07.05.2006FDP

WESTERWELLE-Interview für die "SuperIllu"

Berlin. Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "SuperIllu" (Ausgabe der kommenden Woche) das folgende Interview. Die Fragen stellte DIRK BALLER.

Frage: Der einstige Spaß-Politiker WESTERWELLE ist nun wichtigster Oppositionsführer im großkoalitionären Deutschland. Drückt die Last der Verantwortung?

WESTERWELLE: Dieses Klischee ist nicht mehr spaßig, sondern nur noch albern. Die Ziele der FDP und meiner Person waren jederzeit unverändert ernst. Daß ich als rheinischer Liberaler mit Fröhlichkeit meine Arbeit verrichte, will ich nicht verschweigen.

Frage: Es ist jedenfalls mehr Arbeit geworden, seit Sie zusätzlich zum Parteivorsitz auch noch den Fraktionsvorsitz von WOLFGANG GERHARDT übernommen haben…

WESTERWELLE: Ich habe eine gehörige Portion Respekt vor der Aufgabe, die stärkste Oppositionsfraktion im Bundestag anzuführen. Anders als in der vorigen Legislaturperiode droht jetzt nicht mehr der Schatten einer größeren Oppositionsfraktion, sondern wir müssen so gut arbeiten, daß wir selber Schatten werfen.

Frage: Wie wollen Sie das erreichen, was wird sich unter dem Fraktionschef WESTERWELLE ändern?

WESTERWELLE: Wir werden unsere Stärken ausbauen. Dazu zählt eine Wirtschaftspolitik, die konsequent auf den Mittelstand setzt und damit Arbeitsplätze schafft, dazu zählt das große Thema der Bürgerrechte genauso wie die Bildungspolitik und eine verläßliche Außenpolitik. Aber wir werden auch auf anderen Feldern unsere Kompetenz verbreitern, etwa in der Kulturpolitik. Und wir werden zeigen - auch auf unserem Parteitag am kommenden Wochenende in Rostock - daß man Umweltschutz intelligenter gestalten kann, als Herr TRITTIN das getan hat. Wir wollen ökologische Marktwirtschaft statt bürokratischer Staatswirtschaft. Eine Umweltpolitik der besten ökologischen Ergebnisse ist besser als eine Umweltpolitik der besten ökologischen Absichten.

Frage: Bitte etwas konkreter!

WESTERWELLE: Wir wollen die Umwelt- und Energiepolitik entideologisieren. Bisher war es doch so: Wer auf regenerative Energien setzt, war reflexhaft gegen Kernkraft - und umgekehrt. Dabei sind beide Extrempositionen Unfug. Wir werben für einen rationalen Energiemix, der den Bedarf einer hoffentlich wieder wachsenden Volkswirtschaft decken kann. Die ideologische Verteufelung einer bestimmten Energiegewinnungsform, die von Rot-Grün mit dem Atomausstiegsbeschluß begonnen wurde und von Schwarz-Rot fortgesetzt wird, können wir uns nicht leisten. Was macht es für einen Sinn, in Deutschland die sichersten Atomkraftwerke der Welt vor der Zeit abzuschalten, nur um am nächsten Tag den Strom aus sehr viel unsichereren und klimaschädlicheren Kraftwerken im Ausland zu importieren?

Frage: Müßte man da nicht konsequenterweise sogar neue Kernkraftwerke bauen?

WESTERWELLE: Ich kenne keinen Energieversorger in Deutschland, der Pläne für den Neubau von Kernkraftwerken hegt. Allerdings muß ich zur Kenntnis nehmen, daß sich weltweit 120 neue Kernkraftwerke in Planung oder im Bau befinden - `das größte zivile Investitionsprogramm der Menschheit´, wurde dies genannt. Statt bei uns die Kernkraft abzuwickeln, wäre es klüger, unsere Spitzentechnologie auf diesem Feld zu bewahren und weiterzuentwickeln - auch, um Exportchancen zu nutzen.

Frage: Sie sind 2005 zusammen mit ANGELA MERKEL angetreten, Deutschland zu reformieren. Sind Sie nun enttäuscht von Ihr?

WESTERWELLE: Wir sind uns weiterhin persönlich verbunden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß ich an der Bundeskanzlerin jene ANGELA MERKEL vermisse, mit der ich gemeinsam bis zur Bundestagswahl für den Politikwechsel gestritten habe. Statt Steuersenkung und Steuervereinfachung kommt nun die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Republik. Und statt endlich eine Strukturreform im Gesundheitswesen vorzulegen, redet die sogenannte Große Koalition über den Gesundheits-Soli. Ich frage mich, was als nächstes kommt - der Pflege-Soli, der Renten-Soli? So hell, wie die Kanzlerin im Ausland strahlt, soviel Schatten wirft Schwarz-Rot auf die wirtschaftliche Entwicklung im Inland.

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