30.12.2020FDP

LINDNER-Gastbeitrag: Die Chancen der Bio-Technologie besser nutzen

30.12.2020

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner schrieb für das "Handelsblatt" (Mittwochausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

In Europa ist damit begonnen worden, den Corona-Impfstoff des Mainzer Biotechnologie-Unternehmens Biontech zu verimpfen. Es ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff, der genetische Informationen des Coronavirus enthält. Das zeigt: Forschung und Innovation können Leben retten. Denn ohne Vakzine werden wir Corona nicht zurückdrängen können. Im Moment steht das im Mittelpunkt.

Wir dürfen aber auch andere drängende Probleme wie den Klimawandel und die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung nicht vergessen. Auch diese Menschheitsaufgaben werden sich nur mit Forschung, Innovationen und Aufgeschlossenheit auch modernster Technik gegenüber lösen lassen. Wir sollten deshalb unser Verhältnis zu gentechnischer Forschung entkrampfen. Wir brauchen in Deutschland eine Debatte über Zukunftstechnologien und Forschungsfreiheit. Leider wird der Gentechnologie bei uns noch allzu oft mit Ängsten begegnet. Die Ablehnung geht mitunter sogar so weit, dass Feldversuche in blindem Vandalismus zerstört werden.

Ich wünsche mir daher eine breite Kampagne, die über die Chancen und Risiken der Gentechnologie und insbesondere neuer Züchtungsmethoden aufklärt. Unser aller Fokus muss deutlich mehr auf Chancen und verantwortbare Restrisiken gerichtet sein. Außerdem müssen wir die Rahmenbedingungen, unter denen Forschung stattfindet, entstauben. Biotechnologie beruht heute in vielen Fällen auf modernen gentechnologischen Verfahren. In Deutschland aber bremsen veraltete Regeln neue Anwendungsfelder der Gentechnologie.

Es überrascht nicht, wenn Biotech-Unternehmen sich dann gegen den Standort Deutschland entscheiden. So verlegte zum Beispiel BASF während der rot-grünen Regierungszeit in Rheinland-Pfalz bewusst die Zentrale der BASF-Pflanzengentechnik in den US-Bundesstaat North Carolina, weil dort mehr Forschungsfreiheit möglich war. 

Wenn vielversprechende Unternehmen unser Land verlassen, schwächt das nicht nur unsere wirtschaftlichen Chancen. Gerade weil gentechnische Forschung bei uns hohen Sicherheitsstandards unterliegt, können wir kein Interesse daran haben, dass sie in andere Länder abwandert, die hier im Zweifel Abstriche machen. Der von uns geforderte Fonds 'Innovation durch Gentechnologie' soll alle Bemühungen bündeln und effektiv mindestens die Bereiche der roten, grünen und weißen Gentechnologie fördern. Ein solcher Fonds wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung für innovative Unternehmen.

Im Oktober wurden die Entdeckerinnen der sogenannten CRISPR/Cas9-Genschere mit dem diesjährigen Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet. Mit diesem Verfahren können Veränderungen an einer festgelegten Stelle der DNA schnell, sicher und präzise herbeigeführt werden. So können Allergene reduziert und die Resistenz gegen Wetterextreme sowie Schädlinge gesteigert werden. Ein solches Verfahren kann ein wichtiger Baustein bei der Sicherung der Welternährung sein. Denn Extremwetterlagen, Pflanzenkrankheiten und Schädlinge sind reale Bedrohungen für die Ernte.

Wir wollen, dass gentechnisch veränderte Pflanzenzüchtungen auch bei uns in Deutschland ein Teil der Lösung sind. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof 2018 geurteilt, dass auch neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas9 als Gentechnik im Sinne der sogenannten Freisetzungsrichtlinie definiert werden müssen. Sie fallen deshalb unter die geltende europäische Gentechnikgesetzgebung. 

Den wirklichen Risiken und Chancen dieser neuer Züchtungsmethoden wird diese Gesetzgebung aber nicht gerecht. Sie ist veraltet. Wir als Freie Demokraten fordern die Bundesregierung deshalb auf, sich auf europäischer Ebene endlich für eine technologieoffene Überarbeitung des EU-Gentechnikrechts einzusetzen. Auch für die Biomedizin bedeutet die moderne Gentechnologie eine Revolution. Einem Team an der Universität Tel Aviv ist es zum Beispiel kürzlich gelungen, Hirn- und Eierstockkrebszellen bei Mäusen mit der Genschere unschädlich zu machen. Die Überlebensrate der Mäuse mit Eierstockkrebs stieg um 80 Prozent. Das Forscherteam geht davon aus, dass Tests mit der neuen Methode an Menschen innerhalb von zwei Jahren beginnen können. Im Gegensatz zu der bislang üblichen Chemotherapie soll die neue Methode nach Angaben der Forscher ohne Nebenwirkungen auskommen.

Auch dies zeigt: Mit einem Übermaß an ideologisch begründeter Skepsis gegenüber neuen Technologien würden wir viele Chancen vergeben. Unsere freiheitliche demokratische Gesellschaft und unsere marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung können den Weg für Erfolgsgeschichten wie beim Biontech-Impfstoff auch in Zukunft ebnen. Dafür müssen wir aber konsequent auf Forschungsfreiheit und Unternehmertum setzen. Neue Technologien können Gesellschaften dynamisch entwickeln und prägen. Denken wir also groß. 

 

 

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