07.03.2003FDP-FraktionArbeitsmarkt

GERHARDT: Reformen nur mit Zugeständnissen der Gewerkschaften

BERLIN. In einem Beitrag für die Esslinger Zeitung (Freitagsausgabe) schreibt der Vorsitzende der FDP-Bundestags-fraktion, Dr. Wolfgang GERHARDT:

ie neuen Zahlen vom Arbeitsmarkt sind alarmierend. Die Massenarbeitslosigkeit wächst weiterhin in dramatische Höhen. Wir brauchen dringend tatkräftige Reformen. Eine Öffnung des Flächentarifs ist unabdingbar, damit endlich Arbeitnehmer und Unternehmer gemeinsam betriebsnahe Entscheidungen treffen können. Wir brauchen eine Modernisierung des Kündigungs-schutzes, damit sich gerade kleinere Unternehmer wieder trauen, neue Arbeitnehmer einzustellen. Ganz zu schweigen von der notwendigen Reform des Gesundheitswesens und der übrigen sozialen Sicherungssysteme.
Das alles wird nicht gehen, ohne den Gewerkschaften einmal deutlich auf die Füße zu treten. Sehr viele Gewerkschafts-funktionäre haben die Arbeitslosen vollkommen aus dem Blick verloren. Sie interessieren sich mehr für die eigene Organisations-macht. Sie haben sich so auf die althergebrachte Tarifpolitik konzentriert, dass sie kein Auge haben für die notwendigen Reformen des Arbeitsmarktes.
Die Verhältnisse in unserem Land sind schon absurd. Es gibt zahllose Beispiele wie das folgende: Ein Gewerkschaftsboss wie der Vorsitzende von Transnet, Norbert Hansen, ist Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn und bestimmt die Geschicke des Unternehmens mit. Trotzdem ruft er seine Mitglieder, auf Kosten von vielen Tausend Bahnkunden, zum Streik auf. Wer angesichts der Massenarbeitslosigkeit immer noch nicht kapiert hat, dass Streiks nicht zur Verbesserung der schlechten Stimmung beitragen, handelt verantwortungslos und gegen die Zukunft unseres Landes. Die Wirtschaft ist im letzten Jahr kaum gewachsen, also kann es auch nichts zu verteilen geben. Der Leitspruch der Gewerkschaften "Allzeit mehr, nie weniger" kann nicht mehr funktionieren. Den meisten Politikern fehlt nur leider der Mut, dies auch so klar zu sagen.
Auch die Bundesanstalt für Arbeit muss endlich dringend reformiert werden. Selbst gegen Frau Engelen-Kefer. Experten gehören in die Führungsetage, nicht Gewerkschaftsfunktionäre. Und: Die Selbstbedienung der Gewerkschaften an den Beiträgen zur Arbeits-losenversicherung muss ein Ende finden. Es ist unerträglich, dass Jahr für Jahr viel Geld in die gewerkschaftseigene Weiterbildungs-industrie fließt, ohne dass ein nennenswerter Qualifizierungserfolg erzielt wird.
An diese Privilegien der Gewerkschaften wagt sich aber die SPD nicht heran. Wen wundert es. Im Gegensatz zu der Situation in den Betrieben, wo nicht einmal jeder fünfte Beschäftigte einer Gewerkschaft angehört, sind rund dreiviertel der Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion Gewerkschaftsmitglieder, allen voran der Bundeskanzler. Die SPD empfindet sich ja eher als Betriebsrat Deutschlands denn als Unternehmensleitung.
Der Kanzler kündigt nun im altbekannten Stil durch Spin-Doctors und Vorabmeldungen neue Reformen an, vermutlich wird aber bei seiner Regierungserklärung wieder nur ein Hauch heißer Luft im Bundestag zu verspüren sein. Ihm fehlt die Kraft, wirklich das durchzusetzen, was uns seit Jahren sämtliche Sachverständigen empfehlen. Mein alter Landarzt im Vogelsberg sagte zu Patienten in solchen Situationen immer: "Geliebt, gelebt, geraucht, gesoffen und alles dann vom Doktor hoffen" und empfahl eine Änderung liebgewordener Gewohnheiten. Das gleiche sollte sich nun endlich auch Rot-Grün vornehmen.

Bettina Lauer - Telefon (0 30) 2 27-5 57 36 - pressestelle@fdp-bundestag.de

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