17.10.2015FDPBürgerrechte

KUBICKI-Interview: Das Gesetz ist offensichtlich verfassungswidrig

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ.

Frage: Der Bundestag hat mit großer Mehrheit das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Sie wollen dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Welche Grundrechte sehen Sie verletzt?

KUBICKI: Die Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wir müssen die Gesellschaft vor unverhältnismäßigen Angriffen von Parteien verteidigen, die bedauerlicherweise im Bundestag vorübergehend die Mehrheit haben. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung im vergangenen Jahr klargestellt, dass die Speicherung von Verbindungsdaten von Berufsgeheimnisträgern wie Ärzte, Anwälte und Journalisten grundsätzlich unzulässig ist. Das hat der Deutsche Bundestag sträflich missachtet. Das Gesetz ist offensichtlich verfassungswidrig. Wir haben bereits 2010 in Karlsruhe gegen die Vorratsdatenspeicherung mit Erfolg geklagt. Ich bin sicher, dass das Bundesverfassungsgericht jetzt nicht dahinter zurückgehen wird.

Frage: Jetzt drohen auch Inhalte von Telefonkurznachrichten gespeichert zu werden, weil die Anbieter die Verbindungsdaten technisch nicht davon trennen können.

KUBICKI: Das kommt jetzt noch hinzu. Wenn bei SMS-Nachrichten Inhalte und Verbindungsdaten nicht voneinander getrennt werden können, ist das Gesetz ganz offensichtlich rechtswidrig. Dass die Große Koalition die abschließenden Beratungen des Gesetzes nicht verschoben hat, nachdem dies bekannt geworden war, spricht Bände. Man darf Verfassung und rechtsstaatliche Grundsätze nicht auf dem Altar des Koalitionsfriedens opfern. Eine SPD, die sich auf so etwas einlässt, kann nicht mehr von sich behaupten, Rechtsstaatspartei zu sein.

Frage: Ermittler fordern das Instrument der Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung und Aufklärung im Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität. Überzeugt sie das nicht?

KUBICKI: Die Behauptung, mit der Vorratsdatenspeicherung könne man Terrorismus bekämpfen, ist schlichter Unsinn. Terroristen bedienen sich nicht der Kommunikationsmittel und -wege, von denen sie wissen, dass der Staat diese überwacht. Mit dem Instrument der Vorratsdatenspeicherung ist noch kein Terroranschlag verhindert worden. Für die Aufklärungsarbeit wird die Vorratsdatenspeicherung nicht gebraucht. Hier könnten die Ermittler das Quick-Freeze-Verfahren anwenden. Dabei können nach einer Straftat Kommunikationsdaten auf richterliche Anordnung eingefroren und ausgewertet werden. Sie brauchen keine Speicherung auf Vorrat.

Frage: Bundesjustizminister Heiko Maas hatte bei Amtsantritt erklärt, dass es mit ihm und der SPD keine Vorratsdatenspeicherung geben werde. Wie bewerten Sie den Sinneswandel?

KUBICKI: Ein Justizminister, der die Verfassung bricht, ist eine traurige Figur. Dass Herr Maas hier der Order seines Parteichefs folgt und das Grundgesetz nicht beachtet, ist schon ein starkes Stück. Wenn er Rückgrat hätte, hätte er diesen Gesetzentwurf nicht vorgelegt oder wäre jetzt zurückgetreten. So hat es die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gemacht.

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