04.02.2013FDPAußenpolitik

Niebel-Interview für die "Pforzheimer Zeitung"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit DIRK NIEBEL, gab der "Pforzheimer Zeitung" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ALEXANDER HUBERTH und MAGNUS SCHLECHT:

Frage: Herr Niebel, hat die FDP ein Frauenproblem?

NIEBEL: Nein. In Pforzheim zum Beispiel haben wir mit Caro May und Monika Rieger zwei junge Frauen an der Spitze, die sich erfolgreich engagieren. Das ist bei uns flächendeckend so.

Frage: Dennoch: Abgesehen vielleicht von der CSU gibt es keiner der großen Parteien so wenige Frauen in wichtigen Positionen.

NIEBEL: Wir hätten gerne mehr Frauen, die sich politisch engagieren, das ist wahr. Aber wenn eine Frau bei uns etwas erreichen will, hat sie alle Chancen, das auch zu schaffen. Wir müssen uns in der programmatischen Thematik erweitern. Wir haben gute Positionen zum Beispiel bei der Frage von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir sind in der veröffentlichten Wahrnehmung allerdings vorwiegend mit Wirtschafts- und Finanzthemen verbunden worden. Deswegen bin ich ganz froh, dass ich als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein Themenfeld abbilde, das zwar sehr wirtschaftsnah ist, auf der anderen Seite aber auch sehr emotional und gesellschaftspolitisch gestaltet wird.

Frage: Dann ist es ja gut, dass es das Entwicklungshilfeministerium, das Sie einst abschaffen wollten, noch gibt.

NIEBEL: Absolut. Wir haben die Zusammenlegung mit dem Auswärtigen Amt damals aus guten Gründen gefordert. Wir waren mit der Politik der Vorgängerregierung nicht zufrieden, weil wir der Meinung sind, das Bundesentwicklungsministerium ist kein Weltsozialamt. Jetzt stimmen sich die Ministerien eng ab, und die Entwicklungspolitik ist runderneuert.

Frage: Zurück zu den Frauen. Die debattieren im Moment intensiv über Sexismus, nachdem Rainer Brüderle, Ihr Spitzenkandidat, des Sexismus verdächtig geworden ist.

NIEBEL: Ich halte das für ziemlichen Unsinn und heuchlerisch. Ich halte es für richtig und wichtig, dass wir eine gesellschaftliche Diskussion über das Verhalten der Geschlechter führen. Es gibt Belästigungen sowohl gegen Frauen als auch gegen Männer. Und Belästigung grundsätzlich ist etwas, was ich in einer liberalen Gesellschaft nicht akzeptieren kann. Dass eine solche Diskussion aber aufgehängt wird an einer Unterhaltung gegen Mitternacht an einer Hotelbar, das finde ich bemerkenswert. Zumal, wenn man über ein Jahr braucht, um diese Unterhaltung so zu verarbeiten, dass sie das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Just, nachdem die Person, um die es geht, ein neues wichtiges Amt übernommen hat. Das riecht nach schlechtem Journalismus und danach, dass hier jemand instrumentalisiert werden soll, um eine Partei zu beschädigen.

Frage: In der FDP wird sehr viel über diesen "Stern"-Artikel diskutiert. Die Gesellschaft debattiert über Sexismus im Allgemeinen. Ist die Gesellschaft weiter als die FDP?

NIEBEL: Nein, deswegen habe ich ja die Antwort auf Ihre Frage genau damit begonnen, dass ich diese Diskussion in der Gesellschaft für wichtig befinde, habe dann aber aus Höflichkeit Ihre Frage auch beantwortet, die Sie bewusst auf den "Stern"-Artikel und Herrn Brüderle bezogen haben.

Frage: Wie enttäuscht waren Sie nach der Niedersachsenwahl, bei der Ihre Partei überraschend gut abgeschnitten hat?

NIEBEL: Ich freue mich über diese Ergebnis, es tut der Seele der Partei gut. Ich habe immer dafür gekämpft, dass wir bei Wahlen möglichst stark werden, und habe damit auch für Niedersachsen gerechnet. Meine Sorge bestand darin, dass wir nach einem guten Ergebnis in Niedersachsen den falschen Schluss ziehen, uns nicht mehr anstrengen zu müssen, um auf Bundesebene auch erfolgreich zu sein.

Frage: Aber Ihnen muss klar gewesen sein, dass Parteichef Philipp Rösler, den Sie spätestens seit dem Dreikönigstreffen kritisch begleiten, nach den erreichten 9,9 Prozent im Amt bleiben wird.

NIEBEL: Nein. Ich bin der festen Überzeugung, dass man Personalentscheidungen im Bund nicht davon abhängig machen darf, wie eine Wahl in einem Bundesland ausgeht. Aber es war mir klar, dass die Diskussion, die es gab, dazu beitragen würde, kein gemütliches Zurücklehnen zuzugeben. Dementsprechend haben wir gute Entscheidungen getroffen. Die Diskussion, die ich mit anderen ausgelöst habe, hat zu guten Entscheidungen geführt. Wir ziehen den Parteitag vor, wir werden uns als Team aufstellen, wir haben mit Rainer Brüderle eine Spitzenpersönlichkeit, die die Chance hat, bei traditionellen Wählerschichten Vertrauen zurückzugewinnen.

Frage: Sie hätten Rainer Brüderle gerne auch als Chef der FDP gesehen.

NIEBEL: Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich ihn als Parteivorsitzenden unterstützt habe. Das hat er nicht gewollt. Aber wo in der Politik kann man denn die eigenen Ideen immer zu hundert Prozent durchsetzen?

Frage: Nach dem Dreikönigstreffen in Stuttgart waren Sie der Buhmann. Haben Sie Ihre Rede je bereut?

NIEBEL: Nein. Ich habe Sie mir extra noch einmal im Internet angesehen, weil die Kritik daran zum Teil sehr scharf war. Was Stil und Form anbetrifft, war die Rede absolut im Lot, ich habe niemanden persönlich angegriffen oder beleidigt. Ich habe aber deutlich gemacht, welche Sorge ich habe am Zustand meiner Partei und welche Befürchtungen ich für die Zukunft habe, falls sich nichts ändert. Ich habe mir angewöhnt, zwei Dinge zu berücksichtigen. Erstens: Ich kämpfe mit offenem Visier, wenn ich denn kämpfe. Zweitens: Ich will vor mir selbst als Person bestehen können.

Frage: Gab es nur Kritik oder auch Zuspruch?

NIEBEL: Mindestens 50 Prozent der Zuschriften waren positiv. Auch persönlich habe ich positive Rückmeldungen bekommen. Sehr viele haben so gedacht, wie ich es formuliert habe.

Frage: Es ist nicht nur in der Bundespartei hoch hergegangen, sondern auch im Landesverband. Im November wurden sie nach einem Streit zwischen Birgit Homburger und Walter Döring plötzlich zum Spitzenkandidaten gewählt. Kommt die FDP je zur Ruhe?

NIEBEL: Ich hoffe nicht. Eine Partei, die totenstill ist, spricht keine Wähler an. Wobei das, was beim Landesparteitag in Villingen-Schwenningen passiert ist, nicht schön war. Da wurde versucht, alte Rechnungen zu begleichen. Die Stimmung hat gezeigt, dass die Mehrheit der Delegierten das so nicht möchte. Ich denke, wir haben den richtigen Weg gefunden, um als geschlossener Landesverband in die Bundestagswahl zu gehen.

Frage: Sie sind jetzt also der Heilsbringer.

NIEBEL: Das nicht. Ich war der richtige Kandidat zur richtigen Zeit.

Frage: Es sind noch knapp acht Monate bis zur Bundestagswahl - und man hat das Gefühl, dass die CDU sich den Grünen und der SPD annähert. Wem wendet sich die FDP zu?

NIEBEL: Den Bürgerinnen und Bürgern. Unser Koalitionspartner sind die Wählerinnen und Wähler. Und wenn die anderen irrlichtern, dann ist es umso wichtiger, dass wir klar sagen, wofür wir stehen. Wir haben übrigens viel mehr bewirkt, als manche denken. Wir sind vielleicht nicht immer gut genug, es zu kommunizieren.

Frage: Wird die FDP von Kanzlerin Merkel erstickt, so wie es einst auch der SPD in der großen Koalition erging?

NIEBEL: Es ist natürlich so, dass die Bundeskanzlerin immer die größere Aufmerksamkeit hat. Aber es ist an uns, als schnelles Beiboot den großen Dampfer in die richtige Richtung zu schieben.

Frage: Sie sind jetzt knapp dreieinhalb Jahre in der Regierung. Mit den Erfahrungen aus dieser Zeit: Welches Ministerium würden Sie abschaffen?

NIEBEL: Mir ging es nie um die Abschaffung eines Ministeriums. Ich fände es klug, eine Organisationsreform der Bundesregierung vorzunehmen. Das ist seit über zehn Jahren nicht mehr passiert. Doch die Welt hat sich verändert. Und auch die Aufgabenstellungen innerhalb der Bundesregierung haben sich verändert. Es gibt verschiedene Vorschläge für Strukturveränderungen, die aber noch nicht abgestimmt sind. Das wäre ein Thema für Koalitionsverhandlungen. Der Zuschnitt des Kabinetts könnte geändert werden, um die Bundesregierung insgesamt schlagkräftiger aufzustellen, insbesondere innerhalb Europas.

Frage: Ließe sich ein solch schlagkräftiges Kabinett auch in einer Ampelkoalition schmieden?

NIEBEL: Wenn ich mir die Inhalte von SPD und Grünen ansehe, halte ich eine Ampelkoalition für faktisch ausgeschlossen. Wir wollen nicht die Bürgerinnen und Bürger bevormunden, wir wollen nicht die Steuern erhöhen und die Menschen ausbeuten. Wir wollen dafür sorgen, dass die Menschen möglichst viel eigenen Gestaltungsspielraum haben.

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