28.09.2006FDP-FraktionInnenpolitik

VAN ESSEN: Telefonüberwachung hat laut Bundesjustizministerium noch einmal zugenommen

BERLIN. Auf die Beantwortung seiner Anfrage zum Ausmaß der Telefonüberwachung in Deutschland hin erklärt der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Jörg VAN ESSEN:

Das Bundesministerium der Justiz hat mir auf meine Anfrage die aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2005 zur Telefonüberwachung in Deutschland mitgeteilt. Danach sind in den Bundesländern und im Geschäftsbereich des Generalbundesanwalts im vergangenen Jahr in 4925 Verfahren Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden. Dies bedeutet gegenüber den 4712 Verfahren aus 2004 zwar einen geringeren Anstieg als in den Jahren zuvor, aber erneut eine Zunahme um 4,52 Prozent. Der erneute Anstieg der Telefonüberwachungen ist besorgniserregend. Insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Bundesländern sind erklärungsbedürftig. Ich fordere im besonderen die Landtage von Bayern und Saarland auf, sich mit der speziellen Entwicklung in ihren Ländern zu befassen und Folgerungen aus der Entwicklung zu ziehen.
Besonders erschreckend ist die Entwicklung im Saarland. Dort hat sich die Anzahl der Verfahren fast verdoppelt (59 Verfahren in 2004 gegenüber 116 Verfahren in 2005). Deutliche Anstiege in den Verfahrenszahlen verzeichnen unter anderem auch Thüringen mit einer Zunahme um etwa 36 Prozent (65 Verfahren in 2004 gegenüber 89 Verfahren in 2005), Hamburg mit einer Zunahme um fast 31 Prozent (133 Verfahren in 2004 gegenüber 174 Verfahren in 2005), Rheinland-Pfalz mit einer Zunahme von etwa 28 Prozent (215 Verfahren in 2004 gegenüber 276 Verfahren in 2005), Mecklenburg-Vorpommern mit einer Zunahme von etwa 27 Prozent (121 Verfahren in 2004 gegenüber 154 Verfahren in 2005) und Schleswig-Holstein mit einer Zunahme von rund 24 Prozent (121 Verfahren in 2004 gegenüber 150 Verfahren in 2005).
Erfreulich ist dagegen die Abnahme der Verfahren in den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bremen sowie nicht zuletzt im Geschäftsbereich des Generalbundesanwalts.
Erklärungsbedürftig ist die außergewöhnlich hohe Zahl der Telefonüberwachungen bei Straftaten gegen die Landesverteidigung in Bayern. Im Zusammenhang mit diesem Straftatbestand gab es 2005 im Freistaat Bayern 24 Verfahren, während es in den anderen Bundesländern und dem Geschäftsbereich des Generalbundesanwalts nur ein einziges weiteres Verfahren, und zwar in NRW, gab. Dies überrascht vor allem deshalb, da diese Katalogstraftat in den vergangen Jahren nur sehr selten als Grund für Telefonüberwachungen angeben wurde.
In den mir übermittelten Statistiken wird auch die Anzahl der Betroffenen im Sinne des § 100 a Satz 2 StPO (Beschuldigte, Nachrichtenermittler, Inhaber der vom Beschuldigten genutzten Anschlüsse) erfasst, gegen die sich Überwachungsanordnungen richteten. Dies waren insgesamt 12606 im Jahr 2005 gegenüber 11857 Betroffenen im Vorjahr und damit eine Zunahme von über sechs Prozent.
Die FDP-Bundestagsfraktion fordert bereits seit Jahren eine umfassende Überprüfung der Rechtsgrundlagen für die Telefonüberwachung und des umfangreichen Straftatenkatalogs in der Strafprozessordnung. Strengere Maßstäbe sind auch notwendig bei der Benachrichtigungspflicht an die Betroffenen. Die FDP fordert auch seit langen mehr Transparenz und eine verstärkte parlamentarische Kontrolle bei den Telefonüberwachungen. Dringend notwendig ist außerdem ein jährlicher Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag, aus dem sich detaillierte Angaben zu den Telefonüberwachungsanordnungen ergeben.

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