07.05.2016FDPSenioren

SOLMS-Gastbeitrag: Mit 75 im Unruhestand

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied DR. HERMANN OTTO SOLMS schrieb für den „Focus“ (aktuelle Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

In der Hochphase der Flüchtlingskrise erlebten wir, wie sehr unser Land auf die Mitwirkung der Zivilgesellschaft angewiesen ist. Einen wesentlichen Teil dieses Engagements leisteten die Älteren. Es war vor allem die Generation der Senioren, die mit angepackt und dafür gesorgt hat, dass Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge trotz der überforderten Verwaltung funktionierten.

Hier ruht ein Erfahrungsschatz im Verborgenen. Das Können und die Erfahrung von Älteren sind ein Reichtum für unsere Gesellschaft. Die Flüchtlingskrise hat gezeigt: Die Älteren stehen bereit, sie müssen aber gerufen werden.

Den meisten geht es bei ihrem Engagement nicht um materiellen Nutzen. Es geht ihnen darum, wieder eine Rolle in der Gesellschaft zu spielen: Mit 75 Jahren gehören wir nicht zum alten Eisen. Wir werden gebraucht. Wir können einen Beitrag leisten, und wir wollen uns einbringen. Das gilt auch für mich persönlich.

Das Schöne am Alter ist: Man ist frei von Zwängen. Man muss nicht nach einem Leitbild, sondern kann nach eigenen Überzeugungen leben.

Ich muss nicht erst eine Familie gründen, ein Haus bauen oder einen Baum pflanzen. Das ist alles längst getan. Mit 75 kann ich mein Leben frei gestalten. Es ist kein Lebensabschnitt, den ich nach staatlichen Vorgaben im Zwangsruhestand verbringen muss.

Wer es will und kann, soll im Rahmen seiner Möglichkeiten und Kräfte arbeiten dürfen, so lange und so viel er will. Das ist die freie Entscheidung jedes Einzelnen.

Das Schöne am Alter ist auch: Probleme in Beruf und Karriere liegen hinter uns Älteren. Wir können uns völlig frei auf selbst gewählte Aufgaben konzentrieren.

Das erlebe ich bei mir selbst. Mit 75 Jahren unterliege ich nicht dem Zwang, berufliches und politisches Engagement unter einen Hut bringen zu müssen. Ich muss keine Karriere mehr machen oder mich taktischen Fragen im Umgang mit möglichen Mitbewerbern unterwerfen. Bei mir liegt das Interesse bei den künftigen Generationen. Mein Leben liegt weitgehend hinter mir. Wenn ich an die Zukunft denke, denke ich an die Zukunft meiner Nachkommen. Ich will mich aktiv der Frage widmen, wie können wir heute das Morgen gestalten. Und das gilt – glaube ich – für die meisten meiner Altersgenossen. Ich selbst konzentriere mich ganz darauf, wie ich anderen helfen kann, ihre individuellen oder gesellschaftlichen Probleme zu lösen.

So wie ich als Business Angel meine Tochter bei ihrem Start-up-Unternehmen unterstütze, so versuche ich auch, meiner Partei zurück in die Parlamente zu helfen. Genauso versuche ich, in der Kommunalpolitik die täglichen Probleme der Menschen zu erleichtern.

Ich stelle meine Erfahrungen gern zur Verfügung. Die stammen aus einem Leben als ein sehr familienorientierter Mensch mit einem hohen Maß an Bürgersinn. Aus einem Berufsleben als Bankkaufmann, als Selbstständiger, als Gründer, als Berater oder eben als Business Angel. Meine Erfahrungen stammen auch aus zahlreichen politischen Ämtern – als Finanzexperte und Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion oder als Vizepräsident des Deutschen Bundestags.

Über die Kompetenzen gerade der Älteren gibt es viele Studien: Sie zeigen häufig ein größeres berufliches Engagement als Jüngere, wissen über soziale Verknüpfungen besser Bescheid, haben einen größeren Überblick über die Gesamtsituation, sehen gleichzeitig Möglichkeiten und Grenzen und haben in bestimmten Bereichen ein „Expertenwissen“ erworben, das man bei Jüngeren gar nicht erwarten kann.

Auf der anderen Seite stehen natürlich die notwendige Dynamik und auch die Risikofreude der Jüngeren.

Zusammen ergibt das die Mischung, die wir in unserer Gesellschaft brauchen. Wir brauchen ein Miteinander der Generationen. Wir dürfen Zukunftsinvestitionen und Rentenzahlungen nicht gegeneinander aufrechnen. Die Investitionen von heute sollen ja gerade die Versorgungskosten der Älteren von morgen finanzieren. Deshalb sind die Anstrengungen für Bildung, Forschung und produktives Wachstum die Voraussetzung für die soziale Sicherheit in der Zukunft.

Es stimmt: Unsere Gesellschaft altert. Wir müssen uns daher die Frage stellen, wie wir denn altern: mit qualifizierten älteren Arbeitnehmern oder ohne sie? Mit sanierten Sozialsystemen oder ohne sie? Mit einer Bildungspolitik, die alle vorhandenen Ressourcen nutzt oder sie vernachlässigt?

Hier können wir einen wichtigen Beitrag leisten: auch mit 75 Jahren.

Und deswegen will ich auch wieder für den Deutschen Bundestag kandidieren. Es ist mein Ehrgeiz, einen Beitrag zur Rückkehr der Freien Demokraten ins Parlament zu leisten. Das geht nicht nur mit jungen Leuten, dazu braucht es auch Erfahrung.

Ich mache weiter. Mit 75 – na und?

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