22.08.2019FDPFDP

TEUTEBERG-Interview: Wir sollten uns heute öfter an die Freude von 1989 erinnern

Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg gab der „SUPERillu“ (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Kerstin Wintermeyer. 

Frage: Frau Teuteberg, wir befinden uns an der Glienicker Brücke, einst Grenze von Ost und West. Was bedeutet Ihnen dieser Ort?

Teuteberg: Über die Glienicker Brücke zu fahren bedeutet für mich auch, nach Hause zu kommen, nach Potsdam. Ich empfinde vor allem Dankbarkeit dafür, wie schön es ist, dass wir heute in einem vereinten Land leben. In Ostdeutschland ist viel bewegt worden – mit einer viel besseren Infrastruktur und auch einer deutlich intakteren Umwelt. Auf dieser Brücke finden keine Agentenaustausche mehr statt, in Berlin-Brandenburg kann man sich frei bewegen und gut leben. Hier an der Havel sieht man vieles von dem, was Potsdam und Brandenburg ausmacht: Wasser, die Schlösser, die Kulturlandschaft. Es ist ein sehr schönes Land und meine Heimat.

Frage: Wie hat Ihre Kindheit in der DDR und der Wendezeit Sie geprägt?

Teuteberg: Weil eine Diktatur stärker in das Alltagsleben der Menschen eingreift, bekam ich als Kind von der DDR vergleichsweise viel mit. Meine Eltern sind nicht in die SED eingetreten, waren systemkritisch eingestellt, auch wenn sie nicht offen gegen das SED-Regime opponiert haben. Meine Mutter hat mehrfach, auch noch als Lehrerin, Ärger bekommen, etwa als sie im November 1988 gegen das Verbot der deutschen Ausgabe des „Sputnik“ in der DDR demonstrierte. Das ist in den Stasiakten nachzulesen. Ich wusste, dass es besser ist, in der Schule nicht mit anderen darüber zu reden, dass ich zur Christenlehre gehe. Ich empfand es als ungerecht, dass unsere Verwandten aus Bochum (NRW) uns besuchen und frei reisen konnten, wir aber nicht zu ihnen durften. Hätte die DDR noch länger bestanden, hätte ich mit ziemlicher Sicherheit Probleme bekommen und Einschränkungen erfahren. Aus dieser Zeit weiß ich, dass Freiheit nie selbstverständlich ist und man etwas dafür tun muss. Unsere erkämpfte Meinungsfreiheit ist ein großes Glück. Das bestimmt auch mein politisches Handeln.

Frage: Wie haben Sie die Wendezeit erlebt?

Teuteberg: Alles war in Bewegung, alle waren bewegt. Es gab diese überschwängliche, herzliche Stimmung. Als meine Eltern am 10. November 1989 mit meinem jüngeren Bruder und mir im Trabi über den Grenzübergang bei Schönefeld nach Westberlin gefahren sind, hat meine Mutter vor Freude geweint. An diese Freude, die damals überall herrschte, sollten wir uns öfter erinnern. Sie fehlt mir heute oft in den Debatten.

Frage: Was ist für Sie „typisch ostdeutsch“?

Teuteberg: Ostdeutsche sind genauso vielfältig wie die Menschen in anderen Regionen. Aber sie verbindet besonders die Erfahrung, sehr tief greifende Veränderungen in kurzer Zeit erlebt zu haben. Ostdeutsche haben gelernt, dass es gut ist, in schwierigen Situationen beharrlich und optimistisch zu sein, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen. Der Westen kann hier vom Osten lernen.

Frage: In Sachsen, Brandenburg und Thüringen, wo demnächst gewählt wird, schrammt die FDP an der 5-Prozent-Hürde entlang…

Teuteberg: Ich bin zuversichtlich, dass wir es in allen drei Ländern schaffen, ins Parlament einzuziehen. Gerade in Ostdeutschland sind viele Menschen sensibel gegenüber Einschränkungen ihrer Bürgerrechte, gegen eine Überwachung oder auch Bevormundung durch den Staat. Gleichzeitig haben die Bürger eine klare Erwartungshaltung: Der Staat muss seine Kernaufgaben erfüllen – geltendes Recht konsequent durchsetzen, Einwanderung wirksam steuern, Schulunterricht gewährleisten und eine funktionierende Infrastruktur bereitstellen. Genau dafür stehen wir Freie Demokraten.

Frage: Könnten Sie sich vorstellen, dass die FDP ein Teil einer Koalition wird, der auch die AfD angehört?

Teuteberg: Koalitionen mit der AfD schließen wir aus. Gegen den Frust, der die AfD stärker macht, hilft auch eine Politik, die zeigt, dass der Staat funktionstüchtig ist. Rechtsstaatliche Konsequenz ist dabei genau zu unterscheiden von rechter Stimmungsmache. Es ist mehr als absurd, wenn ausgerechnet die AfD sich nun als Erbe der Montagsdemonstranten von 1989 ausgibt. Genauso absurd, wie wenn aktuell ausgerechnet die Linke gemeinsam mit der AfD versucht, die Arbeit der Treuhand für alle Defizite aus 40 Jahren SED-Planwirtschaft verantwortlich zu machen. Dabei wissen gerade wir Ostdeutschen, wie wichtig die richtigen Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg sind: Auch hervorragende Facharbeiter und Ingenieure mit Kompetenz und Fleiß haben unter Mangelwirtschaft und Abschottung vom Weltmarkt nicht den Wohlstand erreichen können, den sie verdient hätten. Mit beiden Parteien gibt es für uns keine Koalitionen.

Frage: Der geplante Braunkohleausstieg trifft vor allem die Reviere in der Lausitz und in Mitteldeutschland hart…

Teuteberg: Damit die Reviere echte Chancen haben, diesen gravierenden Umbruch zu stemmen, brauchen sie selbsttragende Arbeitsplätze statt kurzsichtiger Subventionen. Natürlich ist es nicht falsch, dort zusätzliche Behörden anzusiedeln. Aber das ersetzt eben nicht wirkliche Wertschöpfung mit attraktiven Arbeitsplätzen in Industrie, Zuliefererunternehmen usw. Die Konzepte von Bund und Landesregierungen können keinen ausreichenden Ersatz für die Arbeitsplätze bieten, die dort auf der Kippe stehen. Auch wenn das Ziel, hier etwas für den Klimaschutz zu tun, wichtig ist, dürfen wir die Kosten nicht aus dem Auge verlieren. Klimaschutz muss so ausgestaltet werden, dass die Veränderungen auch soziale Akzeptanz finden und nicht die Grundlage unserer wirtschaftlichen Stärke zerstören. Um die Pariser Klimaziele in Deutschland zu erreichen, setzen wir auf den Ausbau neuer technischer Lösungen statt auf immer neue Symboldebatten von Fleischverbot bis Flugscham.

Frage: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) verspricht, dass der „Soli“ demnächst für einen Großteil aller Steuerzahler wegfällt. Was halten Sie davon?

Teuteberg: Ab 2020 ist der „Soli“ für alle verfassungswidrig. Also muss er auch für alle wegfallen. Wenn er nicht komplett abgeschafft wird, werden wir dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Gerade für Ostdeutschland wäre es übrigens schädlich, wenn kleine Unternehmen hierzulande weiter den Soli zahlen müssen, obwohl wir keine zusätzlichen Investitionen mehr aus dem auslaufenden Solidarpakt erhalten. Das wäre auch eine Steuererhöhung durch die Hintertür.

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