23.10.2011FDPEuropapolitik

RÖSLER-Interview für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"

RÖSLER-Interview für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister PHILIPP RÖSLER gab der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten CHRISTIANE HOFFMANN und ECKART LOHSE.

Frage: Das war ja ein kurzes Glück, Herr Minister Rösler. Am Donnerstag haben Sie ihre Steuersenkungspläne vorgestellt, am Freitag tagte der Koalitionsausschuss und nun triumphiert die CSU schon, dass Ihr Modell vom Tisch sei. Wie konnte die Sache so schief gehen?

RÖSLER: Wir haben vereinbart, dass wir uns am 6. November über ein Gesamtpaket verständigen. Erst dann geht es um konkrete Beschlüsse. Gleichwohl hat die Koalition am Freitag das eindeutige Signal gesetzt, die unteren und mittleren Einkommen zu entlasten. Dabei geht es ausdrücklich nicht um Steuerentlastungen auf breiter Front. Damit halten wir die richtige Balance zwischen Haushaltskonsolidierung und einem notwendigen konjunkturellen Impuls. Für die weiteren Beratungen habe ich gemeinsam mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein Modell entwickelt, mit dem wir die kalte Progression dauerhaft abbauen. Den Abbau der kalten Progression hat auch die CSU am Freitag begrüßt. Mit unserem Modell entlasten wir die Menschen und schaffen gleichzeitig mehr Steuergerechtigkeit. Unser Grundsatz lautet: Wer etwas leistet, soll auch davon profitieren, ohne dass die Inflation es ihm wegnimmt.

Frage: Müssen die Steuern nun doch mit Hilfe des Solidaritätszuschlags gesenkt werden?

RÖSLER: Wir wollen die unteren und mittleren Einkommen entlasten. Das ist zentral. Der Abbau der kalten Progression ist darüber hinaus auch eine Frage der Gerechtigkeit. Die kalte Progression ist ein steuerpolitischer Sündenfall.

Frage: Diesem Wunsch der FDP hat doch der Finanzminister nur zugestimmt, weil er weiß, dass die Sache im Bundesrat scheitern wird. Die SPD lehnt Ihre Pläne ab, mehrere CDU-Ministerpräsidenten haben in der Vergangenheit schon gesagt, dass sie für Steuersenkungen kein Geld hätten, und der bayerische Ministerpräsident Seehofer von der CSU hat sofort laut protestiert.
RÖSLER: Ich bin gespannt, wie die SPD den Arbeitnehmern vor den Werkstoren erklären will, warum sie nicht entlastet werden sollen. Wenn die SPD sich noch als Arbeitnehmerpartei versteht, dann muss sie unseren Vorschlägen zustimmen.

Frage: Haben Sie außer der Hoffnung auf das Einlenken Ihrer Kritiker noch irgendein As im Ärmel, um eine Mehrheit im Bundesrat zu bekommen?

RÖSLER: Noch im Sommer hieß es, unser Steuervereinfachungsgesetz werde niemals durch den Bundesrat kommen. Am Ende gab es eine Einigung. Im Übrigen gilt: Ein As behält man so lange im Ärmel, bis man es ausspielt.

Frage: Warum haben Sie Horst Seehofer nicht in Ihre Pläne einbezogen?

RÖSLER: Es ist gut, dass die Union mittlerweile interne Missverständnisse bei der Abstimmung eingeräumt hat. Im Übrigen haben die Vorsitzenden von CDU, FDP und CSU und die gesamte Bundesregierung vor der Sommerpause beschlossen, die Frage der steuerlichen Entlastung im Zusammenhang mit der Wachstumsprognose zu klären. Diesen Beschluss haben Wolfgang Schäuble und ich als zuständige Minister umgesetzt.

Frage: Von der großen Steuerreform, die die FDP unter dem Vorsitzenden Westerwelle immer angekündigt hatte, ist nur noch ein mageres Reförmchen übriggeblieben. Finden Sie dennoch, dass wir es hier mit einem Erfolg der FDP zu tun haben?

RÖSLER: Der Erfolg ist, dass wir die richtige Balance schaffen zwischen Haushaltskonsolidierung und Entlastungen, während die Opposition die Mittelschicht immer weiter belasten will.

Frage: Der Euro und die Schuldenkrise in Europa bleiben das große Thema dieser Regierung. Welchen Beitrag zur Lösung des Problems hat die FDP bisher geleistet?

RÖSLER: Wir haben Euro-Bonds verhindert und stärkere Rechte für das Parlament durchgesetzt. Die Union war bei beidem eher zögerlich. Wir stehen auch dafür, dass der Rettungsschirm keine Bankenlizenz erhält. Außerdem bestehen wir auf der Einhaltung der Haftungsobergrenze von 211 Milliarden Euro. Mit diesen Positionen werden wir unserer europäischen Verantwortung gerecht, ohne die Interessen der deutschen Steuerzahler aus dem Auge zu verlieren.

Frage: Einen Punkt haben Sie vergessen: Ihren Vorschlag einer Insolvenz Griechenlands. Waren Sie eigentlich empört darüber, dass der Finanzminister darauf nach dem Motto reagiert hat: Darüber reden nur ich und die Kanzlerin?

RÖSLER: Es ist selbstverständlich, dass der Wirtschaftsminister der größten Volkswirtschaft Europas sich zur Währung äußert, auch zur Insolvenz eines Staates. Ich halte eine Antwort auf die Frage für zwingend notwendig, wie wir die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Staaten wiederherstellen, die erhebliche Strukturprobleme aufweisen. Die jetzt breite Unterstützung zeigt, wie richtig diese Position war und ist.

Frage: Was halten Sie von der Hebelung der EFSF?

RÖSLER: Eine Hebelung in Form einer Bankenlizenz kommt für uns nicht in Frage. Das würde die Unabhängigkeit der EZB beschädigen. Eine Erweiterung der Möglichkeiten der EFSF und gegebenenfalls neue Risiken halte ich nur dann für vertretbar, wenn damit Ansteckungsrisiken ausgeschlossen werden.

Frage: Die Voraussetzung für eine Hebelung wäre also ein Insolvenzverfahren Griechenlands?

RÖSLER: Eine Erweiterung der Möglichkeiten der EFSF ist nur dann sinnvoll, wenn sich aus der drohenden Insolvenz eines Eurolandes Gefahren für die Eurozone als Ganzes ergeben.

Frage: Haben Sie eigentlich Verständnis dafür, dass eine wachsende Zahl von Leuten weltweit auf die Straße geht, um gegen die Bankenrettung zu protestieren?

RÖSLER: Ursache für die heutigen Probleme ist im wesentlichen die Schuldenkrise in manchen Staaten, nicht die Finanzmärkte alleine. Gleichwohl hat die Politik bei der Regulierung der Finanzmärkte noch Nachholbedarf. In der Krise 2008 gab es viele Versprechen, etwas zu ändern. Davon wurde bisher zu wenig umgesetzt. Ein Beispiel sind die Verhandlungen auf europäischer Ebene über ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe und Kreditausfallversicherungen. Die Gespräche sind zwar vorangekommen, müssen jetzt aber zügig abgeschlossen werden.

Frage: In der FDP sind die Zweifel an der Rettungspolitik so groß, dass es zu einem Mitgliederentscheid kommen wird. Haben Sie Ihre Partei nicht ausreichend mitgenommen?

RÖSLER: Die Erfahrung aus den vielen Veranstaltungen in den letzten Tagen hat gezeigt, dass viele, die den Mitgliederentscheid begrüßen, für unseren bisherigen Kurs sind. Es gibt vielmehr einen enormen Informationsbedarf über grundsätzliche und tagespolitische Fragen der Europa-Politik. Deshalb ist der Mitgliederentscheid eine hervorragende Chance, um über diese Fragen zu diskutieren.

Frage: Wenn die Idee so toll ist, warum muss Sie Ihnen dann von den Abweichlern aufgezwungen werden?

RÖSLER: Weil der Bundesvorstand keinen Mitgliederentscheid anstrengen kann.

Frage: Aber Diskussionen hätten Sie organisieren können.

RÖSLER: Bereits vor dem Mitgliederentscheid hat die Partei auf allen Ebenen intensiv über die Europapolitik diskutiert. Der Mitgliederentscheid hat die Debatte weiter belebt. Das begrüße ich.

Frage: Seit Sie im Mai Parteivorsitzender wurden, haben Sie drei Landtagswahlen verloren. Sie sollen den Euro retten, und gleichzeitig noch Ihre Partei. Macht das Angst?

RÖSLER: In der Politik gilt der Grundsatz: Mit Mut, Standfestigkeit und solider Arbeit kommt der Erfolg.

Frage: Was sagt Ihre Familie dazu, dass Sie vor lauter Retten kaum noch zu Hause sind?

RÖSLER: Die Kinder bekommen schon mit, was mich beruflich beschäftigt. Papa muss immer viel reden, sagen sie. Was meine Frau betrifft: Ich habe ihre volle Unterstützung, weil sie sieht, welche Bedeutung meine Arbeit für das Land und die Partei hat. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Frage: Ist Griechenland nun auf dem Weg in die Insolvenz? Können das allein die Banken tragen?

RÖSLER: Mittlerweile zeichnet sich immer mehr ab, dass die bisherigen Regelungen zur Beteiligung der privaten Gläubiger nicht ausreichen, um der Schuldentragfähigkeit Griechenlands gerecht zu werden.fdkroeslerfas_11.doc

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