NIEBEL-Interview für das "Hamburger Abendblatt"
FDP-Sprecher ROBERT VON RIMSCHA teilt mit:
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab dem "Hamburger Abendblatt" das folgende Interview. Die Fragen stellten CHRISTOPH RYBARCZYK, MATTHIAS SCHMOOCK und MARIUS SCHNEIDER.
Frage: Herr Niebel, seit der Hessenwahl sind wir Hamburger alle irritiert. Jetzt mal ehrlich: Will die FDP überhaupt noch regieren? Oder ist man jetzt grundsätzlich auf Opposition gebucht?
NIEBEL: Selbstverständlich wollen wir regieren. Aber eben nicht um jeden Preis. Wir haben ja schon nach der Bundestagswahl gezeigt, dass uns die Inhalte wichtiger sind als die Dienstwagen. Wir sind damals angetreten, um Rot-Grün abzulösen. Und es war schon wichtig, auch für unsere Glaubwürdigkeit, dass wir nach der Wahl gemacht haben, was wir vorher gesagt haben. Und das gilt für Hessen ganz genauso. Ich bin eher verwundert darüber, dass man erklären muss, dass man sich an das hält, was man versprochen hat.
Frage: Wie kann man dem Wähler etwas versprechen, was der bei der Wahl später selbst anders entscheidet? Verweigert sich die FDP nicht dem Wählerwillen, indem sie sich einer möglichen Regierungslösung verweigert?
NIEBEL: Der Wähler hat erstmal entschieden, dass die CDU in Hessen die stärkste Partei geworden ist. Auch wenn sie dabei - zu recht - massiv verloren hat. Aus unserer Sicht belegt das, dass diese Partei ein liberales Korrektiv braucht. Und: Es gibt ganz eindeutig eine linke Mehrheit im hessischen Parlament aus SPD, Linken und Grünen. Diese Parteien haben inhaltlich wesentlich mehr Übereinstimmung, als eine "klassische" Ampel unter Beteiligung der FDP. Das wäre keine gute Basis für eine stabile Koalition.
Frage: Das sehen prominente Vertreter der SPD nicht so skeptisch.
NIEBEL: Was mich, ehrlich gesagt, mehr als verwundert: Frau Nahles und andere Vertreter der SPD stellen uns seit Jahren als "neoliberale Kindermörder" hin und sind nun die ersten, die uns ins Ehebett ziehen wollen. Ich habe schon viele Verehrerinnen kennen gelernt, aber keine, die so begriffsstutzig ist wie die alte Tante SPD.
Frage: Hatten Sie den Wählern nicht versprochen, dass man mit der FDP linke Mehrheiten verhindern kann? Nun werden Sie der Steigbügelhalter für die Linken?
NIEBEL: Der Steigbügelhalter für den Einzug der Linken in die westdeutschen Parlamente ist der Linksruck der SPD und ihre Abkehr von der Agenda-Politik. Die FDP hat vor der Wahl gesagt, was sie inhaltlich will und was nicht: Wir wollen in Hessen eben keine Einheitsschulen, genauso wenig, wie wir in Hamburg eine Abschaffung der Gymnasien wollen. Wir wollen in Hessen und in Hamburg neben regenerativen Energien auch ein Festhalten an der friedlichen Nutzung der Kernenergie, auch aus Klimaschutz-Gründen. Und wir sind gegen Mindestlöhne, weil sie gerade für Geringqualifizierte Chancen verhindern, wieder einsteigen zu können in den Arbeitsmarkt. Man muss schon schauen, was politisch zusammenpasst, und was nicht.
Frage: Mit wem soll es denn in Zukunft passen? Nur mit der Union?
NIEBEL: Natürlich gibt es immer Kompromisse, die gemacht werden müssen. Ich hätte mir schon nach der Bundestagswahl gewünscht, dass man bei Union und Grünen die "Jamaika-Koalition" etwas genauer prüft. Da hätte es in den Programmen Schnittmengen zwischen Union und den Grünen gegeben, aber auch zwischen uns und den Grünen. Und am Ende wäre mehr raus gekommen als bei der Großen Koalition, die wir jetzt haben. In Hessen sollte die Union als stärkste Partei also ruhig einmal mit den Grünen reden - wir würden uns solchen Gesprächen jedenfalls nicht verweigern.
Frage: Gilt das auch für Hamburg?
NIEBEL: Die Hamburger FDP hat bei ihrem Parteitag am letzten Freitag eine klare Koalitionsaussage getroffen, die dazu führen soll, dass Ole von Beust gemeinsam mit der FDP regieren kann. Wir wollen hier verhindern, dass es Rot-Grün oder Schwarz-Grün gibt. Denn, wenn Sie sich die Entwicklung der CDU in der Koalition im Bund ansehen: Schwarz-Grün wäre eigentlich nichts anderes als Rot-Grün. Unser Ziel ist es, klare politische Verhältnisse in der Mitte der Gesellschaft zu organisieren, und das geht nur mit einer starken FDP.
Frage: Warum sind Wahlen für die FDP in Hamburg seit Jahren so eine Zitterpartie?
NIEBEL: Die FDP hat in Hamburg viel Potenzial. Nur hatte sie das Problem, dass die anderen großen Hamburger Parteien auch ein ganzes Stück freiheitlicher sind als ihre Bundesparteien. Wir hatten aber auch große personelle Probleme, eine Zeit, bei der man im Landesvorstand eher wusste, wer wem was Böses gesagt hat, als was man in der Zukunft gemeinsam erreichen will. Diesen Zustand haben wir mit Hinnerk Fock als Landeschef glücklicherweise überwunden.
Frage: Die Grünen in Hamburg gelten als pragmatisch. Warum schließen Sie eine Zusammenarbeit so kategorisch aus?
NIEBEL: Nach meinem Kenntnisstand sind die Grünen hier von der Basis her links. Hamburg hat ganz konkrete Probleme, die für die Zukunftsfähigkeit der Stadt gelöst werden müssen, zum Beispiel den Hafenausbau und die Elbvertiefung. Außerdem wollen die Grünen in Hamburg die Gymnasien abschaffen, und das ist mit der FDP nicht zu machen.
Frage: In der Wirtschaftspolitik setzen Sie, getreu Ihrem Motto von der "Freien Stadt", auf radikale Privatisierung. Warum überholen Sie die CDU links?
NIEBEL: Wir sind doch in Hamburg die Mitte. Wenn man sich hier die CDU anschaut, steht die doch links von der Mitte. Unter der Überschrift "Freie Stadt" kämpfen wir für die Bürgerrechte, gegen flächendeckende Videoüberwachung, gegen die Ausschnüffelung der Bürger. Zur freien Stadt muss auch die Freiheit der Wirtschaft gehören, denn das Konzept muss man in allen Bereichen sehen, da kann man nicht einfach etwas herauslösen. Auch Leinenzwang für Hunde und das Nichtraucherschutzgesetz in seiner jetzigen Form sind Synonyme für staatliche Gängelung, und dagegen wehrt sich die FDP.
Frage: Wie sieht das in der Bildung aus?
NIEBEL: Wir sind für die Eigenständigkeit der Schulen. Sie sollen unter anderem ein eigenes Budget bekommen und dann damit auskommen. Wo gute Bildung ist, werden viele Schüler hinkommen. Bildung ist ein Grundrecht. Man kann mit marktwirtschaftlichen Elementen die Qualitätssteigerung herbeiführen.
Frage: Dann sind Sie also auch für Sponsoring in Hamburgs Schulen?
NIEBEL: Nennen Sie es Sponsoring, nennen Sie es Freundeskreis - das alles gibt es heute doch sowieso schon. Mit einer "Hanuta"-Schule hätte ich überhaupt kein Problem, mit einer "Nokia"-Schule schon eher.