Rede von Dr. Guido Westerwelle im Deutschen Bundestag am 25. Juni 2008
Rede von Dr. Guido Westerwelle
Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu dem Bericht der US-Luftwaffe über Sicherheitslücken bei den
US-Atomwaffenlagern in Deutschland und Europa
Rede im Deutschen Bundestag am 25. Juni 2008
(Stenographisches Protokoll)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Berichte über eine Studie der Luftwaffe der Vereinigten Staaten von Amerika, wonach es an der Sicherheit der in Europa stationierten nuklearen Waffen Zweifel gebe, weil diese Mängel aufwiesen, sind beunruhigend. Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung alles tun wird, um die Zweifel auszuräumen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Unsicherheiten, über die im Rahmen der amerikanischen Streitkräfte berichtet wird, nicht als amerikanische, sondern als eigene Angelegenheit betrachtet. Das sind wir den Menschen, die in der Eifel wohnen, schuldig. Das ist zuerst einmal das Wichtigste, was dazu zu sagen ist.
(Beifall bei der FDP)
Herr Kollege Geisen hat in dieser Richtung mehrfach Initiativen für die Eifel ergriffen und hat sich an die Bundesregierung gewandt. Die Fragen nach der Sicherheit, die seitens der Bundesregierung beantwortet wurden, sind nicht ausreichend geklärt. Die Zweifel finden neue Nahrung durch die Berichte der Luftwaffe der USA.
Diese Berichte der Luftwaffe über die Atomwaffen, die in Deutschland und Europa gelagert werden, sind bestenfalls der Anlass für diese Debatte und nicht der Grund. Der Grund ist, dass diese Atomwaffen, die es in Deutschland immer noch gibt, Relikte aus der Zeit des Kalten Krieges sind, dass sie aus unserer Sicht nicht in Deutschland bleiben sollten und dass wir sie, eingebettet und eingebunden in eine wirkliche Abrüstungsstrategie, aus Deutschland abziehen sollten. Das wäre der richtige Verhandlungsauftrag an die Bundesregierung in der NATO.
In dieser Debatte geht es zunächst einmal um Deutschland. Aber, Herr Kollege, Sie weisen zu Recht auf Europa hin.
Ich halte fest, dass sich der Außenminister in diese Richtung immer wieder direkt oder indirekt zu Wort gemeldet hat. Wir als freie demokratische Fraktion wollen dem Außenminister signalisieren, dass wir ihn ermuntern, sich in der Regierung bei dieser Frage durchzusetzen.
(Dr. Rolf Mützenich (SPD): Sie können ihn auch stützen!)
Wir stützen ihn dabei Sie haben völlig Recht , wobei ich überrascht bin, dass das Stützen des Außenministers aus der SPD-Fraktion verlangt wird.
Meine Damen und Herren, wir nehmen zur Kenntnis, dass es in diesem Hohen Hause eine große Mehrheit der Fraktionen und der Abgeordneten gibt, die dieses Relikt aus dem Kalten Krieg ebenfalls nicht mehr in Europa, in Deutschland sehen wollen. Die Union sagt, sie wolle an dieser Stationierung festhalten. Hierbei ver-wundert mich vor allem die Begründung. Der Generalsekretär der Union wird mit fol-genden Worten zitiert wir haben dieses Zitat aus einer Pressekonferenz selbst se-hen können : Von einseitigen Schritten, glaube ich, sollte man Abstand nehmen. Abrüstung sollte insgesamt auf beiden Seiten stattfinden. - Welche Seiten meinen Sie, wenn Sie von "beiden Seiten" sprechen? Das ist das Denken der Konfrontation von NATO gegen Warschauer Pakt. Dass Sie in diesem Denken noch verhaftet sind, ist ein Fehler, dient nicht dem Frieden und erst recht nicht der Abrüstung.
Das Beste, was wir mit diesen Waffen noch machen können, ist, sie dafür zu nutzen, der Abrüstungspolitik wieder neue Glaubwürdigkeit zu verschaffen.
Deswegen wollen wir dies haben wir bereits in der Vergangenheit mit mehreren Anträgen im Deutschen Bundestag unterstrichen , dass jetzt die Gelegenheit wahrgenommen wird, damit in der NATO selbstverständlich darauf hingewirkt wird, dass diese Waffen abgezogen werden können, einerseits, weil Sie in den Berichten über die Unsicherheit definitiv neue Gründe dafür finden, andererseits aber auch, weil wir Abrüstungssignale geben sollten, und darum geht es. Die Zeit des Kalten Krieges ist vorbei. Wir brauchen diese Waffen in Deutschland nicht. Wir wollen sie nicht. Sie sollten abgezogen werden. Diese Waffen dienen nicht der Sicherheit, sondern sie vergrößern eher die Unsicherheit. Wenn wir Vorbild für Abrüstung in der Welt sein wollen, dann können wir hier mit bestem Beispiel vorangehen. Das ist eigentlich die gute Kontinuität deutscher Außenpolitik. Abrüstungsinitiativen aus Deutschland das ist das Beste, was wir aus der Geschichte lernen können.
Wir befinden uns damit möchte ich schließen in einer unerfreulichen Phase, wo das Recht des Stärkeren in der Welt wieder mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Wir sollten dem mit klaren deutschen Abrüstungsinitiativen entgegentreten, ausdrücklich natürlich in Europa und in der NATO. Es ist besorgniserregend, dass nicht nur in Russland, sondern auch durch die scheidende Administration in den Vereinigten Staaten von Amerika die Abrüstung mehr und mehr in Frage gestellt wird, dass Abrüstungs- und Kontrollverträge gekündigt und in Zweifel gezogen werden. Das ist die falsche Richtung. Es muss eine neue politische Richtung initiiert werden. Deswegen appellieren wir an die Bundesregierung, jetzt, wie übrigens auch führende amerikanische Politiker, auf Abrüstung zu setzen. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen von der Union: Seien Sie nicht die Letzten, die die Bush-Doktrin auf diesem Globus noch verteidigen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Quatschkopf!)
Ich glaube, das, was Sie da rufen, ist etwas unflätig. Herr McCain verabschiedet sich von diesem Weg, Herr Obama verabschiedet sich von diesem Weg, und es wäre sinnvoll, wenn Deutschland, das ein großes Interesse an Abrüstung und daran, dass keine neuen Aufrüstungsspiralen entstehen, hat, jetzt vorangeht und auf einen Abzug dieser nuklearen Waffen setzt. In diese Richtung muss verhandelt werden. Wir wollen das, und ich hoffe auf große Zustimmung in diesem Hohen Hause.
Vielen Dank.