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Liberale fordern Aufklärung über US-Datenspionage

Daten: Deutschland wurde in Europa am stärksten von der NSA überwacht, schreibt der Spiegel
01.07.2013

Der US-Geheimdienst NSA hat Deutschland viel umfangreicher überwacht als bislang angenommen. Die Liberalen reagieren bestürzt.

Nach einem „Spiegel“-Bericht ist die NSA in Deutschland so aktiv wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. Kommunikationsdaten werden systematisch überwacht. Auch EU-Gebäude in Washington und New York sollen abgehört worden sein. Der Skandal um die weltweite Datenspionage der US-Geheimdienste könnte zu einer schweren Belastung für das Verhältnis Deutschlands und Europas zu den Vereinigten Staaten werden.

Rösler will europäischen Untersuchungsausschuss

Philipp Rösler

Mit dem Abhörskandal sollte sich nach Ansicht der Liberalen ein Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments befassen. „Die Datensammelwut, die wir gerade von unseren
europäischen, aber auch außereuropäischen Partnern erleben, ist ein Unding“, sagte FDP-Chef Philipp Rösler am Montag in Frankfurt nach einer Präsidiumssitzung der Bundes- und hessischen Landes-FDP. „Wir haben Verständnis für Terrorismusbekämpfung“, sagte Rösler, nicht aber für „zielloses, wahlloses und hemmungsloses Ausspionieren von Bürgern“.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso müsse Aufklärung von den Amerikanern und der britischen Regierung über die Datenspionage verlangen, die sich auch gegen EU-Einrichtungen richtete. Die Vorgänge müssten nicht nur vollständig aufgeklärt, sondern auch umgehend abgestellt werden, sagte Rösler. Sie belasteten die Verhandlungen zwischen den USA und der EU über ein Freihandelsabkommen. Es stelle sich die Frage, wie die europäischen Gremien ihre Position finden sollten, wenn sowieso schon alles abhört werde.

„Transparenz und Geheimdienste sind naturgemäß nicht einfach unter einen Hut zu bringen“, hatte Rösler bereits am Wochenende gegenüber der „Welt“ gesagt. Der Schlüssel dazu sei aus Sicht der FDP eine umfassende parlamentarische Kontrolle.

Westerwelle telefoniert mit Catherine Ashton

Guido Westerwelle

Außenminister Guido Westerwelle sprach am Montag mit der Hohen Beauftragten der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, über die Ausspähaktionen gegen EU-Einrichtungen. Sie waren sich einig, dass ein solches Vorgehen unter engen Partnern und Freunden nicht akzeptabel sei. Darauf sollte mit einer gemeinsamen europäischen Haltung klar und deutlich reagiert werden. Westerwelle sicherte Ashton die volle Unterstützung der Bundesregierung für die jetzt notwendigen Gespräche der EU mit Washington zu.

Leutheusser-Schnarrenberger: „Es sprengt jede Vorstellung“

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

„Wenn die Medienberichte zutreffen, erinnert das an das Vorgehen unter Feinden während des Kalten Krieges“, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Sonntag in Berlin. „Es sprengt jede Vorstellung, dass unsere Freunde in den USA die Europäer als Feinde ansehen.“ Die US-Seite müsse sofort erklären, ob die Berichte über die Abhörmaßnahmen in der EU zutreffen. „Ein Rundherumausspionieren der Europäer durch die Amerikaner darf es nicht geben“, stellte sie klar.

Keine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür

Datenschutz

„Es geht hier nicht um Feindesbeobachtung, sondern es geht darum, dass man als Freunde auch in gegenseitigem Vertrauen miteinander verkehrt“, sagte die Ministerin den „Tagesthemen“. Sie glaube, die NSA habe „ein bisschen hier die Zielrichtung aus dem Blick verloren“. Es dürfe auf keinen Fall sein, „dass das, was in Deutschland nicht erlaubt ist, nämlich anlasslose Vorratsdatenspeicherung, durch die Hintertür gemacht wird“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger gegenüber „heute“.

Natürlich versuchten Geheimdienste, Informationen zu gewinnen. Das sei auch ihre Aufgabe, sagte die Justizministerin der „Tagesschau“. Es gehe hier um „Maß, Umfang und um rechtliche Legitimation“, betonte sie. Von daher sei „eben nicht alles gleich, was Geheimdienste machen“.

Im Gegensatz zur NSA dürfe der Bundesnachrichtendienst nicht auf alle Daten und die gesamte Kommunikation zugreifen, unterstrich Leutheusser-Schnarrenberger im „heute-Journal“. „Es gibt enge Vorgaben dafür und es gibt eine parlamentarische Kontrolle, die greift, und zwar regelmäßig.“ Ein „flächendeckendes Abgreifen“ von Daten sei nicht möglich.

Brüderle fordert öffentliche Entschuldigung

Rainer Brüderle

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso müsse sich sofort und persönlich um Aufklärung kümmern. „Sollten die EU-Vertretungen in Brüssel und Washington vom amerikanischen Geheimdienst tatsächlich abgehört werden, wird das wohl kaum mit dem Argument der Terrorismusbekämpfung erklärt werden können“, so die Ministerin.  

„Brüssel muss umgehend den amerikanischen Botschafter bei der EU einbestellen und nicht nur die sofortige Einstellung dieser Maßnahmen, sondern umfassende Aufklärung und eine öffentliche Entschuldigung einfordern“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle.

Schulz: Freunde machen so etwas nicht

Jimmy Schulz

Der Obmann des Unterausschusses Neue Medien der FDP-Fraktion, Jimmy Schulz, bezeichnete die Berichte als „alarmierend und schockierend zugleich“.  „Sollten sich diese Meldungen bestätigen, wäre dies eine ernsthafte Erschütterung des Vertrauensverhältnisses unter befreundeten Staaten“, warnte er. Die Überwachung offizieller EU-Büros mit Wanzen und die Massenüberwachung der gesamten Kommunikation ließen sich selbst mit großem Verständnis nicht mehr allein mit dem Kampf gegen den Terrorismus begründen, erklärte Schulz. Er erwarte schnellste Aufklärung und eine sofortige Beendigung der Bespitzelung, so der Liberale. „Freunde machen so etwas nicht“, stellte er klar.

Piltz: Überwachung erschüttert Vertrauen in internationale Partnerschaft

Gisela Piltz

Die neuen Enthüllungen müssten dringend aufgeklärt werden, forderte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz. Notwendig sei eine Task-Force der Bundesregierung, die auf allen politischen Ebenen aufkläre sowie alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten prüfe, um die Bürger vor einer anlasslosen Bespitzelung zu schützen. „Der Vertrauensbruch in den deutsch-amerikanischen Beziehungen kann nur durch Offenheit begrenzt werden“, so die Fraktionsvize.

Das Bundeskanzleramt müsse gegenüber den europäischen wie amerikanischen Partnern deutlich machen, dass eine Rundumerfassung der Telekommunikation deutscher Bürger nicht akzeptabel sei, forderte Piltz. Zudem dürfe es keinerlei Zweifel geben, „ob und inwiefern deutsche Nachrichtendienste von diesem Treiben Kenntnis hatten“. „Es schadet dem Vertrauen in unseren deutschen Rechtsstaat, wenn die Zweifel an Mitwisserschaft deutscher Nachrichtendienste nicht ausgeräumt werden können“, erklärte die Liberale.

Deutschland im Fokus der US-Datenspionage

Geheime Dokumente der NSA offenbaren nach Informationen des „Spiegel“, dass der Geheimdienst systematisch einen Großteil der Telefon- und Internetverbindungsdaten kontrolliert und speichert. Monatlich werden demnach in der Bundesrepublik etwa eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen wie Telefonate, Mails, SMS oder Chats überwacht. Laut den dem Magazin vorliegenden Unterlagen forschen die US-Geheimdienste mit Billigung des Weißen Hauses gezielt auch die Bundesregierung aus, „wohl bis hinauf zur Kanzlerin“, schreibt der „Spiegel“.

Die NSA sei in Deutschland so aktiv wie in keinem anderen Land der Europäischen Union, so das Magazin weiter. Aber auch die EU werde gezielt ausgespäht - so habe der US-Geheimdienst die diplomatischen Vertretungen der EU in Washington sowie bei den Vereinten Nationen in New York mit Wanzen versehen und das interne Computernetzwerk infiltriert. Somit hätten die Amerikaner Besprechungen abhören und Dokumente sowie Mails auf den Computern lesen können.

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