24.10.2016FDPWirtschaft

LAMBSDORFF-Interview: Es gibt eine breite demokratische Mehrheit für CETA

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab dem „ZDF-Morgenmagazin“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte JOCHEN BREYER:

Frage: Wie groß ist Ihre Hoffnung noch, dass die Wallonen doch noch Ja sagen?

LAMBSDORFF: Na ich hoffe es natürlich sehr. Aber ich fürchte, dass es nicht so kommt. Die sozialistische Partei, die Sozialdemokraten in der Wallonie, haben sich an der Stelle radikalisiert. Ich habe eine Kollegin aus dieser Partei im Handelsausschuss im Europäischen Parlament. Die stimmt gegen alles, was mit Freihandel zu tun hat. Also: Meine Hoffnung ist da, aber man muss realistisch sein.

Frage: Sie fürchten, dass es scheitert. Sollte CETA scheitern, wer hat letztlich aus Ihrer Sicht Schuld daran?

LAMBSDORFF: Naja, ich war sehr erstaunt, dass Sigmar Gabriel jetzt so tut, als ob er mit diesem Desaster nichts zu tun hätte. Er war es ganz maßgeblich, mit seinem französischen Kollegen Matthias Fekl, die die Europäische Kommission zur Renationalisierung der Handelspolitik getrieben haben. Und das ist ein schwerer Schlag. Die Handelspolitik, das vergessen wir oft, ist ja das logische Pendant, die logische Entsprechung zum erfolgreichen gemeinsamen Binnenmarkt, den wir haben. Wir können ja nicht einen gemeinsamen Markt im Inneren haben, der gut funktioniert, aber nach außen dann mit unterschiedlicher Handelspolitik, unterschiedlichen Zollsätzen operieren. Das funktioniert nicht. Insofern, Sigmar Gabriel ist hier an allererster Stelle zu nennen, aber auch Martin Schulz, der seinem Parteivorsitzenden die Stange bei der Fehlentscheidung gehalten hat, hier die nationalen Parlamente, alle 42, an einer europäischen Entscheidung zu beteiligen. Wir sehen ja, was dabei herausgekommen ist.

Frage: Aber was ist so falsch daran, zu sagen, wir wollen eine möglichst breite Zustimmung, jedes Land soll Ja sagen, damit auch die Bürger nicht das Gefühl bekommen, dass die EU mal wieder über ihre Köpfe hinweg entscheidet?

LAMBSDORFF: Naja Herr Breyer, es ist ja so: wenn Sie regieren in einem System aus verschiedenen Ebenen. Wir haben bei uns die kommunale Selbstverwaltung, Stadträte und Kreistage, wir haben unsere Landtage, wir haben den Deutschen Bundestag und wir haben das Europäische Parlament. Und jede Ebene hat Ihre Zuständigkeiten und das ist in unseren Verfassungen, das ist in den europäischen Verträgen so festgelegt. Wenn man jetzt anfinge, jedes Mal bei jeder Ebene, die Ihre Entscheidung treffen muss, die anderen Ebenen alle zu beteiligen, dann kann die Politik überhabt nicht mehr handeln, dann können wir für die Menschen nichts mehr erreichen. Und wir haben Wahlen auf allen Ebenen, wir haben demokratisch legitimierte Parlamente. Wem eine Entscheidung im Deutschen Bundestag nicht passt, der wählt beim nächsten Mal eine andere Partei. Das ist beim Europäischen Parlament, bei den Europawahlen, ganz genauso.

Frage: Aber es ist ja nun nicht so, dass die Wallonen ganz alleine stehen mit dieser Meinung. Es gingen auch in Deutschland Hunderttausende auf die Straße in den letzten Wochen gegen TTIP, gegen CETA. Hat möglicherweise die Politik, also auch Sie, versäumt den Menschen ausreichend klar zu machen, warum es CETA unbedingt braucht?

LAMBSDORFF: Man kann darüber reden, ob man vielleicht früher und deutlicher hätte kommunizieren können. Allerdings wollen wir eins nicht vergessen: Der einzige Grund, warum überhaupt über CETA, das Abkommen mit Kanada, geredet wird, ist ja, dass es eine Kampagne von Campact, von Attac, der Grünen und der Linkspartei gegen TTIP gegeben hat. Und als die das angefangen haben, haben die irgendwann gemerkt: „Ach du liebe Güte, mit Kanada gibt es ja schon ein Abkommen“, und haben dann gesagt: „Da sind wir dann auch dagegen.“ Ich meine, Kanada hat eine sozialliberale Regierung mit sehr, sehr hohen Standards im Gesundheitsschutz, im Umweltschutz, bei den Arbeitnehmerrechten. Auch Kanada hat doch nicht das geringste Interesse, irgendwelche Standards abzusenken. Die sind im Grunde ein Kollateralschaden einer linksextremen Kampagne gegen TTIP gewesen. Im Europäischen Parlament sind die Sozialdemokraten, die Christdemokraten, die Liberalen und die Konservativen alle für das Abkommen mit Kanada. Also, es gibt eine breite demokratische Mehrheit dafür. Und wenn einige demonstrieren, ist das ihr gutes Recht, aber wir haben die parlamentarische Demokratie und da gibt es wie gesagt eine breite Unterstützung für dieses Abkommen mit Kanada.

Frage: Und jetzt ist die Frage: Wie geht es weiter? Die Wallonen selbst sagen ja: „Gebt uns noch ein bisschen mehr Zeit. Es wurde jahrelang verhandelt, da geht es doch eigentlich nicht um ein paar Tage oder Wochen.“ Was wäre so schlimm daran, wenn dieses Abkommen erst in einigen Wochen unterschrieben wird?

LAMBSDORFF: Sicher ginge die Welt nicht davon unter. Aber Herr Breyer, das ärgert mich auch maßlos. Der Paul Magnette, der Ministerpräsident der Wallonie, der tut jetzt so, als ob er überrascht worden sei vor 48 Stunden damit, dass die sich damit befassen müssen in Namur. Seit Juli ist ja vollkommen klar, dass auch das wallonische Parlament sich damit beschäftigen muss. Und jetzt tut er so, als ob er völlig überrascht worden sei. Das ist auch ein Teil der Kampagne, mit dem er versucht, sich einen schlanken Fuß zu machen. Ich glaube, entscheidend ist, dass jetzt die Gespräche heute geführt werden. Wie gesagt, ich bin skeptisch, aber trotzdem hoffnungsfroh, dass es doch noch vielleicht gelingen kann, das Parlament in Namur umzustimmen.

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