügung steht. Das Mandat dazu wollen wir uns im Wahlkampf erstreiten.

JAN SIEGEMUND: Und wie sollen wir mit der Schuldenkrise umgehen?

DÖRING: Die Krise haben die Länder verursacht, die massenhaft Geld brauchten, um ihre politischen Versprechungen zu erfüllen. Deshalb ist es unser Ziel, eine Schuldenbremse für alle Länder der Währungsunion einzuführen. Stabilität und Wachstum in Europa wird nur dauerhaft geben, wenn alle Länder auf Schulden verzichten.

JAN SIEGEMUND: Wie weit ist die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften vorangeschritten? Was muss noch erreicht werden?

DÖRING: Trotz vieler Diskussionen innerhalb der Koalition haben wir einiges erreicht, etwa bei der Grundsteuer, der Erbschaftssteuer und bei Fragen zum Besuchsrecht in Krankenhäusern. Auch bei der Einkommenssteuer haben wir die Gleichstellung erlangt, die wir wollten.
Vor uns stehen noch zwei größere Aufgaben: Das Adoptionsrecht muss angeglichen werden. Und homosexuelle Lebenspartnerschaften müssen auch in allen anderen Rechtsbereichen der Ehe gleichgestellt werden. Ich denke, das wird uns gelingen.

FRANZISKA HECHT: Wie können Sie das stressige Politikerleben mit ihrem Familienleben vereinbaren?

DÖRING: Meine Frau und ich haben noch keine Kinder, daher habe ich es erheblich einfacher als die Kolleginnen und Kollegen mit Nachwuchs. Planung ist alles. Mein Büro-Team bastelt mir meine Termine in den Kalender, von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr am Abend. Aber ich kann mir auch mal ein langes Wochenende freihalten. Dann nutze ich die Zeit mit meiner Frau, meinen Eltern und meinen Freunden. Auf diese Erholungsphasen kann gerade in der Politik niemand verzichten. Bis zur Wahl habe ich nur noch einen freien Sonntag ohne Termine.

KATHLEEN RÖDGER: Während des Wahlkampfs reisen sie viel in Deutschland herum. Wo hat es ihnen am besten gefallen?

DÖRING: Am schönsten ist es schon dort, wo ich mich besonders gut auskenne und das ist in meinem Heimatland Niedersachsen. Das Schöne am Wahlkampf ist, dass ich viel lerne und Städte besuchen kann, die ich sonst gar nicht kennenlernen würde. Das macht Spaß. Ich bin relativ viel in den neuen Bundesländern unterwegs. Von Hannover aus sind sie gut über den Harz und durch das Eichsfeld zu erreichen.

KATHLEEN RÖDGER: Ist die politische Arbeit im Bundestag eher ein Miteinander oder ein Gegeneinander?

DÖRING: Da muss man zwischen Koalition und Opposition unterscheiden. Innerhalb der Koalition ringen wir um den besten Weg, aber es gibt eine Grundeinigkeit über das Ziel. Es ist nicht immer gleich Streit, wie es oft in den Medien heißt. Diskussion gehört zum Parlamentsbetrieb. Wir arbeiten auch viel über die Grenzen von Koalition und Opposition hinaus miteinander. Unser parlamentarischer Alltag ist viel mehr von Problemlösungen geprägt, als von der Frage, wie sich eine Partei oder ein Politiker profilieren kann. Doch alles, was ohne Streit verabschiedet wird, findet in den Medien kaum Beachtung. Eine Profilierung der Parteien findet vor allem über Themen statt. Deshalb gibt es Leute wie mich, die weniger regierungsgebunden sind und daher den Konsens mit der Regierung nicht so sehr im Vordergrund steht. Für mich geht es mehr um die Frage, ob meine Partei am Ende mit der Lösung zufrieden sein kann.

FELIX BARGFELD: Welchen Wert messen sie der Online-Plattform Facebook bei?

DÖRING: Ich habe dort eine Fanseite, die ausschließlich meine Mitarbeiter betreuen. Das ist eine Möglichkeit zu zeigen, wo ich bin, was ich tue und was ich zu bestimmten Fragen denke. Für die politische Kampagne ist es von Vorteil, dass man dort in Echtzeit und unabhängig von anderen Medien einem Kreis von Interessierten etwas mitteilen kann. Viele sind dort wiederum mit anderen verlinkt, Facebook ist wie ein Hebel, um sehr viele Menschen zu erreichen. Doch der Wahlkampf im Internet kann nicht die Aktivität in der realen Welt ersetzen. Ich gehe natürlich auch weiterhin persönlich auf die Menschen zu. Privat habe ich allerdings keine Facebook-Seite, weil ich nicht wüsste, wann ich mich darum kümmern sollte. Außerdem denke ich, dass manches Private privat bleiben sollte.

TIM OBERMANN: Wie denken Sie über die 5-Prozent-Hürde, die es kleinen Parteien schwer macht, in den Bundestag gewählt zu werden?

DÖRING: Es war ein kluge Entscheidung des Gesetzgebers nach den Erlebnissen der Weimarer Republik, die Hürde einzuführen. Er wollte eine Zersplitterung des Parteienwesens nicht erneut in Kauf nehmen. Die Hürde stärkt die parlamentarische Arbeit und übt gleichzeitig einen gewissen Druck auf die Parteien aus, ein Mindestmaß an Konsens anzustreben. Für das nationale Parlament hat sich das bewährt. Bei Kommunalwahlen ist es gut, dass es die Hürde weitestgehend nicht mehr gibt. Denn in der Politik vor Ort muss die Beteiligung an kommunalen Entscheidungen so einfach wie möglich sein, damit viele mitmachen.

TIM OBERMANN: Guido Westerwelle hatte im Wahlkampf einmal "18 Prozent" unter seiner Schuhsohle stehen, das angestrebte Wahlergebnis der FDP. Welche Prozentzahl steht bei ihnen?

DÖRING: Meine amerikanische Schuhgröße ist 9 ½, damit kommen wir der Sache wohl schon näher.

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