16.02.2011FDPEntwicklungszusammenarbeit

NIEBEL-Interview für die "Neue Westfälische"

Berlin. Das FDP-Bundesvorstandsmitglied, Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab der "Neuen Westfälischen" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte ALEXANDRA JACOBSON:

Frage: Herr Niebel, es sind 5.000 Tunesier nach Italien geflohen. Sollte Deutschland auch Tunesier aufnehmen?

NIEBEL: Für die Aufnahme von Flüchtlingen ist der Innenminister der richtige Ansprechpartner. Um aber grundsätzlich Fluchtbewegungen zu verhindern, ist es wichtig, die Fluchtgründe zu minimieren. Und da kommt es auf die Entwicklungskooperation an.

Frage: Welche Gründe treiben die Tunesier raus aus ihrem Land?

NIEBEL: Die jungen Tunesier flüchten, weil sie einen Mangel an beruflicher Perspektive haben. In Tunesien gibt es neben gut gebildeten Akademikern viele Menschen, die kaum über eine Schulbildung verfügen. Ich habe nun einen Demokratisierungs- und einen Bildungsfonds für Nordafrika und den Nahen Osten ins Leben gerufen. Letzterer ist mit acht Millionen Euro ausgestattet. Wir versuchen die Bildungschancen zu erhöhen und werben als Bundesregierung gleichzeitig darum, dass sich deutsche Unternehmen in Tunesien engagieren.

Frage: Was macht der Demokratisierungsfonds, und über wie viele Mittel verfügt er?

NIEBEL: Momentan wird er mit 3,25 Millionen Euro gespeist. Das ist aber noch nicht der letzte Stand, weil es Interesse in anderen europäischen Ländern an einer Beteiligung gibt. Wichtig ist, dass wir nur auf Nachfrage arbeiten. Der Westen darf nicht den Eindruck erwecken, die Demokratiebewegung sei von außen gesteuert. In Tunesien hatten wir jetzt die Frage nach einer Fachkraft, die beim Aufbau des Versöhnungskomitees
helfen soll. Nach dem Ende einer Diktatur ist die Frage der Versöhnung von zentraler Bedeutung. Hilfestellung läuft auch über die parteinahen Stiftungen, die seit langem im Land arbeiten, wie zum Beispiel die FDP-nahe Naumann-Stiftung. Da geht es um den Aufbau von Parteien und um die Vorbereitung demokratischer Wahlen.

Frage: Experten halten es für dringend erforderlich, dass Europa seine Märkte für Obst und Gemüse aus Tunesien öffnet. Das würde der Wirtschaft in dem nordafrikanischen Land zweifellos helfen. Wie stehen Sie dazu?

NIEBEL: Wir sind uns in der Bundesregierung völlig bewusst, dass die Entwicklungsländer unter dem Mangel an fairen Handelsbeziehungen enorm leiden. Wir treten seit langem für einen positiven Abschluss der dafür zuständigen internationalen Verhandlungen (WTO/Doha-Runde) ein. Die Landwirtschaftsministerin und ich haben uns jüngst dafür eingesetzt, die EU-Agrarexport-Subventionen 2013 auslaufen zu lassen. Innerhalb der EU führt auch der deutsche Außenminister Gespräche, wie die Marktzugangsmöglichkeiten für die Mittelmeeranrainerstaaten verbessert werden können.

Frage: Der Tourismus liegt momentan sowohl in Tunesien als auch in Ägypten
brach. Wann darf man wieder in diesen Ländern Urlaub machen?

NIEBEL: Für Tunesien hat das Auswärtige Amt die Reisewarnung bereits komplett aufgehoben. Auch die Urlaubsziele am Roten Meer in Ägypten dürfen wieder angesteuert werden. In Ägypten sollte man nur in den urbanen Zentren noch Vorsicht walten lassen.

Frage: Erwarten Sie auch Flüchtlinge aus Ägypten?

NIEBEL: Ägypten ist recht stabil und in einem weiter fortgeschrittenen Entwicklungsstadium als Tunesien. Da erwarte ich keine größeren Flüchtlingsströme.

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