18.01.2013FDP

RÖSLER-Interview für die "Braunschweiger Zeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "Braunschweiger Zeitung" (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten ARMIN MAUS und CHRISTIAN KERL:

Frage: Herr Minister, Sie stehen als FDP-Vorsitzender stark im Feuer. Viele sagen: Was der Rösler mitmacht, wie seine Eignung als Parteichef öffentlich diskutiert wird - das muss doch nur noch wehtun. Warum tun Sie sich das an?

RÖSLER: Aus Überzeugung für die freie Gesellschaft. Ich habe bei den Jungen Liberalen 1994 in einer für die FDP wirklich schwierigen Phase angefangen. Da hätte ich im Traum nicht daran gedacht, dass ich knapp 20 Jahre später Vizekanzler sein würde. Wenn man sich die Biographien vieler Spitzenpolitiker ansieht, dann stellt man fest: Die hatten allesamt Phasen, in denen sie hart kritisiert wurden. Ausnahmsweise zitiere ich Joschka Fischer: Wer nie am Abgrund stand, kann kein Großer werden.

Frage: Aber Sie sind ja doch gefährlich nah am Abgrund. Was lief falsch?

RÖSLER: Die FDP musste sich nach 2009 neues inhaltliches Profil erarbeiten. Für uns stehen jetzt der Abbau von Verschuldung, die Haushaltskonsolidierung im Vordergrund. Das kann man nicht nur als Vorstand beschließen, das muss die ganze Partei mittragen. So etwas braucht seine Zeit. Vor allem, wenn die Partei auch noch Niederlagen bei Kommunal- und Landtagswahlen erlebt. Die Frage ist: Kommen wir aus dem Tief raus oder nicht? Und wir kommen raus - mit Themen, mit Personen. Wenn man das weiß und eine Perspektive sieht, dann schafft man das.

Frage: Die heftigste Kritik kommt aus Ihrer Partei...

RÖSLER: Anwürfe aus den eigenen Reihen gehören zur Politik dazu. Wenn man in eine neue Funktion kommt, ist es nicht entscheidend, was man vorher geleistet hat - man wird völlig neu bewertet. Das erlebt doch jetzt auch Peer Steinbrück. Der hatte als möglicher Kanzlerkandidat gute Umfragewerte, als tatsächlicher Kandidat geht der Trend nach unten. Kritik aus den eigenen Reihen gibt es in Unternehmen genauso wie im Sportverein, wenn auch nicht so öffentlich wie in der Bundespolitik.

Frage: Sie haben den Kurswechsel beschrieben. Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Parteichef für Sünden Ihres Vorgängers Westerwelle in Haftung genommen werden?

RÖSLER: Wir haben seinen Kurs damals gemeinsam getragen. Jetzt muss man nach vorn sehen und an unserem neuen Thema Schuldenabbau arbeiten. Die Liberalen haben das in Niedersachsen geschafft: Sie haben vor sechs Wochen durchgesetzt, dass
855 Millionen Mehreinnahmen genutzt werden, um die Neuverschuldung im Landeshaushalt zu senken...

Frage:.. was im Landtag so breit getragen wurde, dass sich inzwischen alle dafür verantwortlich fühlen...

RÖSLER:...aber die Schuldenbremse in der Landesverfassung hat die SPD blockiert. Deshalb ist sie da schlicht unglaubwürdig.

Frage: Hätten Sie sich eigentlich gewünscht, dass die Kanzlerin hier beim Wahlkampfauftakt in Braunschweig vor zehn Tagen dazu aufruft, die FDP bei der Wahl zu unterstützen? Sie macht es noch immer nicht, Herr McAllister auch nicht.

RÖSLER: Wir sind Vorsitzende unterschiedlicher Parteien, auch wenn es viele inhaltliche Gemeinsamkeiten gibt. Die Wähler wissen, dass nur die Wahl der FDP die Fortsetzung der CDU/FDP-Koalition garantiert. Natürlich werben wir um die Zweitstimmen, das haben wir auch früher schon gemacht.

Frage: Allerdings kämpft die FDP gegen den Vorwurf der sozialen Kälte. Im November gab es zwischen der Arbeitsministerin und einem Beratergremium Ihres Hauses eine Auseinandersetzung über die Altersarmut - sie kamen auf Grundlage derselben Daten zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Frau von der Leyen schlug Alarm, ihr Haus gab Entwarnung. Am Ende stand der Eindruck: Herr Rösler kümmert sich nicht um die Altersarmut, um seine Klientel nicht zu belasten. Ist das so?

RÖSLER: Das ist Unfug. Die FDP hat immer gesagt, wir müssen den Generationenvertrag stärken. Wir müssen sicherstellen, dass künftige Generationen besser vorsorgen. Dazu braucht es einen Arbeitsplatz, damit man die private Vorsorge bezahlen kann, und den Anreiz, dass man im Alter mehr aus den privaten Vorsorgeleistungen behalten darf, auch wenn man Grundsicherung erhält. Darum haben wir in der Koalition gerungen. Jetzt gibt es erfreulicherweise Bewegung - ein bestimmter Betrag etwa aus Riester-Verträgen bleibt bei der Grundsicherung im Alter anrechnungsfrei.

Frage: Sie meinen die geplante Lebensleistungsrente. Glauben Sie, dass die wirklich noch beschlossen wird?

RÖSLER: Dass die Union sich jetzt untereinander noch nicht ganz einig ist, müssen wir akzeptieren. Aber sie werden sich einigen. Die FDP ist zu allen Gesprächen bereit. Wir wollen gemeinsam das Grundproblem anpacken.

Frage: Wir bekommen in Leserreaktionen oft zu hören: Die Politiker reden leicht von privater Vorsorge - aber was macht der Normalverdiener, etwa die Krankenschwester mit 2500 Euro Lohn im Monat? Die kann doch nicht jeden Monat ein paar hundert Euro für Riesterverträge beiseite legen?

RÖSLER: Deshalb hatten wir doch die Diskussion um "mehr netto vom brutto" - damit die Bürger mehr Möglichkeiten haben, für das Alter bei Rente, Pflege und Gesundheit selbst vorzusorgen. Dann könnten wir die sozialen Sicherungssysteme entlasten. Diejenigen sind sozial kalt, die wie SPD und Grüne im Bundesrat mehr Steuergerechtigkeit - die Dämpfung der sogenannten Kalten Progression - verhindert haben. Jetzt frisst die Steuer oft die Gehaltserhöhung auf.

Frage: Aber für Entlastung wäre es nicht zu spät: Die Koalition könnte doch mit ihrer Mehrheit ersatzweise noch die Senkung des Solidaritätszuschlags durchsetzen - schnell und wirksam ohne Bundesrat, auch in ihrer Partei gibt es diese Forderung.

RÖSLER: Wo der Bundesrat gebraucht wird, blockieren SPD und Grüne aus ideologischen Vorbehalten. Nur die verfassungsrechtlich gebotene Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags wird kommen. Aktuell diskutieren wir die Haushaltskonsolidierung. Denn wir können ja schlecht in Europa Haushaltssanierung fordern, wenn wir nicht selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb wollen wir schon 2014 einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt erreichen - um dann 2016 ganz ohne neue Schulden auszukommen.

Frage: Sie haben als Wirtschaftsminister noch eine große Baustelle bei der Energiewende zu bewältigen: Die Reform der Ökostrom-Förderung, die Überarbeitung des Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), damit die Strompreise nicht weiter steigen. Wird das noch was?

RÖSLER: Wir haben uns darauf verständigt, dass der Bundesumweltminister für die nächste Ministerpräsidenten-Konferenz im März Vorschläge für eine grundlegende EEG-Reform ausarbeitet. Die FDP hat ja schon im Herbst ein eigenes Modell entwickelt, Sachsen will einen Gesetzentwurf im Bundesrat einbringen. Unsere Position ist klar: Eines der wichtigsten Themen bei den Bürgern wie bei den Unternehmen sind aktuell die Energiepreise. Das EEG ist der größte Kostentreiber, da müssen wir ran. Ich bin sicher, dass wir das im März schaffen - wenn nicht, hat die FDP eigene Vorschläge, notfalls auch Gesetzentwürfe. Im Übrigen läuft die Energiewende deutlich besser, als es manchmal den Anschein hat.

Frage: ..was meinen Sie?

RÖSLER: Gerade diese Woche gibt es gute Nachrichten. Beim Offshore-Ausbau hat der Netzbetreiber in Niedersachsen, Tennet, mit Mitsubishi einen Investor gefunden - es geht um eine Summe von über 500 Millionen Euro. Wir kommen mit großen Schritten beim wichtigen Thema Netzausbau voran.

Frage: Aber es ist schon viel Zeit verloren gegangen.

RÖSLER: Ich hätte mir auch manches schneller gewünscht. Aber uns haben lange Zeit die Haftungsregeln für die Netzanbindung von Offshore-Windkraft gefehlt. Deshalb haben Windpark-Investoren und Netzbetreiber gezögert. Ich habe die Haftungsregeln auf den Weg gebracht, dafür bin ich nicht nur gelobt worden - aber jetzt sehen wir, dass die Entscheidung richtig war. Die Investitionen kommen.

Frage: Auch in der Koalition wird die Idee diskutiert, die großen Stromautobahnen wenigstens teilweise in staatlicher Regie zu betreiben, zuletzt hat sich Ministerin Aigner dafür ausgesprochen. Gute Idee?

RÖSLER: Tennet ist ja in niederländischem Staatsbesitz. Und das Beispiel zeigt, dass die Annahme, der Staat habe genügend Geld und könne im Zweifel zuschießen, falsch ist. Dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist, zeigt doch das Debakel beim Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg. Den Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven hat dagegen ein mittelständisches Unternehmerkonsortium hinbekommen - mit nur sechs Wochen Verzögerung. So einen Erfolg hätten die SPD-Regierungschefs Platzeck und Wowereit nie geschafft.

Frage: Die FDP ist diese Woche vom DGB angerempelt worden. Erst hat DGB-Chef Sommer Sie nicht zur Klausur eingeladen, dann hat er erklärt, es sei ein Unglück, dass Frau Merkel in der Konstellation mit Ihnen regieren müsse - mit der FDP werde das nichts. Ärgert Sie das?

RÖSLER: Michael Sommer war einer der ersten, mit dem ich als Wirtschaftsminister das Gespräch gesucht habe. Die Sozialpartnerschaft ist eine hervorragende Errungenschaft, die viel zur Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft beiträgt. Das Miteinander funktioniert, ich habe einen guten Kontakt zu Gewerkschaften und Arbeitgebern.

Frage: Vermutlich haben Sie die Frage schon vermisst. Es gibt eine verbreitete Erwartung, sie würden Ihr Amt als Parteichef nach der Landtagswahl aufgeben - auf jeden Fall dann, wenn es die FDP nicht in den Landtag schaffen sollte. Bleiben Sie nun FDP-Chef oder nicht?

RÖSLER: Vermutlich wissen Sie auch schon, wie meine Antwort lautet: Bei dieser Wahl geht es nicht um mich. Es geht um Niedersachsen, hier kämpfen wir für die Fortsetzung einer guten Regierung. Wer hätte gedacht, dass Niedersachsen bei den Wachstumsraten mal vor den Bayern steht? Das lohnt den Einsatz.

Frage: Bei der Wahl gibt es keine Messlatte für Sie persönlich? Unter fünf Prozent...

RÖSLER: ... es geht wie gesagt um Niedersachsen. Um meine Heimat.

Frage: Wo werden Sie am Sonntagabend sein - in Berlin oder Hannover?

RÖSLER: Räumlich bin ich in Berlin, mit dem Herzen bin ich natürlich in Niedersachsen.

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