FDPEuGH-Urteil

Ungarns Ignoranz muss Konsequenzen haben

Viktor OrbanViktor Orban will sich nicht an die Regeln der EU halten
07.09.2017

Ungarn und die Slowakei sind mit ihrer Klage gegen die Flüchtlingsverteilung vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert. Der EU-Beschluss vom September 2015 zur Umverteilung von Schutzsuchenden sei rechtens, urteilten die Luxemburger Richter. Richtig so, meint Alexander Graf Lambsdorff. "Mit der Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof unterstrichen, was geltende Rechtspraxis ist: Mehrheitsentscheidungen in der EU sind rechtskräftig", sagt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments.

Solidarität ist keine Einbahnstraße

"Sollte Ungarn das Urteil wie angekündigt ignorieren, muss das Konsequenzen haben", reagierte das FDP-Präsidiumsmitglied auf entsprechende Äußerungen von Ungarns Außenminister Péter Szijjártó. "Der EuGH muss dann Geldstrafen verhängen". Darüber hinaus müssten in der nächsten Finanzperiode Struktur- und Kohäsionsmittel an die Einhaltung von Werten sowie die Befolgung von EuGH-Urteilen gebunden werden, zieht Lambsdorff einen weiteren gangbareren Weg in Betracht. Für die FDP sei klar: "In einer Rechtsgemeinschaft hat sich jeder an die Regeln zu halten, die sich alle gemeinsam gegeben haben", macht er keine Kompromisse.

Im Interview mit n-tv bekräftigte er: "Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wir müssen in Europa auch dann, wenn es schwierig ist, manchmal Dinge zusammen machen." So funktioniere die Europäische Union. "Wir sind eben ein freier Zusammenschluss freier Länder. Wir sind nur durch das Recht aneinander gebunden und durch unsere Werte. Und diese beiden Dinge sind wirklich zentral. Und hier heute ist es ein Tag des Rechts."

Es muss empfindliche Geldstrafen geben

Im SWR Tagesgespräch mit Mirjam Meinhardt fordert der Vizepräsident des EU-Parlaments, EU-Mittel künftig daran zu koppeln, dass EU-Staaten sich an gemeinsame Werte und Entscheidungen des EuGH - zum Beispiel in Sachen Flüchtlingspolitik - halten. Es gehe dabei um folgende Gedanken, erläutert er: "Wir können aus der aktuellen Finanzplanung heraus, aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten Ungarn oder Polen das Geld nicht kürzen, sondern die haben einen Rechtsanspruch darauf. Wenn man aber die nächste Finanzplanung so gestaltet, dass dieser Rechtsanspruch dann erlischt, wenn ein Land sich nachweislich und nach einer objektiven Feststellung nicht an europäische Werte hält oder Urteile des EuGH nicht befolgt, dann kann man da Kürzungen auch rechtskonform machen."

Es sei wichtig, sich die Dimensionen klar zu machen: "Was die ungarische Regierung da behauptet hat, da gerate Europas Sicherheit in Gefahr, wenn das Urteil befolgt würde, ist ja völlig grotesk." Es handele sich in Wahrheit um 1.200 Personen, grob geschätzt, die von Italien nach Ungarn sollen. Diese 1.200 Menschen für Ungarn, ungefähr 800 bis 900 für die Slowakei, das seien Dimensionen bei Ländern wie Ungarn mit 10 Millionen Einwohnern und der Slowakei mit fünf Millionen Einwohnern absolut machbar.

Mit Blick auf die Historie der Länder, räumt Lambsdorff ein, dass die Visegrad-Staaten "die Erfahrung einer offeneren, bunteren Gesellschaft, wie wir sie im Westen über viele Jahrzehnte gemacht haben", nicht haben. Trotz allem müsse man politisch Druck machen: "Wenn es ans Recht geht, den Respekt vor dem Recht, die gemeinsame Rechtskultur in der Europäischen Union, da muss man dann schon drauf bestehen, dass das befolgt wird."

Hintergrund

Die EU-Staaten hatten sich vor zwei Jahren gegen den Widerstand von Ungarn, der Slowakei sowie Rumänien und Tschechien mehrheitlich darauf verständigt, 120.000 Flüchtlinge zur Entlastung von Griechenland und Italien auf andere EU-Länder umzuverteilen. Bislang sind noch nicht einmal 30.000 Flüchtlinge in andere Länder gebracht worden. Die Slowakei hat davon lediglich 16 Menschen aufgenommen, Ungarn keinen. Sollten sich Ungarn, die Slowakei oder andere EU-Staaten weiterhin gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sperren, könnte die EU-Kommission auf Grundlage des Urteils Vertragsverletzungsverfahren vorantreiben, die zu hohen Geldstrafen führen können.

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