Rede des FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden auf dem 57. Ord. Bundesparteitag in Rostock
R E D E
von
DR. GUIDO WESTERWELLE, MdB
FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzender
auf dem 57. Ord. FDP-Bundesparteitag
am 13. Mai 2006 in Rostock
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
die Große Koalition hat den Agendawechsel gebracht, weg von der Senkung der Staatsquote, hin zur Erhöhung der Steuerlast. Die rot-schwarzen Jahre werden teuer.
Mehrwertsteuererhöhung, Erhöhung der Versicherungssteuer, Streichungen bei der Pendlerpauschale, Biodiesel wird teurer, Reduzierung der Sparerfreibeträge, Reichensteuer und bald wohl Gesundheitssoli. Das ist das Gegenteil zu der ganzen Debatte im Jahr 2005. Frau Merkel und Herr Stoiber haben noch am 1. September mit mir eine gemeinsame Erklärung für Steuersenkung unterschrieben: "Wir wollen ein Steuerrecht, das wesentlich einfacher ist, das mit niedrigeren Sätzen auskommt, das auch im internationalen Wettbewerb bestehen kann und das vom Steuerzahler als gerecht empfunden wird." Im letzten Jahr hat die Union das Antidiskriminierungsgesetz noch als bürokratisches Monstrum abgelehnt. Heute stimmt sie zu.
Diese Woche Herr Glos bei Berlin-Mitte: "Ich bedaure das, dass die SPD sich durchgesetzt hat mit diesem in meinen Augen Unfug, so, jetzt habe ich es ausgesprochen, werde aber trotzdem im Kabinett und im Deutschen Bundestag dafür stimmen, weil das Teil einer gemeinsamen Vereinbarung ist."
Frage Frau Illner: "Weil man in einer Großen Koalition Unfug machen muss?"
Glos: "Ja
."
Unsere Steuerexperten haben einmal ausgerechnet, was die beschlossenen Steuererhöhungen eine Familie mit zwei Kindern und einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro kosten (also Mehrwertsteuer, Pendlerpauschale, Sparerfreibetrag, Arbeitszimmer, Versicherungssteuer, Besteuerung von biogenen Kraftstoffen).
Diese Familie hat eine Mehrbelastung von über 1600 Euro im Jahr.
Die deutsche Regierungspolitik hat sich damit nicht nur von der eigenen Agenda des letzten Jahres entfernt. Alle anderen europäischen Staaten, die weniger Steuern im Standort haben, die weniger Staat im Arbeitsmarkt haben, die weniger Regulierungen haben, haben heute höhere Wachstumsraten als die Bundesrepublik Deutschland. Alle anderen Staaten, die niedrigere Arbeitslosigkeit haben, die bessere Staatsfinanzen haben, sind den Weg des schlanken Staates gegangen. Nur die Große Koalition schlägt jetzt wieder den Weg in die bürokratische Staatswirtschaft ein. Deutschland wird unter der Großen Koalition zum Geisterfahrer der Weltwirtschaft.
Dabei hat der Staat kein Einnahmeproblem, er hat ein Ausgabenproblem. Im kommenden Jahr werden die Staatseinnahmen erneut steigen, von jetzt 463,9 Milliarden Euro auf ca. 493 Milliarden Euro in 2007. Noch nie waren die Steuereinnahmen so hoch. Ein Subventionsabbau hat auf Bundesebene nicht stattgefunden. Die Subventionen sind immer noch so hoch wie im Jahr 2000.
Was vor der Wahl grundfalsch war, kann nach der Wahl nicht grundrichtig sein. Die SPD hat im Wahlkampf in jeder Stadt Deutschlands ein Plakat aufgehängt, auf dem es hieß: "2 Prozent Merkelsteuer auf alles." Jetzt kommen nicht nur 2 Prozent Merkelsteuer, jetzt kommen obendrauf noch 1 Prozent Müntesteuer.
Diese Mehrwertsteuererhöhung wird die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Inflation wird angeheizt, das Wachstum wird deutlich gesenkt. Das einzige, was gefördert wird durch diese Mehrwertsteuererhöhung ist die Schwarzarbeit.
Wir Freien Demokraten werden nicht nachlassen, zu fordern: Verzichten Sie auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Sie ist nicht nötig. Sie ist schädlich. Und es ist auch nicht wahr, dass die Mehrwertsteuererhöhung in die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge investiert wird. Die Regierung streicht in gleicher Höhe Zuschüsse bei der Arbeitslosenversicherung.
Hätte die SPD vor der Wahl gesagt, sie wäre für eine Mehrwertsteuererhöhung, sie wäre niemals mit 222 Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten. Hätte die SPD vor der Wahl gesagt, sie wolle die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte erhöhen, sie wäre niemals in die Regierung gekommen. Und ich werde nicht aufhören, in jeder Rede auf diesen Wahlbetrug der SPD hinzuweisen.
Wir werden eine namentliche Abstimmung im Parlament in der nächsten Woche dazu nutzen, dass SPD- und Unionsabgeordneten Farbe bekennen. Ich bitte Sie hier als Funktionsträger der FDP in den Kreisverbänden: Schreiben Sie Ihre Kollegen von der SPD und der Union an. Wir wollen auch, dass in jeder lokalen Tageszeitung zu lesen ist, welcher Abgeordnete vor Ort im Deutschen Bundestag für und welcher dagegen gestimmt hat. Im Bundestag kann die FDP die Abstimmung um die Mehrwertsteuer wohl nicht gewinnen. Aber wir können sie bei den Bürgern gewinnen.
Das Bundesfinanzministerium hat ein 140 Seiten dickes Regelwerk vorgelegt. Darin wird festgelegt, auf welche Waren zukünftig der ermäßigte Mehrwertsteuersatz zu zahlen ist und welche Waren mit den vollen 19 Prozent besteuert werden.
Für "Pflanz- oder Frühkartoffeln" gilt danach weiter der ermäßigte Steuersatz. Auf "Süßkartoffeln" aber werden künftig 19 Prozent Mehrwertsteuer erhoben. Bei sauber getrennten Gewürzen wie Pfeffer, Majoran oder Basilikum gewährt Ihnen der Staat einen Steuernachlass. Entscheiden Sie sich aber für eine "zusammengesetzte Gewürzmischung", dann müssen Sie den erhöhten Mehrwertsteuersatz vollständig bezahlen. Wenn Sie eine Pizza im Restaurant essen, zahlen sie den vollen Satz. Nehmen Sie dieselbe Pizza mit nach Hause, gilt der ermäßigte Steuersatz.
Sollten Sie vorhaben, sich demnächst ein Pferd anzuschaffen, dann müssen Sie wissen: Für den Fiskus ist Pferd nicht gleich Pferd. Für "Hengste, Wallache, Stuten und Fohlen" gilt grundsätzlich der ermäßigte Steuersatz. So auch für "Kreuzungen zwischen Eselhengst und Pferdestute (Maultier) sowie zwischen Pferdehengst und Eselstute (Maulesel)". Für einen einfachen Esel aber zahlen Sie den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Gleiches gilt für "Zebras, Tarpane (Mongolei) und Przewalski-Pferde."
Einen solchen Steuer-Irrsinn können wir uns nicht leisten. Auch das World Economic Forum bestätigt das. Ihr Urteil über unseren Steuerdschungel: zu kompliziert, zu intransparent, zu teuer. Unter 117 Staaten straft uns das Institut mit dem vorletzten Platz ab. Wir liegen damit hinter Bangladesh und Tadschikistan.
In Deutschland sollte eine komplette Einkommenssteuererklärung mal auf einen Bierdeckel passen. Heute braucht die Bundesregierung 140 Seiten, um ihre Mehrwertsteuererhöhung zu erklären. Wer Bücher schreiben muss, um eine fiskalische Maßnahme zu erklären, der verspottet das eigene Ziel des Bürokratieabbaus.
Was Deutschland braucht, sind Steuervereinfachungen. Wir dürfen nicht weiter draufsatteln. Wir brauchen grundlegende Strukturreformen.
Anrede,
wir haben vor der Wahl für den Politikwechsel geworben. Wir Freien Demokraten haben Wort gehalten, für Privat vor Staat, für Erwirtschaften vor Verteilen, für soziale Marktwirtschaft statt bürokratischer Staatswirtschaft. Und nach der Wahl brauchen wir diesen Politikwechsel dringender denn je.
Anrede,
die Weltwirtschaft wächst in diesem Jahr um fast 5 Prozent (4,9 %). Die Vereinigten Staaten haben ein Wirtschaftswachstum von über 3 Prozent (3,4 %). Für die EU 15 wird ein Wachstum von über 2 Prozent erwartet (2,2 %). Und in Deutschland reden wir uns bei einer Wachstumsprognose von gerade mal 1,3 Prozent besoffen. Manche sehen darin gar schon eine wirtschaftliche Trendwende. Das ist gefühlte Konjunktur. Das hat mit der Realität nichts zu tun. Realität ist: die anderen Volkswirtschaften um uns herum wachsen schneller als wir. Der Abstand zu ihnen wird immer größer. Realität ist: Deutschland fällt weiter zurück. Damit dürfen wir uns nicht zufrieden geben. Deutschland kann mehr.
Und unsere Nachbarn machen uns doch vor, wie man mit einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik erfolgreich sein kann: Spanien hat dieses Jahr voraussichtlich 3,4 Prozent Wachstum. In den nächsten Jahren wird Spanien ein höheres Pro-Kopf-Einkommen haben als die Deutschen. Dabei scheint es mir noch nicht so lange her, da haben wir in Deutschland Spanien als ein Billig-Reiseland betrachtet.
Früher hatten in Spanien nur 17 Prozent einen Hochschulabschluss, heute sind es bei den 25-34 jährigen bereits 37 Prozent. Der Erfolg einer modernen Gesellschaft wird heute über die Bildungsfrage entschieden. Diejenigen werden besonders erfolgreich sein, die in Bildung und Forschung investieren. Und diejenigen, die gute Ausbildung im Arbeitsmarkt anbieten können, werden die Gewinner sein. Bildung wird zur sozialen Frage der Wissensgesellschaften.
Nehmen wir ein anderes Beispiel: Unseren Nachbarn Österreich. Die Österreicher haben begriffen, dass sie mit ihrem Steuersystem international wettbewerbsfähig sein müssen, damit Unternehmen sich bei ihnen ansiedeln und dort Arbeitsplätze schaffen. Seit dem 1. Januar letzten Jahres beträgt die Körperschaftssteuer in Österreich 25 Prozent. Vermögensteuer und Gewerbesteuern gibt es in Österreich nicht. Offensiv werben die Österreicher bei ausländischen Investoren mit ihrem Steuersystem. Mit Erfolg. Allein aus Deutschland seien bereits 5700 Unternehmen in die Alpenrepublik gegangen, berichtet eine große österreichische Tageszeitung. 5700 Unternehmen mit ihren Arbeitsplätzen und ihren Steuern.
Es gibt keinen deutschen Sonderweg der Wirtschaftspolitik in der globalisierten Welt.
Anrede,
der Staatswirtschaft der besten Absichten setzen wir Liberale die Marktwirtschaft der besten sozialen Ergebnisse entgegen. Sozial ist ein Land doch nicht deswegen, weil es die höchsten staatlichen Sozialausgaben hat. Sozial ist ein Land, wenn es eine größtmögliche Zahl von Menschen schafft, durch eigene Leistung das eigene Leben zu gestalten. Sozial ist ein Land dann, wenn es nicht an alle ein wenig verteilt, sondern die Hilfe auf die wirklich Bedürftigen konzentriert.
In Deutschland haben wir in den vergangenen Jahrzehnten falsche Gegensätze gepflegt: Gute Sozialpolitik brauche viel Staat. Wirtschaftsfreundlich sei arbeitnehmerfeindlich. Wachstum schade der Umwelt.
In Deutschland waren im April diesen Jahres 4,8 Millionen Menschen arbeitslos (4,79 Mio.). Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 11,5 Prozent. In Ostdeutschland beträgt die Quote sogar 18,5 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern fanden über 20 Prozent der Menschen keine Arbeit. Hier im Nordosten gibt es Kreise, in denen die Arbeitslosigkeit die 25 Prozent-Marke übersteigt.
Dass wir dieses Arbeitskräftepotential nicht nutzen, ist schädlich für den Wohlstand in Deutschland. Es ist aber vor allem schlimm für die Betroffenen. Die Deutschen werden ärmer. In der globalen Wohlstandsliga rutschen wir weiter ab. Im Vergleich der Pro-Kopf-Einkommen der EU 15 Länder liegt Deutschland nur noch auf dem elften Rang.
1,5 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren leben in unserem Land in relativer Armut. Und es werden mehr. Nach einer Unicef-Studie aus dem vergangenen Jahr wächst die Kinderarmut in Deutschland mit 2,7 Prozent schneller als in den meisten anderen Industrienationen.
Das sind keine toten Zahlen. Dahinter stehen persönliche Lebenswege und menschliche Schicksale. Mehr als 600.000 Menschen verlassen Deutschland jährlich, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive mehr für sich sehen. Tendenz steigend. Darunter jetzt immer mehr hier gut ausgebildete Ärzte.
In Schweden haben 70 Prozent der Über-55-Jährigen einen Arbeitsplatz. In Deutschland sind es gerade einmal halb so viele. Das ist mehr als eine wirtschaftliche Frage. Es ist eine soziale Schande, dass ältere und erfahrene Arbeitnehmer in Deutschland fast keine Chance mehr haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
Eine Politik, die zu solchen Ergebnissen führt, kann gar nicht sozial sein. Nicht diejenige, die rote Fahnen schwenken, machen gute Sozialpolitik, sondern die, die zusehen, dass die Menschen wieder Arbeit haben. Eine konsequente nationale Wachstumsstrategie, die für mehr Arbeitsplätze in unserem Land sorgt, ist die sozialste Politik, die man heute in Deutschland machen kann. Eine Politik, die Investitionen anlockt. Eine Politik, die den Konsum belebt. Sozial ist, was Arbeit schafft.
Anrede,
die Menschen sind enttäuscht: Die schwarz-rote Koalition, die Notgemeinschaft der Wahlverlierer, beschert Deutschland nicht die marktwirtschaftliche Erneuerung.
Und wenn es um den Politikwechsel geht, dann sind auch Linke und Grüne unsere Gegner.
Glaubt hier irgendjemand, die Liberalen würden gemeinsame Sache mit Leuten machen, die Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zu Schlusslichtern der wirtschaftlichen Entwicklung gemacht haben.
Mecklenburg-Vorpommern kann es besser. Und zwar mit den Liberalen, lieber Michael Roolf. Sie werden es im September schaffen. Wir helfen Ihnen dabei mit aller Kraft.
Berlin kann es besser. Lieber Martin Lindner, Rot-Rot abzulösen, ist eine Aufgabe, bei der wir Sie von Herzen unterstützen.
Wir setzen auf die Kraft der Freiheit. Wir sind damit im Deutschen Bundestag die Alternative zu allen anderen Parteien. Die FDP steht allein im Deutschen Bundestag gegen alle anderen. Die FDP im Bundestag ist David gegen Goliath. Aber an dieser Gegnerschaft kann die FDP wachsen. Sie ist Risiko und Chance. Sie ist Chance dann, wenn wir unserem Kurs treu bleiben. Sie ist Chance dann, wenn wir nicht immer nach Koalitionen fragen. In der Opposition gibt es keine Koalitionen Die FDP will das Bündnis mit dem Bürger.
Die Menschen wollen Klarheit und Politiker, die klar sagen, was sie wollen. Die Menschen in Deutschland haben einen Anspruch darauf, dass die Politik Wort hält.
Unsere Botschaft für mehr persönliche Freiheit und Eigenverantwortung findet mehr und mehr Anhänger.
Das zeigen auch unsere Ergebnisse bei der Bundestagswahl: Die FDP hat ihre Verbreiterung in die ganze Gesellschaft hinein fortgesetzt.
Es ist der FDP gelungen, Vorurteile zu widerlegen:
Zwei Drittel unserer berufstätigen Wähler sind Arbeiter und Angestellte. Damit sind wir repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.
Die FDP findet gerade bei denjenigen, die dabei sind, Familien zu gründen, die einsteigen wollen, überdurchschnittlichen Rückhalt. Bei der Bundestagswahl wählten 13 Prozent der Männer und Frau zwischen 25 und 34 Jahren die FDP.
Für diese Einsteiger und Familiengründer arbeitet die FDP.
Wir Liberale werben selbstbewusst um die Zustimmung der Menschen in Deutschland. Wir sind eine Partei für das ganze Volk.
Anrede,
bei einigen ist der Eindruck entstanden, die FDP hätte etwas gegen Gewerkschaften. Wir haben aber nichts gegen Gewerkschaften. Im Gegenteil, wir wollen gute Vertretungen von Arbeitnehmerinteressen. Wir haben aber etwas gegen die Macht von Gewerkschaftsfunktionären. Wenn die Interessenspolitik von Gewerkschaftsfunktionären den Arbeitsplätzen und den Arbeitnehmern in Deutschland schadet, dann haben wir die Pflicht das zu kritisieren.
Wenn Ver.di Kindergärten bestreikt, wenn Ver.di bei starkem Schneefall den Räumdienst blockiert und wenn der Müll sich auf den Straßen türmt wegen 18 Minuten täglicher Mehrarbeit, dann ist das kein Arbeitskampf, sondern ein Kulturkampf zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland.
Ich meine, 18 Minuten Mehrarbeit sind akzeptabel, wenn der Arbeitsplatz sicher ist. Es gibt kein Land der Welt, das durch das Prinzip "Aufschwung durch Freizeit" aus der Krise gekommen ist. Wir Liberale sagen, mit mehr Arbeit und mit mehr Anstrengung kommen wir aus dem Tal heraus.
Ende Mai findet der Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes statt. Dahin hatte mich der DGB zu einem Grußwort eingeladen. Gerne habe ich zugesagt. Daraufhin wurde ich wieder ausgeladen.
Zwei Tage nach der Ausladung der FDP zum DGB-Bundeskongress schreibt der Landesbezirksleiter der DGB-Gewerkschaft Ver.di in Bayern, dass er gern ein Grußwort bei unserem Politischen Aschermittwoch in Passau halten wolle. Selbstverständlich haben wir ihn dazu herzlich eingeladen. So wie unter guten Demokraten üblich. Wir Liberale haben keine Angst vor kritischen Argumenten. Wir setzen weiterhin auf Bündnisse für Arbeit. Wir setzen weiterhin auf eine Selbstbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch wenn mich der DGB ausgeladen hat, ich werde nicht aufhören, Frau Engelen-Kefer oder Herrn Bsirske dafür zu kritisieren, dass ihre Politik Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet.
Bei dem erfolgreichen deutschen Software-Hersteller SAP gab es bisher keinen Betriebsrat. 91 Prozent haben in einer Mitarbeiterabstimmung gegen die Gründung eines Betriebsrates gestimmt. Jetzt muss SAP gegen den Willen der Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen, weil ganze drei Mitarbeiter, IG Metall-Mitglieder, vor Gericht gezogen sind. Das geht nur bei einem deutschen Betriebsverfassungsgesetz, das den Gewerkschaftsfunktionären mehr Macht gibt als den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Deswegen wollen Dirk Niebel und die FDP-Bundestagsfraktion die Mitbestimmung zurückgeben in die Hände der Beschäftigten. Wir wollen Selbstbestimmung statt funktionärischer Fremdbestimmung.
In Bonn laufen zur Zeit die Tarifverhandlungen mit der Telekom. Dazu gab der Verhandler vom Ver.di-Bundesvorstand im General-Anzeiger ein Interview. Ver.di fordert dort sechs Prozent Lohnerhöhung für alle Mitarbeiter. Außerdem fordert Ver.di für alle Ver.di-Mitglieder eine Lohnerhöhung von 250 Euro. Eben nur für die Gewerkschaftsmitglieder. Ich halte es für nicht vermittelbar, wenn eine Gewerkschaft ein Verhandlungsmandat für die gesamte Belegschaft annimmt, aber dabei in Wahrheit für die einen mehr und für die anderen weniger will. Das ist eben Gewerkschaftspolitik. Nicht im Allgemeininteresse, sondern im Eigeninteresse. Deshalb lehnen wir funktionärische Fremdbestimmung ab.
Anrede,
fünf Punkte für eine Politik für mehr Wachstum schlagen wir vor:
Erstens:
Bürger und Betriebe brauchen Steuersenkung und Steuervereinfachung. Wir haben mit unserem Solms-Modell durchgerechnet, wie das finanziert werden kann. Während andere Parteien ihre Steuerpläne alle zwei Jahre neu erfinden, hat Hermann Otto Solms seit sieben Jahren beharrlich den Drei-Stufen-Tarif bis hin zu Gesetzentwürfen ausgearbeitet.
Zweitens:
Der Staat muss sich auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen sollte über die Ausgabenseite erfolgen. So sieht es auch der Sachverständigenrat. Die FDP macht auch in den aktuellen Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag konkrete Vorschläge, wo eingespart werden kann. Bisher sind es über 400 Einsparungsanträge, weitere kommen hinzu, die unsere Haushälter erarbeitet haben. Das ist liberale Oppositionsarbeit von Jürgen Koppelin und unseren Haushältern.
Drittens:
Die Sozialversicherungen brauchen Strukturreformen. Die Bürgerversicherung ist der falsche Weg in die staatliche Zwangskasse für Einheitsmedizin. Denn dadurch müssen nur noch Menschen in ein System zahlen, das immer teurer wird, aber immer weniger leistet. Wir Freien Demokraten haben präzise Wege aufgezeigt, wie Solidarität organisiert werden kann, wenn man an die Strukturen wirklich herangeht. Daniel Bahr ist unser gesundheitspolitischer Sprecher. Das wird harte Arbeit als Gegenspieler von Frau Schmidt und der Gesundheitsreform der großen Koalition.
Viertens:
Wenn andere billiger sind, dann müssen wir besser sein. Neue Technologies sind darum die Grundlage für neue wirtschaftliche Chancen. Aber wenn der Steuerzahler über 2 Milliarden Euro in den Transrapid investiert, dann sollte der auch in Deutschland eine Chance haben. Dann wird der Transrapid mit deutschen Subventionen nach China exportiert. Jetzt wollen die Chinesen eine eigene Magnetschwebebahn bauen.
Wie liberale Innovationspolitik aussehen kann, das zeigt der federführend von Andreas Pinkwart erarbeitete Antrag, den dieser Bundesparteitag beraten wird.
Fünftens:
Unsere Kinder haben die beste Bildung verdient. Investitionen in Bildung und Forschung sind unsere Zukunft. Bildung wird in der Globalisierung zur Wohlstandsfrage. Ausbildung wird auf dem Arbeitsmarkt der Wissensgesellschaft zur sozialen Frage. Darum brauchen wir mehr Freiheit für Schulen und Hochschulen. Und darum brauchen wir eine duale Ausbildung, die auf Qualität setzt.
Anrede,
unsere christdemokratische Familienministerin hat ein "Bündnis für Erziehung" gestartet. Frau von der Leyen hat nach den Ereignissen in der Rütli-Schule in Berlin dann die beiden christlichen Großkirchen zu diesem Bündnis für Erziehung eingeladen.
Als Mitglied der evangelischen Kirche sage ich:
Wer gemeinsame Werte für ein Bündnis für Erziehung schaffen will, der darf diese Initiative damit nicht beginnen, dass ganze Religionsgemeinschaften wie Juden oder Muslime ausgegrenzt werden. Wir sind die Partei von Ignatz Bubis, der soviel für Toleranz und Miteinander in unserem Land erreicht hat. Wir sind auch die Partei des neuen Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Köhler, der immer wieder auf die Besonnenheit der überwältigend großen Mehrheit der Muslime in Deutschland hinweist. Wir sind die Partei der Glaubensfreiheit. Bei uns Liberalen wird Toleranz täglich gelebt. Und ich fordere die Bundesfamilienministerin auf: Laden Sie die anderen Glaubensgemeinschaften ebenfalls ein. Und auch Eltern ohne religiöses Bekenntnis gehören dazu. Ein Bündnis für Erziehung geht alle an.
Anrede,
Bildung und Energie sind die Schicksalsfragen unserer Zeit.
Die Energiefrage wird weltweit immer mehr zur Wohlstandsfrage. Dabei haben wir in Deutschland zum Thema Energie bisher eine sehr ideologische Debatte geführt. Wir Liberale wollen einen Energiemix, aus den verschiedenen Energieformen: Wir wollen mehr erneuerbare Energien. Wir wollen preiswerte Energie. Und wir wollen sichere Energie. Die bisherige Diskussion über Energieformen in Deutschland war aber eine Diskussion gegen einander. Die politischen Vertreter für regenerative Energien wurden automatisch als Gegner von Atomenergie gesehen. Und die Befürworter von Atomenergie wurden automatisch ins Lager der Gegner von regenerativen Energien gesteckt. Ideologie aber macht Energie teurer und die Umwelt schlechter. Deshalb brauchen wir in Deutschland einen neuen Anfang, ohne Vorurteile, mit dem Vorrang der Vernunft auch in der Umweltpolitik.
Liberale Umweltpolitik wendet sich an Menschen, die sich um die Zukunft unserer Kinder und Enkel sorgen. Sie ist Teil der liberalen Politik für mehr Generationengerechtigkeit. Umweltpolitik ist gleichberechtigt mit wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen.
Weniger Lärm, bessere Luft, gesunde Nahrung und erlebbare Natur - das sind Werte, die das Leben lebenswerter machen. Nicht Verzichtsideologie, sondern Gewinn an Lebensqualität ist unser Leitbild für die Umweltpolitik.
Statt Emotionalisierung und Öko-Symbolik des vergangenen Jahrzehnts setzen wir auf eine rationale Umweltpolitik. Neue Technologien, neue wirtschaftliche Rahmenbedingungen erfordern auch in der Umweltpolitik Reformen.
Deswegen beschäftigen wir uns in Rostock mit Umweltpolitik. Wir machen das, weil uns Thema wichtig ist.
Ich danke Hans Heinrich Sander, dem einzigen liberalen Umweltminister, und Michael Kauch, unserem umweltpolitischen Sprecher in der Bundestagsfraktion, dass sie im Auftrag des Bundesvorstandes diesen Antrag gemeinsam mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe erarbeitet haben.
Beispiel Kernenergie: In Deutschland plant niemand derzeit, ein neues Kernkraftwerk zu bauen. Aber die Laufzeiten bestehender Kernkraftwerke in Deutschland zu verkürzen, wäre ökonomisch und ökologisch der falsche Weg. Es würde, erstens, Energie in Deutschland teurer machen und es würde, zweitens, den Klimaschutz verschlechtern. Während die USA und Frankreich die Laufzeiten ihrer Kernkraftwerke verlängern, weltweit auch neue Kernkraftwerke in den Wachstumsregionen gebaut werden, braucht Deutschland auch die zivile nukleare Technologie, insbesondere auch die hohen Sicherheitsstandards dieser Technologie, die wir in Deutschland entwickelt haben.
Wir wollen einen größeren Anteil regenerativer Energien an der Versorgung in Deutschland. Die Fragen, die wir hier stellen, sind: Wie kommen wir weg von einer ideologisch motivierten Übersubventionierung von Windenergie dort, wo der Wind nicht ausreicht? Wie können wir Solarenergie fördern, die nicht nur den heimischen Markt bedient, sondern vor allen Dingen auch eine technologische Exportchance ist?
Wenn wir die Ideologie aus allen Debatten herausnehmen, dann ergeben sich neue Chancen. Der wirtschaftliche Gewinn für betriebswirtschaftlich sinnvolle Laufzeiten von Kernkraftwerken ist auch eine Chance für mehr Forschung und Förderung von erneuerbaren Energien.
Energie wird aber auch immer mehr zu einer machtpolitischen und außenpolitischen Frage. Wir haben am Beispiel der Ukraine gesehen, wie Russland Machtpolitik mit dem Gashahn betreibt. Als sich die neue ukrainische Führung mehr Richtung Westen gewandt hatte, drehte Putin am Gaspreis. Eine langfristige Energiepolitik darf deswegen keine einseitigen Abhängigkeiten produzieren. Russisches Gas darf uns nicht politisch erpressbar machen. Wir wollen gerade mit Russland partnerschaftliche Beziehungen. Wir wollen auch eine Energiepartnerschaft. Aber wir wollen dies nicht zum Preis des politischen Stillschweigens bei Menschenrechtsverletzungen durch die russische Regierung. Wir wollen dies nicht zum Preis der Verschlechterung unserer Beziehungen mit Polen oder den Baltischen Staaten.
Anrede,
in der Wirtschaftspolitik gibt es viel Schatten.
In der Außenpolitik gibt es viel Licht. Wir als Opposition werden niemals reflexhaft alles verdammen, was Schwarz-Rot tut. In der Außenpolitik erkennen wir an, dass Angela Merkel unser Land gut repräsentiert. Sie hat beim ersten Besuch in Washington die Schließung von Guantanamo angemahnt. Sie hat sich beim ersten Besuch in Moskau öffentlich mit Oppositionellen getroffen. Sie hat beim zweiten Besuch in Washington zu Recht darauf hingewiesen, dass Europa und Amerika Probleme nur lösen können, wenn wir gemeinsam vorgehen. Jeder Zwist mindert nicht nur die Möglichkeiten, Probleme zu lösen. Er schwächt uns.
Die bisherige Außenpolitik von Schwarz-Rot ist eine notwendige Korrektur der Achsenbildung, mit der Rot-Grün seinen Anteil an der Spaltung des Westens hatte. Die bisherige Außenpolitik Angela Merkels ist eine wohltuende Abkehr von der Kritiklosigkeit und Liebedienerei, mit der Gerhard Schröder Russland begegnete.
Und ich sage auch hier zum Thema Gasprom: Der Alt-Bundeskanzler nimmt jetzt auf einem Stuhl Platz, den es so ohne sein Wirken im Amt gar nicht gäbe.
Die FDP-Fraktion wird weiter aufklären, wieso Rot-Grün während der letzten Amtstage eine Kreditbürgschaft für Gasprom bewilligte, von der Herr Schröder heute sagt, Gasprom wolle sie gar nicht. Nur die beiden beteiligten Banken wissen von einer solchen Absage nichts. Eine davon wird übrigens heute beraten von jenem ehemaligen Staatssekretär, der damals die Kreditbürgschaft billigte. Michael Glos hat einmal gesagt: "Das riecht." Das stinkt zum Himmel!
Der ehemalige Bundeskanzler sah in Russlands Präsident Putin noch einen "lupenreinen Demokraten". Wir sagen: Ja, wir wollen partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Russland. Aber: Wer bei Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit auf Rückschritt statt auf Fortschritt setzt, der darf nicht erwarten, dass wir dazu schweigen. Wer Guantanamo nicht schließt, der darf nicht darauf setzen, dass wir schweigen.
Alle reden von den Energiereserven Rußlands. Alle reden über das Wirtschaftswachstum in China. Aber wer redet eigentlich noch von Tschetschenien? Wer redet eigentlich noch von Tibet?
Wir Liberale sprechen über das Schicksal von Michail Chodorkowski.
Wir Liberale schweigen nicht zur Glaubensfreiheit in China.
Wir sprechen mit dem Dalai Lama.
Unser Ehrenvorsitzender Otto Graf Lambsdorff hat nicht nur elf Jahre lang die Friedrich-Naumann-Stiftung geführt. Er hat seit Jahrzehnten dafür gesorgt, dass auf der ganzen Welt die freiheitliche Stimme der Liberalen auch als Stimme für die Menschenrechte gehört wurde. Ich danke Otto Graf Lambsdorff herzlich für seine Arbeit. Leistung, Weltoffenheit, Toleranz, das sind liberale Werte, die Sie ganz persönlich auszeichnen.
Jetzt hat er den Staffelstab an Wolfgang Gerhardt übergeben. Wolfgang Gerhardt steht beispielhaft für Liberale, die sich niemals scheuen, jenseits der Tagespolitik das zu benennen, was uns antreibt, was uns steuert: Unsere Werte. Unsere Ideale. Unsere Grundüberzeugungen. Danke Wolfgang Gerhardt für die bisherige Arbeit in sieben Jahren an der Spitze unserer Fraktion als Nachfolger von Hermann Otto Solms. Die künftige Arbeit in der Führung der Friedrich-Naumann-Stiftung steht in Nachfolge von Persönlichkeiten wie Lord Ralf Dahrendorf und Otto Graf Lambsdorff.
Anrede,
den Kurs klarer Werte werden wir auch künftig einfordern. Wir wollen die Einigung Europas mit und nicht gegen unsere kleineren Partner. Wir wollen ein gesundes transatlantisches Verhältnis als eine Grundlage unserer Außenpolitik, das sich nicht von der jeweiligen Popularität der jeweiligen Administration abhängig macht. Wir wollen Freundschaft, weil man unter Freunden auch Probleme am besten ausräumen kann. Wir wollen eine Außenpolitik, die von Interessen und Werten geleitet wird. Es widerspricht unseren Werten, tolerant gegenüber der Intoleranz zu sein. Die Palästinenser haben die Hamas gewählt. Solange die Hamas eine Kraft der gewalttätigen Intoleranz ist, kann sie kein Partner werden. Deshalb unterstützen wir Europa, wenn Europa Zahlungen an die Hamas-Behörden stoppt. Deshalb sind wir skeptisch, wenn das Nahost-Quartett die Zahlungen jetzt wieder aufnehmen möchte.
Auch die neue Bundesregierung macht außenpolitische Fehler. Viel zu schnell folgte Schwarz-Rot dem französischen Wunsch, auch mit deutschen Soldaten im Kongo den Frieden zu versuchen. Voreilig legte sich die Bundesregierung international fest. Sie vergisst dabei, dass wir eine Parlamentsarmee haben, keine Regierungsarmee. Widersprüchlich und völlig unzureichend sind die Begründungen und Szenarien, die für den geplanten Kongo-Einsatz angeboten werden. Allein die Kosten wurden vom hessischen Verteidigungsminister stets auf 20 Millionen Euro beziffert - und nun von seinem Staatssekretär plötzlich auf 50 Millionen Euro. Mission, Krisenfallplanung, Größe der Truppe, genauer Einsatzort - alles ist genauso schwammig wie die Kosten. Hier muss endlich Klarheit her. Das gebietet die Tragweite der Entscheidung, die ansteht. Es geht um Leib und Leben junger deutscher Soldatinnen und Soldaten. Noch hat uns niemand überzeugt, dass es sich lohnt, dieses Risiko einzugehen.
Das, was wir in Europa und in der Partnerschaft mit Amerika am dringendsten brauchen, ist ein strategischer Dialog. Im Weltmaßstab sind es zwei Regionen, die zur Schicksalsfrage für uns im Westen werden. Überwindet die arabisch-islamische Welt ihre Modernisierungskrise, wird der Terrorismus zurückgedrängt, oder wird er zur Dauerbedrohung? Gelingt uns die Hilfe beim Aufbau islamischer Demokratien?
Vor kurzem gab es zur Gründungsfeier der ELDR eine Veranstaltung in Stuttgart mit unserem liberalen Freund, dem dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen. Er ist ins Zentrum des so genannten Karikaturenstreits gerückt. Von ihm wurde von arabischen Politikern verlangt, die Zeitung zu verbieten, die die Karikaturen abgedruckt hatte. Ich habe für die Freien Demokraten in Stuttgart erklärt, das war nicht nur ein Angriff gegen den dänischen Ministerpräsidenten, das war ein Angriff gegen unsere gemeinsamen Werte. Und auch deshalb stehen wir an der Seite des dänischen Ministerpräsidenten.
Die zweite Region, die in atemberaubendem Tempo neue strategische Fragen aufwirft, ist Asien. Ich bedaure, dass wir in Europa und im transatlantischen Verhältnis viel zu wenig darüber sprechen, was der Aufstieg Chinas und Indiens langfristig bedeutet.
Wir hier in Deutschland müssen für eines sorgen: Dass wir nicht zum Verlierer dieser gewaltigen Kraftverschiebungen werden.
Beides leitet uns: Interessen und Werte. Nicht nur in der Außenpolitik. Der Wert der Bürger- und Menschenrechte ist unser Kompass auch im Innern.
Anrede,
das Verfassungsgerichtsurteil gegen das so genannte Luftsicherheitsgesetz ist ein liberaler Erfolg. Die FDP hat von Anfang gesagt, dass der Staat nicht gesetzlich Menschenleben gegen Menschenleben abwägen darf. Dank der Liberalen wird es das Luftsicherheitsgesetz in Deutschland nicht geben. Ich bedanke mich bei Burkhard Hirsch und Gerhart Baum, die zusammen mit anderen Klägern in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen das so genannte Luftsicherheitsgesetz von Rot-Grün eingelegt hatten und Recht bekommen haben.
Anrede,
am Thema der Fragebögen für Einwanderer hat sich ein Streit über den richtigen Weg der Integration entzündet.
Die Antwort von Herrn Ströbele: Man solle die Nationalhymne auch auf türkisch singen können. Das ist die Multi-Kulti-Variante à la Berlin-Kreuzberg. Davon halte ich nichts. Es geht doch gerade darum, durch Sprache Integration zu schaffen.
Einige Innenminister hatten geglaubt, mit möglichst viel Wissen über deutsche Kultur und Gegenwart könne man einen Einbürgerungstest schaffen. Ich fürchte allerdings, angesichts der Bildungsprobleme in unseren Schulen, dass es bei einigen deutschen Schülern folgerichtig zu Ausbürgerungen kommen müsste, wenn man sie nach drei Mittelgebirgen in Deutschland fragt.
Ich danke in diesem Zusammenhang Uli Goll und Ingo Wolf, dass sie hier nachdrücklich auf eine Linie mit Vernunft und Augenmaß gedrängt haben und Scharfmachern eine Absage erteilt haben.
Wir Liberale setzen auf ein klares Bekenntnis von Einwanderern zu unseren Regeln und Gesetze. Wer auf Dauer hier bleiben will, der muss auch die Sprache beherrschen.
Die deutsche Sprache ist der Schlüssel zur Integration.
Aber es geht auch um Werte. Wenn muslimische Eltern ihre Töchter komplett verhüllt, mit so genannten Burkas, in die Schule schicken, dann hat das nichts mit religiöser Freiheit zu tun. Wenn die Eltern auf Hinweis der Lehrer nicht bereit sind, auf die Burkas zu verzichten, dann ist das ein Mangel an Respekt vor den Regeln der Schule. In Deutschland sollen auch muslimische Mädchen ihr Gesicht zeigen dürfen. In Deutschland sollen auch muslimische Mädchen Recht auf eine gute Ausbildung haben.
Integration braucht ein Bekenntnis zu den Regeln und braucht Kenntnis der Sprache des Einwanderungslandes.
Anrede,
wenn sich Rot und Schwarz in der Regierung immer ähnlicher werden, dann ist das für uns kein Grund, unseren Kurs zu verlassen. Nicht das Land ist rot-schwarz, nur die Bundesregierung.
Und wenn nur in Trippelschritten regiert wird, dann müssen wir auch zeigen, wie es anders geht. Wir haben ein Programm, wir haben einen Gesellschaftsentwurf, wir haben eine Richtung.
Deshalb braucht es die FDP als Kraft der Freiheit und Modernität, der Weltoffenheit und der Toleranz.
Wir haben jetzt 61 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Das ist eine große Fraktion. Sie hat eine verantwortungsvolle Aufgabe: Eine Große Koalition in ihrer Machtfülle in der Regierung zu kontrollieren, ist vielleicht schwieriger. Aber es ist umso wichtiger. Opposition ist Verantwortung.
Nun hören wir Ratschläge von vielen Seiten: Wer ist denn der Koalitionspartner der FDP? Einige meinen, niemand mehr ist Koalitionspartner der FDP. Andere meinen, alle Parteien seien jetzt potentielle Koalitionspartner der FDP. Es sei schwierig, so Kommentatoren, künftig noch Mehrheiten von nur zwei Parteien jenseits der Großen Koalition herzustellen.
Wir sind auf Bundesebene in der Opposition. Die rasante Sozialdemokratisierung der Union schafft für uns nicht den Verlust einer machtpolitischen Option. Sie schafft für uns die Chance für weiteren Gewinn bei den Bürgerinnen und Bürgern.
Viele Beobachter finden es spannender, wenn eine Partei ihre Positionen aufgibt als wenn eine Partei Kurs hält. Nicht alle Verbände sind treue Verbündete, wenn sie sich mit der Regierung arrangieren. Wir haben keine Organisationen, die für uns predigen oder für uns streiken. Aber wir können dennoch sehr stark sein. Wenn wir die Bürger für unser Programm gewinnen. Wir sind nicht auf der Suche nach Koalitionen. Wir wollen ein Bündnis mit den Bürgern.
"Selbstdenker gesucht" hieß unsere Kampagne kurz nach der Bundestagswahl. Alleine in den letzten 12 Monaten sind rund 6500 Bürgerinnen und Bürger in die FDP eingetreten. Die sind nicht zu uns gekommen wegen Koalitionsfragen. Die sind zu uns gekommen, weil wir die Kraft der Freiheit sind. Wir sind Optimisten. Wir können etwas bewegen. Für unser Land.
Deutschland kann mehr.