FDPImpf-Debatte

FDP fordert Stufenplan, der differenzierte Herangehensweise erlaubt

Corona,ImpfungEine Impfpflicht für Pflegekräfte hält die FDP aus verfassungsrechtlichen Erwägungen für hochproblematisch.
14.01.2021

Angesichts weiter hoher Corona-Infektionszahlen gelten seit Montag in allen Bundesländern schärfere Regelungen. So gelten etwa strengere Kontaktbeschränkungen: Der eigene Haushalt darf sich nur noch mit einer weiteren Person treffen. Neu ist auch die Regel für extreme Corona-Hotspots, wonach sich Menschen in Landkreisen mit einer Inzidenz von mehr als 200 Infektionen auf 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen ohne triftigen Grund nicht mehr als 15 Kilometer vom Wohnort entfernen dürfen. Letzteres hält FDP-Generalsekretär Volker Wissing für inakzeptabel: "Die 15-Kilometer-Regelung ist eine Zumutung", sagte er bei "Bild Live". "Das mag für Menschen in Berlin und Großstädten kein Problem sein, auf dem Land greift das massiv in die Freiheitsrechte ein." FDP-Chef Christian Lindner forderte die Bundesregierung auf, einen Stufenplan zu erarbeiten, wie das Land Schritt für Schritt regional wieder hochgefahren werden könne.

Er warnte am Dienstag vor einer Sitzung seiner Bundestagsfraktion vor einer deutlichen Verlängerung des Corona-Lockdowns in Deutschland. "Eine Perspektive, die jetzige Situation bis zu zehn Wochen fortzusetzen, halten wir für nicht verantwortbar. Jeden Tag steigen die sozialen und wirtschaftlichen Schäden", reagierte er auf entsprechende Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel. Sie hat davon gesprochen, dass es bis Ostern noch eine gefährliche Situation gäbe. "Wenn Kinder und Jugendliche nicht in die Schule können, wenn die Wirtschaft nicht geöffnet werden kann, dann steigen die sozialen und wirtschaftlichen Schäden immer weiter", warnte Lindner.

Nötig seien jetzt "innovative Maßnahmen" für den Schutz von besonders gefährdeten Gruppen. Lindner nannte Luftfilterung als Beispiel. "Wir können nicht auf Dauer in diesem Schließungszustand verbleiben", warnte Lindner. "Acht bis zehn Wochen weiterer Lockdown ist keine Perspektive", sagte er. "Die Bundesregierung bietet keine Perspektive. Sie ist gut dabei, Schließungen zu verordnen. Aber bei allem, was unternehmerisches Handeln und innovative Maßnahmen angeht, bleibt die Regierung Antworten schuldig." Die Freien Demokraten fordern eine echte Krisenstrategie und Mut für ein Phase der Neugründung. "Mehr gesellschaftliches Leben und Miteinander muss Zug um Zug wieder möglich werden. Das kann gelingen mit regional differenzierten Maßnahmen nach klaren Kriterien, die Berechenbarkeit schaffen. Impfungen sind der Schlüssel für den Gesundheitsschutz und die Chance auf baldige Normalität. Daher müssen in einem Impfgipfel alle Möglichkeiten zur Beschleunigung genutzt werden", erneuerte Lindner die Forderung aus seiner Dreikönigsrede.

"Es sollten jetzt alle Beteiligten an den Tisch: die zuständige Bundesregierung, die pharmazeutische Industrie, der niedergelassene Bereich der Ärztinnen und Ärzte. Dringend nötig ist aber neben der Überwindung der logistischen Probleme, dass wir eine vernünftige Rechtsgrundlage für das Impfen haben. Eine Impfpflicht für Pflegekräfte, wie sie der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ins Gespräch gebracht hat, hält er aus "verfassungsrechtlichen Erwägungen für hochproblematisch". Und zur Frage eingeschränkter Rechte auch bei erfolgter Impfung sagte Lindner: "Selbstverständlich müssen Menschen, von denen keine Gefahr mehr ausgeht, auch wieder ihre Grundrechte verwirklichen können. Dabei handelt es sich nicht um Privilegien oder Sonderrechte, sondern um die in unserer Verfassung garantierten Freiheiten." Lindner erklärte, sich impfen lassen zu wollen, "sobald ich dran bin".

Beim Impfen brauchen wir dringend Fortschritte

In Sorge ist er über das in Großbritannien entdeckte, mutierte Virus. Lindner kritisierte, dass es zu wenig Laboruntersuchungen auf neue Coronavirus-Varianten gebe. "Die geringe Datenbasis zur Verbreitung von Corona-Mutationen in Deutschland ist eine große Gefahr". Die Bundesregierung habe die systematische Sequenzierung von Corona-Testproben, also die Untersuchung auf Mutationen, zu lange schleifen lassen. "Eine umfassende Sequenzierung muss schnell Teil der Anti-Corona-Strategie werden." Über die weiterhin lückenhaften Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing: "Ich finde es schwierig, wenn man einerseits sagt, wir haben keine Datengrundlage um Öffnungen zu diskutieren, aber Verschärfungen gehen immer."

Michael Theurer meint, es müsse ein "Go" geben, um Kapazitäten der Universitäten zur Sequenzierung zu nutzen, "Ich frage mich, warum in Deutschland weniger sequenziert wird als in Großbritannien", sagte er. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) müsse zudem die Frage beantworten, ob es bereits vor einem Jahr entsprechende Forderungen von Virologen gegeben habe und wie darauf reagiert worden sei. Er habe nicht den Eindruck, dass die Impfkampagne generalstabsmäßig vorbereitet sei, sagte der FDP-Politiker. "Fakt ist, wenn nicht schnell durchgeimpft wird, ist die Gefahr von Mutationen beträchtlich", so Theurer.

Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus hat derweil die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung zur Impfreihenfolge in der Corona-Pandemie bekräftigt. Die Bundestagsabgeordnete forderte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag auf, einen Entwurf dafür vorzulegen. "Die Bundesregierung war leider nicht bereit, die verfassungsrechtliche Frage der Impfpriorisierung gesetzlich zu regeln", kritisierte Aschenberg-Dugnus. "Die nun vorliegenden Stellungnahmen der Sachverständigen sprechen eine klare Sprache: Spahns Verordnung ist verfassungswidrig." Die Bundesregierung habe ein gemeinsames Positionspapier der Leopoldina, der Ständigen Impfkommission und des Ethikrates sowie die Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags "beiseite gewischt".

Lindner bot an: "Dem Mangel, dass es keine verfassungsrechtlich saubere Grundlage für die Impfpriorität gibt, kann umgehend Abhilfe geschaffen werden. Es gibt einen Gesetzentwurf der FDP-Bundestagsfraktion im laufenden Verfahren. Wir müssen also nicht viel Zeit verlieren, sondern laden die Große Koalition herzlich ein, auf der Basis unseres vorliegenden Entwurfs diesen rechtlichen Mangel abzustellen."

Mit Blick auf die Forderung vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der eine mögliche Impfpflicht für Pflegekräfte ins Spiel gebracht hat, kritisierte FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer, Söders Vorschlag sei "Wasser auf die Mühlen von Impfgegnern und Corona-Leugnern. "Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) müssten umgehend für eine Klarstellung in dieser Angelegenheit sorgen. Söders Appell sei "völlig unverantwortlich". "Da liegen die Nerven wegen katastrophalem bayerischem Krisenmanagement blank, twitterte Theurer und verwies auf den kürzlichen Austausch der bayerischen Gesundheitsministerin. Volker Wissing unterstellte Söder Kontraproduktivität und schrieb ebenfalls bei Twitter, "unsinniger Aktionismus" könne die gesellschaftliche Akzeptanz untergraben.

FDP-Vizefraktionschef Stephan Thomae warnte vor negativen Folgen einer Impfpflicht: "Wenn schon medizinisch geschultes und sensibilisiertes Personal in Medizin- und Pflegeberufen gezwungen werden muss, sich impfen zu lassen, ist das Wasser auf die Mühlen der Impfgegner", sagt er dem RND. Nötig sei, an die Vorbildfunktion der Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zu appellieren und sie von der Sinnhaftigkeit der Impfung zu überzeugen.

Aschenberg-Dugnus betonte: "Sich impfen zu lassen, ist eine persönliche Entscheidung.“ Es müsse zielgruppenorientierte Aufklärungskampagnen geben, um mögliche Bedenken ausräumen zu können, fügt Aschenberg- Dugnus hinzu, die Mitglied im Ausschuss für Gesundheit ist.

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