15.07.2015FDPEuropa

KUBICKI-Interview: Die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab der „Stuttgarter Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte THOMAS MARON:

Frage: Wie bewerten Sie die Einigung in der Griechenland-Krise?

KUBICKI: Sie wird Griechenland nicht helfen und verschafft den europäischen Staaten nur etwas Zeit. Denn die Grundprobleme bleiben. Ich wundere mich außerdem, dass die Staats- und Regierungschefs ausgerechnet in einer Rezession Griechenland eine Erhöhung der Mehrwertsteuer abverlangen. Das ist ökonomisch völlig falsch. Auf der anderen Seite werden die vielen Privilegien etwa der Reeder oder der orthodoxen Kirche nicht angefasst. Allein aus diesen Quellen könnte man mehr Kapital zur Bewältigung der Haushaltsprobleme schöpfen als durch Mehrwertsteuererhöhung und Rentenanpassung.

Frage: Haben wir was verpasst: Sind Sie zur Linken gewechselt?

KUBICKI: Quatsch. Das ist liberales Denken in Reinform, weil Sie keinen echten Liberalen finden werden, der für Privilegien eintritt. Ich will, dass Menschen, Institutionen und Einrichtungen in einem Rechtsstaat gleich behandelt werden. Wenn ich in Griechenland etwas zu sagen hätte, würde ich deshalb dem griechischen Parlament als erste Aufgabe auferlegen, das Reederprivileg aus der Verfassung heraus zu nehmen.     

Frage: Hat Griechenland den Euro noch verdient?

KUBICKI: Um diese Frage geht es nicht. 19 Staaten haben sich darauf geeinigt,  sich in einem Währungsraum nach gemeinsamen Regeln zu organisieren. Das setzt durchaus Anpassungen voraus, wie sie in Brüssel vereinbart wurden, weil im gleichen Währungsraum nicht auf Dauer eine unterschiedliche Fiskal- und Wirtschaftspolitik betrieben werden kann. Aber man muss einfach sehen, dass zwischen dem, was ökonomisch sinnvoll ist und dem, was politisch umgesetzt werden kann, in Griechenland  ein himmelweiter Unterschied besteht. Die griechische Bevölkerung fürchtet zu Recht, dass die Schwachen immer mehr schultern müssen und diejenigen, die es sich leisten können, Geld oder sich selbst ins Ausland zu verbringen, am Ende mit keinem Eurocent für die Krise bezahlen. Man müsste deshalb dringend über einen Lastenausgleich diskutieren mit dem Ziel, dass die Reichen einen Teil ihres Vermögens für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung stellen müssen, um damit der Probleme Herr zu werden.

Frage: Wer soll das, was sie wollen, in Griechenland im Alltag durchsetzen?

KUBICKI: Das ist das Hauptproblem. Es gibt keine funktionierende staatliche Struktur, da können die Regierungen in Athen beschließen, was sie wollen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn ein Liberaler, der hierzulande Überbürokratisierung beklagt, in Griechenland nach mehr funktionierender Bürokratie ruft. Wir brauchen in Griechenland endlich eine intakte Verwaltung und eine schlagkräftige Justiz, die Maßnahmen um- und durchsetzen können. Deshalb ist auch die Einigung in Brüssel nicht viel wert, weil diese Maßnahmen von den griechischen Behörden am Ende gar nicht umgesetzt werden können.       

Frage: Nur nochmal zur Klarstellung: Ihr Parteichef Christian Lindner fordert den Grexit. Sie nicht?

KUBICKI: Ein Grexit allein würde das Problem Griechenlands nicht lösen. Damit würden keine funktionierenden Strukturen geschaffen. Die Wettbewerbsfähigkeit hat doch mit der Frage der Währungsrelation nur wenig zu tun. Ein einfaches Beispiel: Wenn die Griechen nur in der Lage wären, Schwarz-Weiß-Fernseher herzustellen und keine Farbfernseher, dann können Sie die Drachme einführen und die Preise senken bis auf Null, es würde nichts bringen. Kein Mensch will Schwarz-Weiß-Fernseher. Griechenland braucht eine wettbewerbsfähige Struktur, nicht die Drachme.     

Frage: War Schäubles Grexit-auf-Zeit-Drohung klug?

KUBICKI: Für die Verhandlungen mit Sicherheit, für die öffentliche Wirkung nicht. Er hat dem griechischen Ministerpräsidenten damit klar machen können, dass eine brillante Rhetorik ökonomische Grunddaten nicht entkräftet und dass auch andere Euro-Länder am Ende auf die Akzeptanz ihrer Bürger achten müssen. 

Frage: Die Verhandlungen haben alte Feindbilder gegenüber Deutschland verstärkt, der Kontinent ist gespalten. Zerfällt Europa? 

KUBICKI: An den Feindbildern hat die amtierende griechische Regierung mit unakzeptablen Terrorismusvorwürfen das ihre beigetragen. Aber es stimmt schon: Europa treibt auseinander. Sowohl die Linkspopulisten im Süden werden gestärkt als auch die Rechtspopulisten im Norden. Wenn es nicht gelingt, bald wieder eine gesamteuropäische Idee zu entwickeln, dann schwant mir Böses. Das ist die Aufgabe, vor der Union und SPD jetzt stehen. Intern hat Schäuble sein Kurs aber  keineswegs geschadet. Ohne ihn würde Frau Merkel in der Unionsfraktion wohl keine Mehrheit für neue Griechenlandhilfen bekommen.  Die Kanzlerin muss aufpassen, dass er nicht dauerhaft beliebter ist als sie.

Frage: Rächt sich jetzt, dass der Währungsunion keine politische Union folgte?

KUBICKI: So ist es. Es rächt sich, dass das europäische Parlament in seinen Kompetenzen nach wie vor beschnitten ist. Es rächt sich auch, dass wir in Europa mit dem Rat und der Kommission Institutionen haben, die nicht ausreichend demokratisch legitimiert sind.

Frage: Die Eurozone schwächelt, die euroskeptische AfD auch, ergibt sich daraus für die FDP eine verlockende Perspektive?

KUBICKI: Der Euro schwächelt nur politisch, im Außenwert ist er relativ stabil. Das ist ein Signal dafür, dass es um uns herum noch immer großes Vertrauen in die Stärke der Euro-Zone gibt. Die AfD hingegen schwächelt nicht nur, sie kollabiert, weil die AfD und ihre künftigen Ableger, wie immer die heißen mögen, Heimat politischer Egomanen sind. Die Menschen erwarten aber auf Dauer nicht immer nur populistische Aussagen darüber, wogegen man ist. Sie wollen wissen,  wie Krisen vernünftigerweise gelöst werden können. Ich glaube deshalb, dass die Bereitschaft der Wähler, alle zwei Jahre Neugründungen von Egomanen zu ertragen, erheblich abgenommen hat.     

Frage: Sie breiten also den Lucke-Anhängern in der AfD, die nach dessen Rückzug nicht mehr mitmachen wollen, nicht die Arme aus?

KUBICKI: Im Gegenteil. Herr Lucke hat doch selbst erklärt, er sei kein Liberaler. Wie sollten wir mit homophoben europafeindlichen Antiamerikanern gemeinsame Sache machen? Die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst.

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