FDPProteste in Istanbul

Stabilität und gesellschaftliche Freiheit wahren

Türkische Flagge und Istanbul
18.06.2013

Das Vorgehen der türkischen Regierung gegen die Demonstranten am Gezi-Park ist nicht mit europäischen Werten vereinbar, kritisieren liberale Außenpolitiker.

Aus Sicht des FDP-Europaabgebordneten Alexander Graf Lambsdorff ist das Vorgehen der politischen Führung in Ankara nicht mit europäischen Werten zu vereinbaren. Obwohl es sich um eine innenpolitische Auseinandersetzung handle, gebe es Implikationen für das Werteverständnis der Regierung Erdogan. "Wir sehen ein Land, das zwar offiziell noch nach Europa strebt, aber dessen Regierung das Ganze doch sehr, sehr reduziert betreibt", kritisierte der Liberale im Interview mit dem "WDR5". Die Polizeieinsätze und Repressalien gegen die Presse seien mit europäischen Maßnahmen nicht vereinbar, stellte Lambsdorff klar.

Unabhängig von der europäischen Dimension sei die Türkei allerdings ein wichtiges Nachbarland, mit dem "mit dem Land respektvoll, freundschaftlich und konstruktiv" umgegangen werden müsse.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler betonte, dass "Stabilität und gesellschaftliche Freiheit" für deutsche Unternehmen eine ebenso große Rolle spielten wie wirtschaftliche Freiheit, wenn es um die wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei gehe.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), zeigte sich über die Entwicklung der gewalttätigen Krawalle in der Türkei besorgt. „Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind in einer Demokratie zentrale Grundrechte, die es zu wahren und zu schützen gilt“, erklärte der Liberale. Besonnenheit und Deeskalation auf allen Seiten seien das Gebot der Stunde.

Im Gespräch mit liberalen Journalisten über den Kurznachrichtendienst Twitter betonte Löning, es wäre der falsche Schritt für jenes Land, zu versuchen, Berichte über solche Ereignisse zu blockieren. Anlass für die Diskussion waren die Gerüchte eines sogenannten Medien-Blackouts in der Türkei über die jüngsten Zusammenstöße mit der Polizei. Detaillierte Informationen zur aktuellen Lage in Istanbul und anderen türkischen Städten wurden in erster Linie durch soziale Medien weiterverbreitet.

Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die Türkei zu Besonnenheit beim Einsatz der Polizei gegen Demonstranten auf. „Es ist wichtig, dass in solchen Lagen auf Deeskalation gesetzt wird“, unterstrich er am Samstag am Rande seines Staatsbesuchs in Mexiko-Stadt.

Türkei wird ihre Mitte finden

Guido Westerwelle„Die Türkei ist eine Demokratie. Auch wenn wir im Inneren das eine oder andere kritisch anzumerken haben."

Angesichts der Unruhen von einer Revolution zu sprechen, hält Westerwelle allerdings für übertrieben. Mit der Umbruchstimmung in Nordafrika und dem Arabischen Frühling lasse sich die Situation in der Türkei nicht vergleichen, sagte der Außenminister in einem N24-Interview. „Die Türkei ist eine Demokratie. Auch wenn wir im Inneren das eine oder andere kritisch anzumerken haben. Ich denke zum Beispiel auch an die religiöse Pluralität. So kann man nicht ernsthaft die Türkei vergleichen mit Ländern in der arabischen Welt, die ja Diktatoren überwunden haben“, führte der liberale Außenminister aus.

Er geht davon aus, dass die Türkei, was den Umgang mit den derzeitigen Demonstrationen und Protesten angeht, ihre Mitte finden wird. „Wir haben die Erfahrung auch in unserem eigenen Land gemacht, dass Menschenrechte, Bürgerrechte, Demonstrationsfreiheit und Meinungsfreiheit die richtigen Maßstäbe für eine gesunde Entwicklung eines Landes sind“, gab der FDP-Politiker zu bedenken.

Hintergrund

Vor einer Woche wollten türkische Demonstranten gegen die Bebauung des Istanbuler Gezi-Parks am Taksim Platz protestieren. Die Behörden reagierten auf die erst friedliche Kundgebung mit Zwangsräumungen, Polizeigewalt und Massenverhaftung. Daraufhin sind immer mehr Bürger auf die Straße gegangen, um gegen das als autoritär empfundene Vorgehen der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zu demonstrieren. Die Polizei setzte Tränengasgranaten, Wasserwerfern und körperliche Gewalt gegen die Demonstranten ein.

Nach Zahlen des türkischen Innenministeriums wurden mehr als 1700 Menschen festgenommen. Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International teilte mit, dass bei den Zusammenstößen mehr als 1000 Menschen verletzt und mindestens zwei getötet wurden.

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