WESTERWELLE-Interview für "gastgewerbe - Magazin"
Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "gastgewerbe - Magazin" (Juni-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte HOLGER BERNERT:
Frage: Die FDP steht konsequent hinter den Forderungen des DEHOGA Bundesverbandes nach einer Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für das Gastgewerbe. Warum unterstützen Sie die Wirte und Hoteliers in Deutschland?
WESTERWELLE: Wir Liberale stehen für fairen Wettbewerb, deshalb darf es keine Benachteiligung gegenüber ausländischen Konkurrenten geben. Finanzminister Steinbrück hat in Brüssel den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Hotellerie und Gastronomie unterstützt, verwehrt ihn aber im eigenen Land. Das ist ungerecht und gefährlich für tausende kleinere und mittelständische Betriebe nicht nur in grenznahen Gegenden. Schwarz-Rot glaubt noch immer, dass hohe Steuern hohe Staatseinnahmen bedeuten. Wir wissen doch, dass das Gegenteil stimmt: Hohe Steuern würgen die Konjunktur ab, und gerade in der Krise brauchen wir ein faires Steuersystem mit Entlastungen und Vereinfachungen, das die Wirtschaft ankurbelt, Investitionen ermöglicht und Arbeitsplätze schafft.
Frage: Abwrackprämien für alte Autos und Rettungsschirme für marode Banken - aber keine Senkung der Mehrwertsteuer für das Gastgewerbe. Was macht die Bundesregierung falsch?
WESTERWELLE: Den Bankenrettungsschirm hat die FDP mitgetragen, weil wir uns keinen Kollaps unseres Wirtschaftskreislaufs leisten können. Aber es ist schon bemerkenswert, dass es in Deutschland die größten Probleme bei staatlichen Banken gibt, nicht bei privaten. Wir fordern seit Jahren eine effektivere Bankenaufsicht.
Die Abwrackprämie ist ein weiteres Beispiel für die DAX-Hörigkeit der Regierung. Bei den Großen kommt der Bundesadler, bei den Kleineren der Pleitegeier. Wer kümmert sich eigentlich um die Gebrauchtwagenhändler, die wegen der Abwrackprämie kaum mehr Geschäfte machen? Außerdem ist die Abwrackprämie ein Strohfeuer. Am Tag Eins nach ihrem Auslaufen kauft niemand mehr Neuwagen. Wir wollen Steuergelder nicht in alte Autos stecken, sondern in junge Köpfe, in Bildung und Forschung.
Frage: Die FDP-Bundestagsfraktion will ihren Antrag zur Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes zur Abstimmung im Deutschen Bundestag stellen. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
WESTERWELLE: Bislang blockiert Schwarz-Rot die Beratung unseres Antrags. Der Regierung ist es offenbar peinlich, dass sie für Europa gutheißt, was sie deutschen Betrieben verwehrt. Wenn im Bundestag abgestimmt wird, kann jeder sehen, was an den Entlastungsversprechen der anderen Parteien dran ist.
Frage: Was halten Sie von den bundesweiten Aktionstagen des Hotel- und Gaststättengewerbe zur Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes?
WESTERWELLE: Diese Aktionstage unterstützen wir, und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. So hat sich beispielsweise unsere Spitzenkandidatin für die Europawahl, Dr. Silvana Koch-Mehrin, kürzlich an einer Aktion in Kehl beteiligt.
Frage: Der Bundesfinanzminister spricht von Neuverschuldungen in Höhe von 60 Milliarden Euro. Die FDP fordert Steuerentlastungen von 35 Millionen Euro. Wie passt das zusammen?
WESTERWELLE: Nie war ein faires Steuersystem nötiger als heute. Die Mitte, die unser Land trägt, muss endlich wieder durchatmen können. Nur das schafft Wachstum und Arbeitsplätze - und Steuern kann nur zahlen, wer arbeitet. Die SPD-Finanzminister Oskar Lafontaine, Hans Eichel und Peer Steinbrück haben jetzt elf Jahre lang versucht, den Haushalt durch Steuererhöhungen zu sanieren. Gleichzeitig machen sie Rekordschulden. Also brauchen wir eine grundlegende Richtungsänderung. Entlastungen bringen Dynamik, und nur eine dynamische Wirtschaft sichert unsere Zukunft. Der Bundesfinanzminister nimmt jährlich mehr und mehr ein. Schwarz-Rot hat ein Ausgabenproblem, kein Einnahmenproblem. Wir haben jedes Jahr 400 konkrete Sparvorschläge gemacht. Und würde es nur gelingen, durch ein faires Steuersystem ein Zehntel der auf 350 Milliarden Euro geschätzten Schwarzarbeit in die reguläre Wirtschaft zurückzuholen, die Steuereinnahmen würden sprudeln.
Frage: Wie kann man dieser Ungleichbehandlung auf europäischer Basis endlich Herr werden?
WESTERWELLE: Wir sind für einen freien und fairen Wettbewerb - auch der Steuersysteme. Anstatt befreundete Nachbarländer mit undiplomatischen Äußerungen zu beleidigen, sollte der Bundesfinanzminister aufhören, der eigenen Wirtschaft und den eigenen Bürgerinnen und Bürgern ständig Beine zu stellen. Durch seine unflätigen Attacken auf die Schweiz und andere treue Freunde lenkt Peer Steinbrück nur davon ab, dass er rein gar nichts dafür tut, die Steuerwüste bei uns endlich fruchtbar zu machen. Wir sagen: Arbeit und Leistung muss sich wieder lohnen, gerade auch für kleine und mittlere Einkommen. Darauf basiert der Wohlstand unseres Landes.
Frage: Nach einer aktuellen DEHOGA-Umfrage würde die Branche gerne 1,8 Milliarden Euro investieren, wenn Sie durch einen niedrigen Mehrwertsteuersatz mehr Geld in der Kasse hätte. Ist das für die Bundesregierung zu wenig?
WESTERWELLE: Schwarz-Rot behindert noch mehr Investitionen, seien es 20 Milliarden Euro im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, weil beispielsweise das längst angekündigte Flughafenkonzept noch immer fehlt, oder weitere 40 Milliarden für die Energieinfrastruktur. Die Verhinderung von Investitionen durch hohe Steuern ist ein Paradebeispiel dafür, dass höhere Steuern nicht mehr Staatseinnahmen bedeuten, sondern niedrigere. Diese Bundesregierung begreift nicht, dass wir in der Krise alles dafür tun müssen, Wachstumshemmnisse beiseite zu räumen - und die schlimmsten Hemmnisse sind hohe Steuern und überflüssige Bürokratie. Niemand, der mal eben 5 Milliarden für alte Autos übrig hat, kann mir erzählen, für eine strukturelle Entlastung der Mitte fehle leider das Geld.
Frage: Im Herbst ist Bundestagswahl. Warum sollen gastgewerbliche Unternehmerinnen und Unternehmer die FDP wählen?
WESTERWELLE: Deutschland braucht nach elf schwarz-rot-grünen Jahren dringend den Politikwechsel. Diesen wird es nur mit einer starken FDP geben, denn die Union ist längst mitinfiziert vom Linksrutsch, wenn ich nur an den planwirtschaftlichen Murks in der Gesundheitspolitik denke oder an die familienfeindliche Enteignung namens Erbschaftsteuer. Wer möchte, dass sich Arbeit und Leistung wieder lohnen, wer durch nachhaltige Entlastungen die Konjunktur stärken will, muss die Partei wählen, die zu ihrem Wort steht: die FDP.
Die Alternativen sind eine Verlängerung der schwarz-roten Koalition oder gleich ein Linksbündnis. Ich möchte aber nicht, dass Oskar Lafontaine in Deutschland etwas zu sagen hat. Deshalb kämpfe ich für eine klare bürgerliche Mehrheit. Es kommt auf den richtigen Partner an, der die soziale Marktwirtschaft wieder zur Geltung bringt.