HOMBURGER-Interview für die "BILD"-Zeitung
BERLIN. Die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Birgit HOMBURGER gab der "BILD"-Zeitung (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Jan W. Schäfer:
Frage: Bund und Ländern wurden mittlerweile 3 geklaute CDs mit brisanten Steuerdaten angeboten. Darf der Staat Hehlerware kaufen?
Homburger: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Trotzdem muss der Staat sich an geltendes Recht halten. Auch Datendiebstahl ist eine Straftat. Daher muss genau geprüft werden, ob ein Kauf zulässig ist.
Frage: Finanzminister Schäuble sagt JA! Wird die FDP den Kauf stoppen?
Homburger: Zuständig sind einzig und allein die Finanzbehörden. Ich gehe davon aus, dass die zuständigen Länderfinanzminister und Bundesfinanzminister Schäuble ihre Entscheidung auf Grundlage geltenden Rechts und valider Daten treffen. Ich erwarte, dass die rechtsstaatlichen Grundlagen einwandfrei und die getroffenen Entscheidungen gerichtsfest sind. Etwas anderes ist nicht zu verantworten.
Frage: Viele Deutsche betrügen bei der Steuer. Sind die Gesetze zu lasch?
Homburger: Der Staat muss wieder fair mit den Bürgern umgehen. Unsere Steuergesetze sind zu kompliziert. Wir brauchen ein einfacheres, gerechteres Steuersystem und niedrigere Sätze. Dann sinkt der Anreiz, Geld an der Steuer vorbei ins Ausland zu schaffen.
Frage: Deutschland diskutiert heftig über Hartz IV. Sind die Sätze zu niedrig?
Homburger: Trotz Hartz IV fehlt im System der Anreiz, wieder eine reguläre Arbeit aufzunehmen. Das wollen wir ändern. Wer arbeitet, muss mehr haben, als der, der nicht arbeitet. Deshalb haben wir das Schonvermögen verdreifacht und wollen Änderungen bei den Hinzuverdienstgrenzen auf den Weg bringen. So setzt man Anreize, wieder in reguläre Jobs reinzukommen.
Frage: Am Dienstag entscheidet das Verfassungsgericht über Hartz IV für Kinder. Was, wenn die Richter höhere Sätze fordern?
Homburger: Ich kann und will dem Gericht nicht vorgreifen. Klar ist: Wir werden nach dem Urteil um Reformen an Hartz IV nicht herumkommen. Ziel muss ein Steuer- und Transfersystem aus einem Guss sein. Das wäre einfacher, für die Bürger verständlicher und für den Staat besser kontrollierbar. Deshalb bleibt das Bürgergeldmodell für uns ein Ziel.
Frage: Ist dann überhaupt noch Geld da für die FDP-Steuerpläne? NRW-Landeschef Rüttgers bezweifelt das!
Homburger: Wir werden die Steuerreform wie im Koalitionsvertrag vereinbart umsetzen - und zwar möglichst 2011. Dafür werden wir die notwendigen Spielräume im Haushalt 2011 erarbeiten. Haushaltskonsolidierung und Steuerentlastungen gehen Hand in Hand. Herr Rüttgers sollte endlich aufhören, die Bürger und Kommunen gegeneinander auszuspielen. Nur wer die Mitte entlastet, die den Karren zieht, wird Wachstumsimpulse setzen und am Ende auch für die Kommunen wieder mehr Geld haben.
Frage: Damit zerstören Sie die Pläne von Gesundheitsminister Rösler. Schließlich braucht er für seine Gesundheitsprämie mit Sozialausgleich 30 Milliarden!
Homburger: Diese Zahl stimmt nicht. Wir haben ehrgeizige Ziele - und wir werden sowohl Steuerreform wie auch Gesundheitsreform in dieser Legislaturperiode umsetzen. Die Kommission wird in den nächsten Wochen ihre Arbeit aufnehmen. Ich gehe fest davon aus, dass die Koalition auch hier konstruktiv zusammen arbeitet.
Frage: An den Börsen wird wieder heftig gezockt. Haben Manager und Banker gar nichts aus der Krise gelernt?
Homburger: Ich glaube, einige haben erkannt, dass sie umdenken müssen. Wir brauchen auch in der Finanzbranche endlich wieder den "ehrbaren Kaufmann", der für sein Handeln die eigene Verantwortung trägt - und nicht an den Staat abschiebt. Das heißt: Künftig sollen Manager bei Erfolg Boni bekommen, bei Misserfolg Gehaltsabzug.
Frage: Das werden sich viele Manager nicht bieten lassen, ins Ausland abwandern!
Homburger: Das glaube ich nicht. Schließlich gibt es keine Alternative: Auch Manager großer Konzerne müssen Verantwortung so übernehmen wie Familienunternehmer.
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