22.10.2015FDPAsylpolitik

STRACK-ZIMMERMANN-Gastbeitrag: Gröhe stiehlt sich aus Verantwortung für Flüchtlinge

Berlin. Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende DR. MARIE-AGNES STRACK-ZIMMERMANN schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Der Bundestag hat das „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ auf den Weg gebracht hat. Leider erst nachdem der Druck auf die Bundesregierung ein ähnliches Ausmaß angenommen hat, wie die Anzahl der in Deutschland Zufluchtssuchenden. Inzwischen ist der Herbst da und es wird kalt draußen. Die Bundesbürger werden aufgefordert, sich rechtzeitig gegen Influenza impfen zu lassen. Prima, aber wie sieht es eigentlich mit der Vorsorge der bald eine Million Flüchtlinge aus?

Im neuen „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ stehen dazu nur ein paar dürre unverbindliche Worte. Will oder darf Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe nicht mehr zum Thema Gesundheit von Flüchtlingen sagen?

Dabei bedarf es dringend der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen. Nichts ist derzeit verbindlich geregelt, weder die gesundheitliche Erstversorgung, die Notfallversorgung noch der Infektionsschutz.

Es wird höchste Zeit, dass das Bundesgesundheitsministerium und das Robert-Koch-Institut zum Thema Infektionsschutz Stellung beziehen. Wir brauchen bundesweite Leitlinien, damit jeder Flüchtling gegen Influenza, gegebenenfalls auch gegen Hepatitis und die Kinder gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft werden. Impfungen also, die zum Standardangebot für Menschen in Deutschland gehören.

Daher benötigt jede Erstaufnahmeeinrichtung beziehungsweise jede Unterkunft, in der mehr als 200 Menschen leben, dringend eine ambulante „Gesundheitsstation“. Hier bietet sich an, existierende funktionierende Infrastrukturen wie zum Beispiel die der Bundeswehr zu nutzen.

Die Aufgabe des Ministers muss es sein, die Ärzteschaft, egal ob niedergelassene, im Öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Klinik oder bei der Bundeswehr tätig, ob Arbeitsmediziner und auch und besonders Ärzte und Ärztinnen im Ruhestand dazu aufzurufen, umgehend mitanzupacken.

Die Kommunen werden bei ihrer Aufgabenerfüllung in der Flüchtlingshilfe auch weiterhin nur sehr unzureichend von Bund und Ländern unterstützt. Ohne die inzwischen Millionen von Ehrenamtlichen wäre das Hilfssystem für Flüchtlinge in den Kommunen längst kollabiert.

Menschen aus der Nachbarschaft von Flüchtlingsunterkünften, Mitglieder von Vereinen und Kirchengemeinden packen gemeinschaftlich an und machen so Flüchtlingshilfe überhaupt erst möglich.

Gleichzeitig scheint sich in Berlin niemand der Wichtigkeit der vielen ehrenamtlichen Helfer bewusst zu sein. Diese sind nämlich nur dann versichert und genießen nur dann einen kostenlosen Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn ihr Engagement unentgeltlich und regelmäßig ausgeübt wird und von den Ländern, den Kommunen, Verbänden, Trägern oder sonstigen Vereinen organisiert wird.

Wer sich davon losgelöst engagieren will, hat Pech gehabt. Es lebe der deutsche Amtsschimmel!

Darüber hinaus, bietet sich übrigens der altersunabhängige Bundesfreiwilligendienst an. Es wäre eine logische Maßnahme, aus diesem bereits vom Staat eingeführten Dienst, dessen Helfer automatisch versichert und entsprechend abgesichert sind, auch Helferinnen und Helfer für die Flüchtlingshilfe zu werben. Gleichzeitig wäre dies eine hervorragende Vorbereitung auf eine soziale Ausbildung beziehungsweise soziale Berufe. Und für den Staat würden keine großen Mehrkosten entstehen.

Wir dürfen uns nichts vormachen. Wir leben derzeit in einer Art Ausnahmezustand. Wo bleibt die Kreativität? Deutschland braucht keine Minister Hasenfüße, sondern einen Plan, Fantasie und den Mut, endlich den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, dass wir alle gefordert sind, statt wie Bundesfinanzminister Schäuble Gelder zurückzuhalten und die Bevölkerung durch Stammtischparolen, wie sie von Bundesinnenminister de Maizière zu hören sind, zu verunsichern und so gefährlichen Fremdenhass in unserem Land zu schüren.

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