WESTERWELLE-Interview für die "Freie Presse Chemnitz"
Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der Zeitung "Freie Presse Chemnitz" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Torsten Kleditzsch:
Frage: Das Allensbach-Institut lieferte in dieser Woche sozusagen den wissenschaftlichen Beweis: Der Wahlkampf ist langweilig. Ist das für die FDP ein Problem?
WESTERWELLE: Unsere Wahlergebnisse sind gut, die Umfragen grandios, der Zulauf bei unseren Veranstaltungen noch besser. Das liegt daran: Die FDP ist klar. Bei uns weiß man, woran man ist. Wir sind geschlossen. Wir sind glaubwürdig, weil wir beim letzten Mal bewiesen haben, dass wir Wort halten.
Frage: Herr Westerwelle, das Allensbach-Institut lieferte in dieser Woche sozusagen den wissenschaftlichen Beweis: Der Wahlkampf ist langweilig. Ist das für die FDP ein Problem?
WESTERWELLE: Unsere Wahlergebnisse sind gut, die Umfragen grandios, der Zulauf bei unseren Veranstaltungen noch besser. Das liegt daran: Die FDP ist klar. Bei uns weiß man, woran man ist. Wir sind geschlossen. Wir sind glaubwürdig, weil wir beim letzten Mal bewiesen haben, dass wir Wort halten.
Frage: Weiß man auch bei Ihrem potenziellen Koalitionspartner, der Union, woran man ist?
WESTERWELLE: Zu viele in der Union setzen insgeheim auf die Fortsetzung der so genannten Großen Koalition. Wir als FDP wollen die schwarz-rote Koalition beenden, eine Linksregierung verhindern und dafür sorgen, dass mit einer bürgerlichen Mehrheit aus Union und FDP eine Regierung der Mitte gebildet wird.
Frage: Verändert der Nato-Luftangriff in Afghanistan, bei dem offenbar auch mehrere Zivilisten ums Leben gekommen sind, den Wahlkampf?
WESTERWELLE: Die Informationspolitik der Bundesregierung war verheerend. Deswegen war es richtig, dass die Bundeskanzlerin eine Regierungserklärung abgegeben hat. Ich begrüße, dass alle staatstragenden Parteien - Union, SPD und FDP - nicht den leichten Weg im Wahlkampf gehen, sondern dass wir alle gemeinsam sagen: Wir wollen so schnell wie möglich raus aus Afghanistan, aber wir wollen es nicht überstürzt und kopflos tun. Denn das einzige Ergebnis wäre, dass am Tag danach Afghanistan wieder zum Organisations- und Aufmarschgebiet für Terroristen aus aller Welt würde. Das würde auch die Anschlaggefahr hier in Deutschland vergrößern.
Frage: Kann man einen Kampfeinsatz wie in Afghanistan führen, ohne schuldig zu werden?
WESTERWELLE: Was den konkreten Luftangriff in Kundus angeht, weiß zur jetzigen Stunde keiner, ob das, was wir bislang erfahren haben, alles so stimmt. Deswegen war es falsch, dass der Verteidigungsminister so getan hat, als lägen alle Fakten schon vor. Und deshalb war es richtig, dass ihn die Kanzlerin in ihrer Regierungserklärung diesbezüglich korrigiert hat.
Frage: Und über den konkreten Fall hinaus?
WESTERWELLE: Generell kann ich Ihnen versichern, dass man als Abgeordneter an einer Entscheidung für einen solchen Kampfeinsatz schwer trägt. Keiner schickt Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr leichten Herzens in Auslandseinsätze. Und jeder, der eine solche Entscheidung trifft, hat mehr als eine schlaflose Nacht deswegen.
Frage: Was hat die Große Koalition aus Ihrer Sicht gut, was hat sie schlecht gemacht?
WESTERWELLE: Sie hat es gut gemacht, das Verhältnis zu den USA bereits zu Bush-Zeiten wieder einigermaßen ins Lot zu bringen. Und die Regierung Merkel/Steinmeier hat gegenüber Russland in der Frage der Menschenrechte wieder den aufrechten Gang eingenommen. Die Innenpolitik hat hingegen eine erschreckend schlechte Bilanz. Das, was von dieser Regierung bleibt, sind Schuldenrekord, Steuererhöhungen wie nie zuvor, Planwirtschaft im Gesundheitswesen sowie eine weitere Zerfledderung und Verschlechterung der Bildungslandschaft. Das waren vier verlorene Jahre.
Frage: Innenpolitisch gar keine Erfolge? Noch nicht einmal Opel, nachdem es nun doch mit Magna klappt?
WESTERWELLE: Ich rate von vorschnellem Jubel ab. Wie immer sind es die vertraglichen Details und die Bedingungen, um die es jetzt gehen wird. Ich hoffe darauf, dass die Opel-Beschäftigten eine sichere Zukunft haben. Dass die Arbeiter jetzt erstmal vorsichtig abwarten, was tatsächlich herauskommt, kann ich gut verstehen. Die Bundesregierung hat sehr früh auf nur einen Bieter gesetzt - das hat ihre Verhandlungsposition nicht gestärkt.
Frage: Wenn Sie nach der Wahl die in der Finanzkrise leer geräumte Staatskasse erben sollten
WESTERWELLE: Nicht wir als Partei oder Regierung erben sie - wir Deutschen erben sie. Politiker sind nur die Treuhänder von Steuergeldern, nicht die Eigentümer.
Frage: Wenn Sie mit dieser leeren Staatskasse arbeiten müssen, wann sind Sie dann in der Lage, Ihre grundlegende Steuerreform mit Stufentarif umzusetzen?
WESTERWELLE: Es ist eine Fehleinschätzung, dass faire Steuern die Staatseinnahmen verschlechtern. Im Gegenteil: Faire Steuern sind die Voraussetzung für gesunde Staatsfinanzen. Weil es nur so Wachstum, Arbeit und neue Steuerzahler gibt.
Frage: Zwischen dem mit der Reform verbundenen Steuerausfall und den erwarteten Mehreinnahmen vergeht Zeit. Wie wollen Sie die überbrücken?
WESTERWELLE: Erstens haben wir bereits 400 Vorschläge gemacht, wo Ausgaben gekürzt werden können. Das reicht von einer höheren Effizienz in der Verwaltung bis hin zu solch absurden Posten wie die über 500 Millionen Euro Entwicklungshilfe, die in den letzten fünf Jahren an China geflossen sind. Zweitens ist Mitte der 80er Jahre schon einmal bewiesen worden, dass eine mutige Steuerpolitik nicht irgendwann später, sondern direkt die Staatseinnahmen verbessert. Damals wurden die Steuern um 60 Milliarden Mark gesenkt. Im darauf folgenden Jahr stiegen die Einnahmen um 100 Milliarden Mark.
Frage: Ist die Steuerreform ein Knackpunkt für die Koalitionsgespräche?
WESTERWELLE: Ohne ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem unterzeichne ich keinen Koalitionsvertrag.
Frage: Angenommen Sie kommen in die Regierung. Was wollen Sie gleich zu Beginn tun, um zu zeigen, dass Sie es besser können als die alte?
WESTERWELLE: Es wird als Wohltat von weiten Teilen der Bevölkerung angenommen, wenn wir endlich die Familien fair behandeln, wenn wir die kalte Progression im Steuerrecht anpacken, die bei jeder Gehaltserhöhung zu viel wieder auffrisst. Wenn wir dafür sorgen, dass die Familienbetriebe und der Mittelstand ein Erbschaftssteuerrecht bekommen, das sie nicht ruiniert. Und wenn wir aus diesem bürokratischen Monstrum genannt Gesundheitsfonds wieder aussteigen. Zudem muss gleich im Bundeshaushalt 2010 ablesbar sein, dass Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung wieder auf Platz eins der Prioritätenliste stehen.
Frage: Letzteres sagen fast alle Parteien.
WESTERWELLE: Aber die anderen haben das Geld verpulvert. Ein Beispiel: Für die fünf Milliarden Euro, die die Abwrackprämie gekostet hat, hätten wir 25 Jahre lang das perfekte elterneinkommensunabhängige Stipendienprogramm für Deutschland finanzieren können.
Frage: Was passiert, wenn es für Schwarz-Gelb im Bund wieder nicht reicht?
WESTERWELLE: Wenn es keine Mehrheit für Schwarz-Gelb gäbe, dann hätten wir wieder eine Mehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei. Vielleicht gibt es noch einmal eine Übergangsfrist von einem Jahr schwarz-roter Koalition bis nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl. Dann werden wir erleben, dass der Generationenwechsel in der SPD stattfindet und anschließend eine Linksregierung gebildet wird.