FDPDDR-Ausreise vor 30 Jahren

Freiheit ist nicht selbstverständlich

Linda TeutebergLinda Teuteberg mahnt, Freiheit nicht als selbstverständlich zu erachten.
01.10.2019

Im Herbst vor 30 Jahren suchten Tausende DDR-Bürger in der deutschen Botschaft in Prag Zuflucht. Am 30. September 1989 sagte der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher dort, im Palais Lobkowicz, seinen berühmten Halbsatz, der im Jubel der Menge unterging: "Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen , dass heute Ihre Ausreise... (möglich geworden ist)." 30 Jahre danach würdigt FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg im Interview mit der Heilbronner Stimme den starken Freiheitsdrang der Ostdeutschen und mahnt: "Die Erleichterung und die unbändige Freude über die Freiheit, die diese Worte auslösen, berühren mich immer wieder noch zutiefst. Dabei wünsche ich mir, dass wir heute das Glück der Freiheit nicht so selbstverständlich nehmen."

Im Interview mit der "Heilbronner Stimme" äußerte sie ihre Bewunderung für die Menschen: "Vor allem für ihren Mut. Brücken abzubrechen, neues zu wagen. Mit hohem persönlichem Risiko. Niemand in der Botschaft konnte damals wissen, ob dieser Fluchtversuch nicht in der Haft enden würde." Das gelte auch für diejenigen, die in Leipzig und anderen Städten auf die Straße gingen. Gerade die seien hohe Risiken eingegangen: "Dass diese Revolution eine friedliche bleiben würde, konnte damals niemand wissen. Im Gegenteil, viele Menschen hatten die Bilder vom Juni aus Peking, vom Platz des Himmlischen Friedens, vor Augen. Und die Worte von Egon Krenz im Ohr, der im September 1989 Peking besuchte und erklärte, die SED stehe 'auf der Barrikade der sozialistischen Revolution' dem gleichen Feind gegenüber".

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit gehören zusammen

Teuteberg erinnert daran, dass es die begründete Angst gegeben hat, dass es auch in der DDR eine 'chinesische Lösung' geben könnte. "Dafür hatte die SED auch Vorbereitungen getroffen. Was es bedeutete, gegen dieses Regime auf die Straße zu gehen, ist für viele heute kaum zu ermessen."

Mit Blick auf die heutigen Debatten beklagt sie: "Mit unserer Freiheit wird sehr leichtfertig umgegangen. Auch weil viele nicht verstehen, dass wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit zusammengehören.“ Sie spielt damit auf Vorschläge an, wie ein Mietendeckel oder gar Enteignungen. Das seien Werkzeuge aus der Sozialistischen Mottenkiste. "In der DDR wurde darüber gespottet: Ruinen schaffen ohne Waffen. Auch wegen des verheerenden Zustandes der Innenstädte, der Bausubstanz und der Umwelt fassten Menschen damals den Mut, aufzustehen gegen das SED-Regime.“

Genscher war der Architekt der Einheit

Die Potsdamerin urteilt: "Der Mut und Freiheitsdrang der Ostdeutschen war natürlich der entscheidende Treiber. Aber ohne das Zutun von Kohl und Genscher würden wir heute immer noch in einem geteilten Land leben“, würdigt die FDP-Generalsekretärin die Verdienste Genschers. Der Hallenser habe nie das Ziel der Deutschen Einheit aufgegeben. Vom KSZE-Prozess in den 1970er Jahren über den Nato-Doppelbeschluss Anfang der 1980er bis zur Perestroika Gorbatschows: "Immer stand für ihn die Deutsche Frage auf der Tagesordnung, während andere sich mit der Teilung unseres Landes abgefunden hatten. Wenn Kohl der Kanzler der Einheit war, dann war Genscher der Architekt der Einheit."

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