31.08.2006FDP

WESTERWELLE-Interview für die "Bunte"

Berlin. Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Bunte" (Donnerstag Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte KERSTIN JÄCKEL:

Frage: Herr Westerwelle, Bundeskanzlerin Merkel hat in der vergangenen Woche die Arbeit ihres Vorgängers Schröder gelobt. Seine Maßnahmen würden Wirkung zeigen ...

WESTERWELLE: Es wundert mich schon, wenn die Kanzlerin jetzt jenen Gerhard Schröder lobt, dessen Politik sie im Wahlkampf 2005 noch als schlecht bezeichnet hat. Soweit ich mich erinnere, wollte sie ihn damals ablösen, um eine bessere Politik zu machen.

Frage: Aber wir können mit zwei Prozent Wirtschaftswachstum rechnen.

WESTERWELLE: Wir haben die Chance auf einen echten Aufschwung, auch dank der tollen Fußball-WM. Um so schlimmer, daß Schwarz-Rot diese Chance nicht nutzt. Statt dessen wird der Klinsmann-Boom schon wieder abgewürgt, wenn 2007 die größte Mehrbelastung aller Zeiten auf die Bürger zukommt.

Frage: Welche Mehrbelastung?

WESTERWELLE: Da sind neben der drastischen Erhöhung der Mehrwertsteuer auch die höhere Versicherungssteuer, die steigenden Beiträge für Gesundheit und Rente und die Kürzungen bei Pendlerpauschale und Sparerfreibetrag. Eine vierköpfige Familie mit 40.000 Euro Jahreseinkommen kommt so auf fast 2000 Euro Mehrbelastung im Jahr. Das ist genau das Geld, das Familien bisher gerade noch für ihre Altersvorsorge oder für den Urlaub zurücklegen können.

Frage: Sie schließen sich also der Forderung des SPD-Finanzministers Steinbrück an, auf Urlaub zu verzichten, um mehr Geld für die private Vorsorge zu haben?

WESTERWELLE: Mit Sicherheit nicht! Dieser Vorschlag ist dreist. Zumal von einem Politiker, der selbst keinen Cent für seine Altersvorsorge zurücklegen muß! Herr Steinbrück sollte bedenken, daß der Staat die Bürger steuerlich entlasten muß, eben weil mehr private Altersvorsorge von jedem Einzelnen erwartet wird. Vielen Familien steht das Wasser doch längst bis Oberkante Unterlippe.

Frage: Sollte die Erhöhung der Mehrwertsteuer ausgesetzt werden?

WESTERWELLE: Eine Aussetzung wäre das Mindeste. Mutiger wäre es, sie ganz zurück zu nehmen. Die sprudelnden Steuereinnahmen zeigen, daß diese Erhöhung für den Haushalt gar nicht notwendig ist. Ökonomisch ist sie sowieso Unsinn, weil sie Arbeitsplätze kostet. Natürlich kaufen die Menschen in den nächsten Monaten noch schnell, was ab Januar teurer wird. Aber dann ...

Frage: Trotzdem geht kein Aufschrei durch die Bevölkerung.

WESTERWELLE: Daß Schwarz-Rot den Bruch aller Wahlversprechen in die WM-Zeit gepackt hat, in der so eine schöne Stimmung im Land herrschte, wird Union und SPD nicht vor den Reaktionen ihrer Wähler schützen. Die werden 2007 erleben, wie viel weniger ihnen im Portmonee verbleibt.

Frage: Immerhin soll es keine weiteren Steuererhöhungen zur Finanzierung der Gesundheitsreform geben.

WESTERWELLE: Dabei ist ein Zusatz interessant. Bis 2009, ganz nebenbei das Jahr der regulären nächsten Bundestagswahl, soll es keine Steuererhöhungen dafür geben. Das ist für mich kein Trost, sondern die Ankündigung einer neuerlichen Steuererhöhung 2009, wenn Schwarz-Rot wieder dran käme. Außerdem würde ich das Gesundheitsgemurkse nicht als Reform bezeichnen. Solange nicht jeder Arbeitnehmer zu einer privaten Krankenversicherung wechseln kann, falls er will, und wir echten Wettbewerb haben, kann ich keine Reform erkennen.

Frage: Werden auch die Kinder von Privatversicherten nun kostenlos mitversichert?

WESTERWELLE: Bislang nein. Ich zweifle jedoch daran, daß dies bei einer Verfassungsklage Bestand haben wird. Denn nach dem Grundgesetz müßte dem Staat doch jedes Kind gleich viel wert sein.

Frage: Der Richtungsstreit innerhalb der Koalition - und in der Union. Anfang vom Ende?

WESTERWELLE: Union und SPD wissen beide nicht, wohin sie steuern sollen. Mittlerweile denke ich, daß diese Koalition vor dem nächsten regulären Wahltermin im Herbst 2009 auseinander bricht.

Frage: Könnte es bei einer neuen Regierung dann doch zur Jamaika-Koalition aus Schwarz-Gelb-Grün kommen? Oder sogar zur Ampel aus Rot-Gelb-Grün?

WESTERWELLE: Scheitert Schwarz-Rot, dann bin ich eindeutig für Neuwahlen. Dann soll der Bürger entscheiden. Sollte es aus verfassungsrechtlichen Gründen dazu nicht kommen, müßte man sondieren, ob sich eine andere Mehrheit im Bundestag finden läßt. Dazu bin ich bereit. Jamaika ist 2005 an den Grünen und der CSU gescheitert. Man müßte prüfen, ob sich da etwas geändert hat. Eine Ampel kann ich nach gegenwärtigem Stand ausschließen.

Frage: Sie sind zur Zeit begeisterter Zuschauer der Reitsport-WM in Aachen...

WESTERWELLE: Ja, ich will schließlich sehen, wie es ist, wenn Deutschland tatsächlich Weltmeister wird! Und ich drücke Freunden von mir, wie der Dressurreiterin Nadine Capellmann oder dem Springreiter Ludger Beerbaum, kräftig die Daumen.

Frage: Die WM wird von Ihrem Lebensgefährten Michael Mronz organisiert. Wie unterstützen Sie ihn dabei?

WESTERWELLE: Einfach da sein. Ansonsten halte ich mich mit Vorschlägen zurück. Er versteht von seiner Arbeit viel mehr als ich, und er hat ein super Team hinter sich. Und wenn er nach der WM Erholung braucht, schmeiße ich gern für ihn und unsere Freunde den Grill an.

Frage: Was grillen Sie?

WESTERWELLE: Da bin ich ganz bodenständig: Würstchen. Mit Senf und Ketchup. Im Rheinland würde man sagen: Da könnt ich mich reinsetzen!

Frage: Apropos Rheinland - sind Sie und Ihr Lebensgefährte schon umgezogen?

WESTERWELLE: Nein, wir pendeln zwischen dem Rheinland und Berlin, schließlich bleibt Bonn meine Heimat.

Frage: Heirat?

WESTERWELLE: Sie wissen doch, daß ich Privates nicht ausplaudere.

Frage: Aber ich frage trotzdem.

WESTERWELLE: Das dürfen Sie gerne. Sollte ich etwas mitzuteilen haben, melde ich mich gern bei Ihnen.

Frage: Versprochen?

WESTERWELLE: Hand drauf! Und im Gegensatz zu Union und SPD halte ich meine Versprechen.

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