11.03.2003FDP-FraktionIntegration und Zuwanderung

GERHARDT/WERWIGK-HERTNECK: Chance für raschen parteiübergreifenden Zuwanderungskompromissen

BERLIN. Zum alternativen FDP-Gesetzentwurf für ein modernes Zuwanderungssteuerungs- und Integrationsrecht erklären der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Wolfgang GERHARDT, und die Justizministerin und Ausländerbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Corinna WERWIGK-HERTNECK:

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Dr. Wolfgang Gerhardt und die Justizministerin und Ausländerbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) stellen heute mit dem "Zuwanderungssteuerungs- und Integrationsgesetz" in Berlin einen eigenen Gesetzentwurf der Liberalen für ein modernes Ausländer- und Integrationsrecht in Deutschland vor. Die FDP sucht eine Chance für eine parteiübergreifende Lösung in der festgefahrenen Zuwanderungsdiskussion zwischen der rot-grünen Bundesregierung und der Union.
Der zentrale Grundgedanke des neuen Gesetzentwurfs ist ein Dreiklang aus der stärkeren Ausrichtung der Zuwanderung am eigenen ökonomischen Interesse, der Wahrung der humanitären Verpflichtungen Deutschlands und der Verbesserung der Integrationsbemühungen. Gegenüber dem vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung, das diese unverändert erneut in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat, sieht der liberale Vorstoß in den Bereichen Arbeitsmarktzuwanderung und Integration entscheidende Verbesserungen vor:

Gesteuerte Zuwanderung ausländischer Fachkräfte nach Quote
Die gesamte Arbeitsmarktzuwanderung wird unter eine Jahres
zuwanderungsquote gestellt, die von der Bundesregierung jährlich durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates festlegt wird. Diese Quote trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht allein die wirtschaftliche Nachfrage die Höhe der Arbeitsmigration bestimmen kann, sondern auch die Integrations- und Aufnahmefähigkeit des Landes eine Rolle spielen muss. Die jährliche Zuwanderungsquote ist ein vernünftiger Kompromiss zwischen der Abschaffung des Anwerbestopps auf der einen und einer gesteuerten Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt auf der anderen Seite.

Unterscheidung nach "qualifizierter" und "sonstiger Beschäftigung"
In der Arbeitsmarktzuwanderung wird sachgerechter zwischen "qualifizierter Beschäftigung", die z.B. auch ein Facharbeiter oder eine Krankenschwester leisten kann, und "sonstiger Beschäftigung" unterschieden. In beiden Fällen ist nun ein konkretes Gesuch eines Arbeitgebers erforderlich, auf das sich ein potenzieller Zuwanderer vom Ausland aus bewerben kann. Eine "qualifizierte Beschäftigung" liegt vor, wenn zu ihrer Ausübung eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung oder eine dreijährige Berufsausbildung Voraussetzung ist. Diese Qualifikation kann aber auch durch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über ein Jahresgehalt von mindestens 35.000 Euro nachgewiesen werden. Gerade der letzte Punkt stellt sicher, dass nicht nur eine formale Ausbildung " die weltweit unterschiedlich ausgestaltet ist -, sondern auch ein höheres Arbeitseinkommen als Kriterium für eine qualifizierte Beschäftigung zu Grunde gelegt wird.

Befristete Aufenthaltserlaubnis mit Verlängerungsanspruch bei Weiterbeschäftigung
Die Arbeitsmarktzuwanderer sollen künftig immer erst eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, die aber mit einem Anspruch auf Verlängerung versehen ist, wenn die Weiterbeschäftigung gesichert ist. Dieser Verlängerungsanspruch ist insbesondere im Hinblick auf die Lebens- und Arbeitsperspektive unerlässlich, um als Land im Rahmen des internationalen "Wettbewerbs um die hellsten Köpfe" konkurrenzfähig zu sein.
Unbürokratisches Zuwanderungsverfahren
Die starke Stellung der Bundesanstalt für Arbeit, die den rot-grünen Gesetzentwurf viel zu bürokratisch und umständlich gemacht hat, wird rückgängig gemacht. Ihre Zustimmung ist im Bereich der qualifizierten Beschäftigung ganz aufgehoben. Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung soll im Rahmen der Jahreszuwanderungsquote von der Ausländerbehörde erteilt werden, wenn für diese Arbeitsstelle deutsche Arbeitnehmer oder Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen (Vorrangprinzip). Die Bedingung gilt erst dann als erfüllt, wenn eine freie Arbeitsstelle über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten durch Arbeitsvermittlungsdienste öffentlich bekannt gemacht wurde und keine annehmbare Bewerbung eingegangen ist. Darüber hinaus verlangt der neue Gesetzentwurf, dass der Ausländer nicht zu erheblich ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt wird.
Bei der "sonstigen Beschäftigung", gilt der Zustimmungsvorbehalt der Bundesanstalt fort, soweit nicht durch Rechtsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung etwas anderes bestimmt ist. Die Zuwanderung im Auswahlverfahren (Punktesystem) bleibt unverändert mit der Maßgabe, dass sich diese Zuwanderungsmöglichkeit im Rahmen der Jahreszuwanderungsquote halten muss. Bei der Zuwanderung Selbständiger wurde die Bedingung, mindestens 1 Million Euro Investitionssumme und 10 Arbeitsplätze zu schaffen, gestrichen, da dies in den meisten Fällen zu einer unüberwindbaren Hürde geführt hätte.

Zuwanderungssteuerung mit "Zwei-Türen-Modell"
Der Gesetzentwurf stellt sicher, dass sich der Ausländer klar zwischen der Zuwanderung als Flüchtling, etwa im Rahmen eines Asylverfahrens, und der Zuwanderung als Arbeitnehmer entscheiden muss. Beide Zugangstüren schließen einander künftig aus.

Umfassende Integrationsregelung
Es besteht die Notwendigkeit einer umfassenderen Integrationsregelung durch die flächendeckende Einführung von Deutsch- und Orientierungskursen " und zwar auch für diejenigen Zuwanderer, die schon länger bei uns leben. Es ist ein absolut unverständliches Versäumnis des wieder eingebrachten rot-grünen Gesetzentwurfs, dass sich die Integrationskurse nur an die Neu-Zuwanderer richten, während die schon hier lebenden Ausländer mit eventuell frei gebliebenen Kursplätzen nach Ermessensentscheidung abgespeist wurden.
Neu eingeführt wird daher ein Teilnahmeanspruch an den Integrationskursen auch für Ausländer, die eine Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis nach bislang geltendem Ausländerrecht seit weniger als sechs Jahren besitzen. Damit werde die wichtige "nachholende Integration" gesetzlich verankert. Auch EU-Bürger sind künftig anspruchsberechtigt.
Bei den Integrationskursen wird außerdem klar geregelt, dass der Bund für den Basissprachkurs und den Orientierungskurs zuständig ist, aber " und das ist neu - auch für Kinderbetreuung und sozialpädagogische Betreuung während dieser beiden Kursphasen. Außerdem wird eingeführt, dass eine unter Umständen notwendige Alphabetisierung vor dem Beginn des Basissprachkurses ebenfalls auf Kosten des Bundes angeboten werden muss. Die Länder sollen dagegen für die Aufbausprachkurse zuständig sein.

Verpflichtende Integrationskurse
Integrationskurse müssen verpflichtend sein und die Nichtteilnahme muss künftig Sanktionen auslösen. Die Integration ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht für jeden Zuwanderer. Die Teilnahmepflicht besteht, solange sich der Ausländer mündlich und - zusätzlich - auch schriftlich nicht in deutscher Sprache auf ausreichende Art verständigen kann. Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis soll in künftig im Regelfall ausgeschlossen sein, wenn der Ausländer seiner Verpflichtung, an einem Integrationskurs teilzunehmen, schuldhaft nicht nachgekommen ist. Bislang sollte dieser Umstand lediglich bei der Entscheidung über eine Verlängerung "berücksichtigt" werden. Durch die Sanktionierung der Nichtteilnahme werden wir den Integrationserfolg deutlich verbessern.
Die Teilnahmepflicht entfällt nur bei Ausländern, die für eine qualifizierte Beschäftigung nach § 19 ZuwG-Entwurf einreisen.

Altfallregelung für Flüchtlinge mit Arbeitsplatz
Als weitere Neuerung sieht der Gesetzentwurf eine einmalige Altfallregelung für geduldete Flüchtlinge vor, wenn diese seit mindestens sechs Jahren straffrei im Land leben und ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten. Es ist doch für niemanden nachvollziehbar, dass wir die von unseren Unternehmen dringend benötigten Menschen, die in den meisten Fällen längst integriert sind, aus dem Land schicken. Statt ihnen die Möglichkeit einzuräumen, sich als Zuwanderer aus dem Inland zu bewerben.

Isabella Pfaff - Telefon [030] 227-52378 - pressestelle@fdp-bundestag.de

Social Media Button