18.02.2009FDP

KOCH-MEHRIN-Interview für die "Leipziger Volkszeitung"

Brüssel/Berlin. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Spitzenkandidatin zur Europawahl, DR. SILVANA KOCH-MEHRIN, gab der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ANDRÉ BÖHMER und ANDREAS DEBSKI:
Frage: Das Aus für die Glühbirne ist beschlossen - ein Sieg für die EU-Bürokratie?
KOCH-MEHRIN: Es gibt eine wirklich bedrohliche Entwicklung, die sich jetzt an der Glühbirne symbolhaft festmachen lässt: Dass eine Behörde beschließt, was in die Verkaufsregale gehört. Hier findet ein Freiheitsentzug und eine Bevormundung statt, deren Auswirkungen noch nicht abzuschätzen sind. Einigen EU-Bürokraten ist nichts zu abwegig, was geregelt werden müsste.
Frage: Was halten Sie - Stichwort: Glühbirne - vom ökologischen Aspekt?
KOCH-MEHRIN: Ich finde es richtig, dass sich die EU verpflichtet, Energieeffizienz zu fördern und auch ehrgeizige Ziele festlegt. Es ist doch letztlich aber so, dass die Kosten am Ende die Bürger bezahlen müssen. Und wer bereit ist, für die Glühbirne zu bezahlen, soll das bitteschön dürfen. Die EU sollte unser Leben erleichtern - und nicht das Gegenteil veranstalten.
Frage: Ist das ein weiterer Mosaikstein in der vielleicht etwas speziellen Vorstellung von Bürgernähe der EU?
KOCH-MEHRIN: Genau. Das ständige Aufstellen neuer Regeln ist eine zynische und fehlgeleitete Interpretation des Begriffes Bürgernähe. Und es bleibt ja nicht bei der Glühbirne. Im Moment ist man dabei, 14 weitere Produktgruppen aufgrund der Öko-Design-Richtlinie I zu überprüfen - zum Beispiel auch die Standby-Funktion für Spielzeugeisenbahnen.

Frage: In diesem Jahr sind Europawahlen, die sich bislang nicht gerade durch eine große Wahlbeteiligung ausgezeichnet haben. Glauben Sie, dass sich das trotz der Skepsis an Brüssel ändern wird?
KOCH-MEHRIN: Bei den letzten Europawahlen hatten wir gerade einmal 43 Prozent Wahlbeteiligung. Das ist eine bedauerliche Entwicklung. Das liegt aber auch daran, dass die Bürger zu recht die Frage stellen, wer eigentlich was in ihrem Namen entscheidet und wen Sie dafür zur Verantwortung ziehen können.
Frage: Das klingt alles sehr pessimistisch.
KOCH-MEHRIN: Das soll es aber nicht sein. Wenn man EU-Beschlüsse kritisiert, wird das immer so dargestellt, als sei man gegen Europa - dabei liegt in Europa doch die Zukunft, als Friedens- und Wirtschaftsgemeinschaft. Klar ist doch: In Brüssel wird die Musik komponiert - und in Berlin wird sie gespielt. Die Politik muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass die Grundzustimmung zur EU nicht mehr selbstverständlich ist. Das war in den 50er und 60er Jahren so, aber heute nehmen die Bürger auch viele Nachteile wahr.
Frage: Sie haben eine Schlüsselfunktion in der FDP, sind die Nummer Eins bei den Europawahlen und könnten die Weichen für das Superwahljahr stellen. Wie gehen Sie damit um?
KOCH-MEHRIN: Mit einer Wahlbeteiligung bei der Europawahl von bestenfalls 50% kann man nicht von einer Blaupause für die Bundestagswahl sprechen. Dennoch möchte ich als Spitzenkandidatin natürlich die 6,1% vom letzten Mal deutlich verbessern. Die Chancen dazu stehen nicht schlecht.
Frage: Auf einen zweistelligen Wert?
KOCH-MEHRIN: Ich werde mich auf keine konkrete Zahl festlegen. So sehr ich mich über die jetzigen Umfragewerte für die FDP freue, entscheidend ist das Wahlergebnis im Juni.
Frage: Es gibt schon die ersten Politikwissenschaftler, die aufgrund der Enteignungsdebatte der FDP bis zu 20 Prozent voraussagen.
KOCH-MEHRIN: Die Tatsache, dass die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister öffentlich über Enteignungen diskutieren, ist für das Geburtsland der sozialen Marktwirtschaft beschämend und verantwortungslos. Diese Verstaatlichungsszenarien wirken sich negativ auf Investoren aus dem Ausland und auf uns als Exportnation aus. Davon möchten ich und die FDP auf keinen Fall profitieren. Dabei gäbe es andere Wege: Bürgschaften, Kredite und stille Beteiligungen.

Frage: Am Freitag steht das Konjunkturpaket im Bundesrat an, die FDP hat die Vermittlung angerufen.

KOCH-MEHRIN: Die Bundesländer, die mit FDP-Beteiligung regiert werden, werden das Konjunkturpaket nicht blockieren. Wo wir weiter über Entlastungen verhandeln, tun unsere Landesregierungen das konstruktiv.

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