17.03.2016FDPFDP

THEURER-Interview: Ein Politikwechsel geht mit einer grün-geführten Ampel nicht

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied MICHAEL THEURER gab der „Südwest Presse“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte VINCENT MEISSNER:

Frage: Herr Theurer, hat die FDP keine Lust zu regieren?

THEURER: Doch. Wir sind bereit, Regierungs-Verantwortung zu übernehmen, wenn es uns gelingt, unsere Inhalte umzusetzen. Aber uns geht es um Inhalte, nicht um Ministerposten.

Frage: Und warum schließen Sie eine Koalition mit den Grünen dann kategorisch aus? Ohne Sondierungs-Gespräche können Sie kaum rausfinden, wo es inhaltliche Überschneidungen geben könnte.

THEURER: Wir nehmen die Einladung der Grünen zu Sondierungs-Gesprächen nicht an, weil wir im Vorfeld der Wahl beschlossen haben, dass wir uns eine grün-geführte Ampel-Koalition nicht vorstellen können. Wir haben gerade erst wieder das Vertrauen der Wähler zurückgewonnen. Aber wir führen am Freitag mit den Grünen ebenso Gespräche zur Lage des Landes wie mit der CDU und der SPD. Die Lage ist einfach so, dass die Wählerinnen und Wähler die von den Parteien angestrebten Wunschkonstellationen nicht ermöglicht haben. Nun müssen sich alle Parteien bewegen und die spannende Frage ist, wie viel Bewegungs-Spielraum hat man, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Frage: Sie sagen, dass es Ihnen um Inhalte geht. Könne Sie die nicht besser in der Regierung einbringen?

THEURER: Es ist richtig, dass man Inhalte in der Regierung besser umsetzen kann. Und wir sind auch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Aber eben nicht um jeden Preis. Mit der CDU gibt es größere Übereinstimmung. Für eine grün-rot-gelbe Landesregierung habe ich kein Mandat.

Frage: Gewähren Sie uns bitte einen Einblick in die Beratungen im Landesvorstand Anfang der Woche. Wie kam es dazu, dass sich das Gremium so klar gegen eine Zusammenarbeit mit den Grünen und der SPD ausgesprochen hat?

THEURER: Wir haben immer gesagt, wir streben einen Politikwechsel an. Und das geht unserer Meinung nach nicht mit einer grün-geführten Ampel-Koalition. Im Übrigen liegt in Sachen Regierungsbildung der Ball ja auch nicht bei uns, sondern bei den Grünen.

Frage: Es gab eine Gegenstimme und eine Enthaltung gegen den Beschluss. Wer von den 44 Landesvorstands-Mitgliedern war da nicht auf Linie?

THEURER: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es war schließlich eine nicht-öffentliche Sitzung. Nur so viel: Ich war’s jedenfalls nicht.

Frage: Das kann verwundern. Schließlich hatten Sie sich am Sonntagabend direkt nach der Wahl und am Montag offener für Sondierungs-Gespräche mit den Grünen gezeigt als andere FDP-Politiker. Woran lag’s, dass sie überstimmt wurden?

THEURER: Das ist eine Fehleinschätzung ihrerseits, beziehungsweise eine öffentliche Fehlwahrnehmung. Die Position, die ich immer vertreten habe, vertrete ich weiterhin. Deshalb wurde ich auch nicht überstimmt. Wir haben beim Parteitag im Februar in Pforzheim beschlossen, dass wir uns eine grün-geführte Ampelkoalition nicht vorstellen können. Aber ich sage auch, alle Parteien müssen gesprächsbereit sein. Und deshalb haben wir am Freitag eine Aussprache mit allen Parteien des demokratischen Verfassungsbogens, das heißt, allen, außer der AfD.

Frage: Ist es nicht ein Widerspruch, dass sie einerseits Sondierungs-Gespräche ablehnen, sich dann aber trotzdem zu Gesprächen treffen?

THEURER: Nein, ist es nicht. In unsere Vorstands-Sitzung hinein kam der Beschluss des SPD-Landesvorstands, der eine CDU-SPD-FDP-Koalition ausschließt. Das hat dann auch gruppendynamische Prozesse bei uns ausgelöst. Da hat also die SPD ein gerüttelt Maß an Verantwortung und macht sich unglaubwürdig. Denn auf Landesebene umwirbt die SPD die FDP für eine Ampel-Koalition mit den Grünen, schließt aber kategorisch die Zusammenarbeit mit der CDU aus, mit der sie auf Bundesebene koaliert. Das passt für mich nicht zusammen.

Frage: Machen Sie es sich da nicht etwas zu einfach, wenn Sie die Schuld einfach auf die SPD abwälzen?

THEURER: Es geht nicht darum, Schuld abzuwälzen. Aber wenn, dann müssen Sie dieselben Maßstäbe bei der SPD ansetzen wie bei der FDP. Wir haben betont, dass wir zu Gesprächen bereit sind. Deshalb gibt es auch eine Aussprache über die Lage des Landes. Und wir sind offen für eine Koalition mit der CDU und der SPD. Und Sie wissen, dass die Unterschiede zwischen FDP und SPD ja nicht klein sind, etwa was unsere Forderung nach Abschaffung der Mindestlohn-Bürokratie angeht. Und falls diese Option wegfällt, dann bleiben wir eben in der Opposition.

Frage: Wie stehen Sie zu Ministerpräsident Winfried Kretschmann?

THEURER: Ich kenne den Ministerpräsidenten seit vielen Jahren und wir haben ein gutes, persönliches Verhältnis. Er hat mich auch angerufen nach der Wahl und wir haben uns ausgetauscht.

Frage: Eine CDU-SPD-FDP-Koalition würde bedeuten, dass der beim Volk beliebte Ministerpräsident aus dem Amt gedrängt würde. Halten Sie das für richtig?

THEURER: Richtig ist, dass Ministerpräsident Kretschmann hohes persönliches Ansehen genießt. Aber Regierungschefs werden bei uns – anders als etwa in den USA – nicht direkt vom Volk gewählt. Und wenn er mit dem Auftrag der Regierungsbildung scheitert und auch keine andere Regierungsmehrheit zustande kommt, dann gibt es am Ende Neuwahlen.

Frage: Wie problematisch wäre das? Gerade vor dem Hintergrund, dass die ohnehin schon große Politik-Verdrossenheit – siehe die AfD-Wähler – dadurch noch größer werden könnte?

THEURER: Das ist in der Verfassung so vorgesehen. Wir streben das jedoch nicht an und hoffen, dass das vermeidbar ist. In einer Demokratie haben die Parteien die Pflicht, für eine stabile Regierung zu sorgen. Ich rechne da aktuell mit einem langwierigen Prozess. Das Wichtigste in einer Demokratie ist doch, dass man miteinander spricht.

Frage: Worum wird es in den Gesprächen mit den Parteien gehen?

THEURER: Um unsere Vorschläge für den Politikwechsel, das heißt Entlastung der mittelständischen Wirtschaft, Bildung, Infrastruktur. Über zukünftige Landespolitik und die Zusammenarbeit im Landtag, auch den Umgang mit der AfD. Und vielleicht gibt es im persönlichen Gespräch mit dem Ministerpräsidenten auch Argumente, die wir bislang noch nicht kennen.

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