NIEBEL-Interview für den "Reutlinger General-Anzeiger"
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab dem "Reutlinger General-Anzeiger" (heutige Ausgabe)das folgende Interview. Die Fragen stellten REINER APP und CHRISTOPH IRION:
Frage: Herr Niebel, wie groß ist Ihre Angst vor der Farbe Grün?
NIEBEL: Vor der politischen Farbe Grün habe ich nicht die geringste Angst. Sie steht für eine falsche Politik, die gegenüber modernen Technologien skeptisch ist und die Bürger bevormunden will. Das Angebot der Grünen ist rückwärts gewandt. Im Kern ist diese Partei konservativer als viele Konservative.
Frage: Kein Wunder also, dass die Unionsminister Wolfgang Schäuble und Karl-Theodor zu Guttenberg mit Schwarz-Grün liebäugeln.
NIEBEL: Über solche Gedankenspiele ärgere ich mich nicht lange. Sie zeigen sehr deutlich: Jeder, der eine bürgerliche Regierung will, muss FDP wählen. Denn die Union ist da unzuverlässig. Sie regiert zwar in vielen Ländern - und zwar gut - mit uns Liberalen. In Hamburg hält sie sich aber an die Grünen und im Bund an die SPD. Wer in dieser Weise für alle Partner offen ist, der hat seinen Selbstfindungsprozess noch nicht abgeschlossen.
Frage: Die Bundeskanzlerin bliebe bei Schwarz-Gelb allerdings dieselbe wie bei Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün: Angela Merkel.
NIEBEL: Das ist richtig. Doch wenn man einen Politikwechsel will, dann kommt's nicht nur auf die Kanzlerin an - sondern auf den Partner. Wir Liberale erfinden die Kanzlerin neu. Wir werden ein Bündnis mit der Union nur eingehen, wenn wir Deutschland substanziell voranbringen. Unsere Kernforderung ist dabei eine echte Steuer-Struktur-Reform.
Frage: Was versprechen Sie konkret? Wie viel Euro sollen die Bürger durch Ihre Reform mehr in der Tasche haben?
NIEBEL: Wir wissen natürlich auch, dass wir nicht alles zum 1. Januar 2010 umsetzen können. Doch zunächst einmal führt der Beschluss einer Reform zu Planungssicherheit für Bürger und Unternehmen. Es gibt aber Dinge, die wir sofort in Angriff nehmen können: Erstens müssen wir die Unternehmensteuer so umgestalten, dass nicht mehr die Substanz der Betriebe besteuert wird. Zweitens müssen wir die Familien entlasten. Drittens müssen wir die ungerechte kalte Progression abbauen. Es ist doch unfair, wenn Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung von 100 Euro bekommen und faktisch nur mit 45 Euro nach Hause gehen.
Frage: Die SPD schickt Ihnen zurzeit alle vierzehn Tage einen Strauß roter Rosen. Warum gehen Sie auf das Liebeswerben der Sozis nicht freundlicher ein?
NIEBEL: Sie haben die grünen Stängel der roten Rosen vergessen! Es ist schon erstaunlich, wie furchtbar Grüne und SPD doch die FDP finden - und wie dringend sie zugleich mit ihr regieren wollen. Wenn sie die Wahlprogramme von SPD und Grünen sehen, kommen sie rasch zum Schluss, dass das höchstens mit den Linken zusammenpasst, aber nie und nimmer mit uns. Wir wollen Steuern senken, die wollen sie erhöhen. Wir wollen weniger Staat und Gängelung, die wollen mehr.
Frage: Die CSU ist ebenfalls nicht gut auf die FDP zu sprechen. Im Falle einer schwarz-gelben Regierungsbildung macht sie ihr schon mal vorab das Außenministerium streitig.
NIEBEL: Die CSU hat in den letzten Tagen das Finanzministerium, das Wirtschaftsministerium, das Agrar- und nun das Außenministerium für sich gefordert. Nun warte ich stündlich auf den Anspruch der CSU auf das Kanzleramt. Weil die CSU nur noch Herrn zu Guttenberg vorzeigen kann, müsste er die Ämter in Personalunion ausüben - also quasi als König von Deutschland.
Frage: In Ihrem baden-württembergischen Landesverband läuft's zurzeit nicht ganz so gut wie bei der Bundes-FDP. Es gab eine Revolte, der Fraktionschef Ulrich Noll zum Opfer fiel.
NIEBEL: Es ist richtig - Ulrich Noll wurde abgelöst, aber er wird seine Aufgabe als gesundheitspolitischer Sprecher mit Erfolg fortsetzen. Und mit der neuen Fraktionsführung wird die Bundes-FDP ebenfalls gut zusammenarbeiten.
Frage: Blöd ist nur, dass die Landes-FDP nach der spektakulären Abwahl als Intrigenstadl dasteht.
NIEBEL: Von Intrige kann keine Rede sein. Die Abwahl war wohl eher ein Zufall, gespeist von Unmut aus unterschiedlichen Gründen. Von langer Hand geplant war da sicherlich nichts.
Frage: Wenn das Ganze nicht geplant war, hat FDP-Landeschefin Birgit Homburger ihren Laden nicht im Griff.
NIEBEL: Das ist Unfug. Jeder, der Birgit Homburger kennt, weiß, dass sie Abstimmungsmehrheiten gut organisieren kann. Aber sie ist nun mal kein Mitglied der Stuttgarter Landtagsfraktion.
Frage: Ministerpräsident Günther Oettinger ist bekannt für schwarz-grüne Vorlieben. Fürchten Sie nicht, dass er eine chaotische FDP vor die Tür setzt?
NIEBEL: Die FDP ist nicht chaotisch. Wahlen gehören zur Demokratie. Gegen schwarz-grüne Träumereien lässt sich etwas tun: Wir müssen bei der nächsten Landtagswahl eben so stark werden, dass der Ministerpräsident bei der Regierungsbildung nicht an der FDP vorbei kann.
Frage: Sie sind Optimist!
NIEBEL: Es ist nicht Bestandteil meiner Stellenbeschreibung als Generalsekretär, Pessimist zu sein.
Frage: Vielleicht haben Sie bald einen neuen Job. Zieht es Sie in die Regierung, wenn Schwarz-Gelb gewählt wird?
NIEBEL: Ich bin vor wenigen Wochen im wunderschönen Amt des Generalsekretärs bestätigt worden. Und was die Zukunft betrifft, so kennen Sie sicher die Geschichte vom Bärenfell: Verteilt wird es erst, wenn der Bär erlegt ist.