29.07.2008FDP

NIEBEL-Interview für den "Münchner Merkur"

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab dem "Münchner Merkur" (Dienstagausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MONIKA REUTER.

Frage: Wie tief sitzt Ihr Frust über den schwarz-grünen Flirt in Hamburg?

NIEBEL: Wir haben eingesehen, dass die Union ihre Optionen erweitern will. Das heißt, wir können uns nur auf uns selbst verlassen und wollen folglich so stark wie möglich werden.

Frage: Warum tritt die FDP in den Umfragen auf der Stelle?

NIEBEL: Wir liegen derzeit zwischen 10 und 14 Prozent, und wir halten es ganz klassisch: Die guten Umfragen freuen uns, und die schlechten sind sowieso unseriös (lacht). Was Bayern betrifft, sind die Zahlen seit langer Zeit konstant gut.

Frage: Glauben Sie, dass der Slogan von Freiheit immer noch zieht? Stehen nicht eher Sozialleistungen und Subventionen auf der Wunschliste der Wähler?

NIEBEL: Bei den Freunden liberaler Politik steht Freiheit sicher ganz oben. Die Unternehmer kleiner und mittlerer Betriebe sagen schon flehentlich: "Lasst uns doch endlich mal in Ruhe arbeiten."

Frage: Gängelei auch im privaten Bereich?

NIEBEL: Natürlich, denken Sie nur an die Zuordnung der Schule nach dem Wohnort. Oder an die verpflichtende Grundschulempfehlung, wie sie in Baden-Württemberg gilt. Das heißt, die letzte Entscheidung, auf welche weiterführende Schule ein Kind geht, liegt nicht bei den Eltern. Alles Beispiele, wo der Staat den Bürger ein Stück zum Untertanen macht.

Frage: Stichwort Raucher: Am Mittwoch fällt das Bundesverfassungsgericht sein Urteil. Was erwarten Sie?
NIEBEL: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die jetzige Regelung verfassungskonform ist. Was hier die bayerische Staatsregierung vorexerziert, ist lächerlich. Erst wird ein Nichtraucherschutz-Gesetz installiert, im Vorfeld einer Wahl wird es schnell verändert, und dann gleich nach der Wahl aller Voraussicht nach wieder verschärft. Die Liberalen sind für ein komplettes Rauchverbot in allen öffentlichen Gebäuden. Aber in den Bereichen, wo jeder selbst entscheiden kann, ob er hingeht, muss eine Kennzeichnungspflicht reichen.

Frage: Das heißt, Sie wollen die freiwillige Lösung. Die hat allerdings schon einmal nicht funktioniert...

NIEBEL: Einspruch! Die Regierung hat die Entwicklung nur nicht bis zum Ende abgewartet und die Wirte einfach überfahren.

Frage: Also doch Freiwilligkeit?

NIEBEL: Auf jeden Fall muss bei den Einraumkneipen jeder Wirt selbst entscheiden können, ob bei ihm geraucht wird oder nicht. Das ist das Mindeste.

Frage: Nach der Rede von Barack Obama haben Sie die Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan kategorisch ausgeschlossen. Kann man da - wie einst Schröder - einfach Nein sagen?

NIEBEL: Schröder hat damals eine Frage verneint, die überhaupt nicht gestellt worden ist. Deutschland ist in Afghanistan im Einsatz, und wir leisten dort enorm viel. Aber wir sind jetzt an den Grenzen unserer Leistungsfähigkeit angelangt. Ein Engagement darüber hinaus ist nicht möglich. Außerdem sollte die Bundesregierung damit beginnen, die Mitte der deutschen Gesellschaft zu entlasten und nicht die Mitte der amerikanischen.

Frage: Welches Potential hat die FDP in Bayern?

NIEBEL: Wir wollen dem SPD-Ergebnis so nah wie möglich kommen, was in Bayern ja gar nicht so fern liegt. Unser erstes Ziel ist der Wiedereinzug in den Landtag. Ein zweites Ziel wäre, die absolute Mehrheit der CSU zu brechen. Ich bin generell gegen absolute Mehrheiten. Als wir 2005 in NRW nach 40 Jahren SPD-Alleinherrschaft in die Regierung kamen, gab es dort keinen Schulhausmeister ohne das "richtige" Parteibuch.

Frage: Die CSU findet, ihre Alleinherrschaft habe Bayern sehr gut getan...

NIEBEL: Ja, das merkt man daran, dass sich die CSU dieses Land in einigen Bereichen zur Beute gemacht hat.

Frage: War es richtig zu sagen: Wählt uns, dann wird die CSU kontrolliert, statt auf einen wirklichen Wechsel hinzuarbeiten?

NIEBEL: Die CSU kommt von 61 Prozent. Da hätten wir uns mit einer Koalitionsaussage lächerlich gemacht. Wenn die CSU die absolute Mehrheit aber verliert, dann werden wir uns sicher keinen Gesprächen verweigern.

Frage: Sie freuen sich also auf ein gemeinsames Regieren mit Herrn Beckstein und Herrn Huber?

NIEBEL: Ich freue mich auf eine starke Landtagsfraktion der FDP in Bayern. Und ich würde mich natürlich auch über die Möglichkeit einer Regierungsbildung freuen. Die beiden Herren hätten die Unterstützung bitter nötig.

Frage: Wie bewerten Sie den Lufthansa-Streik?

NIEBEL: Ich frage mich, wie man auf zwei Hochzeiten tanzen kann. Wenn der grüne Gewerkschaftsfunktionär Bsirske den stellvertretenden Lufthansa-Aufsichtsratschef Bsirske wieder einmal bestreikt, muss man sich schon fragen, ob die Struktur der gewerkschaftlichen Mitbestimmung in den großen Unternehmen so noch zukunftsfähig ist. Entweder vertritt man die Arbeitnehmer, und da ist der Streik ein legitimes Mittel. Oder man ist als Aufsichtsrat dem Wohl eines Unternehmens verpflichtet. Beides zusammen geht nicht.

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