FDPPolitischer Aschermittwoch

Wir stellen Haltungsfragen nach vorn

Christian Lindner spricht in Dingolfing. Bild: Presse & PR MelisChristian Lindner spricht in Dingolfing. Bild: Presse & PR Melis
14.02.2018

Schwarz und Rot setzen auf Kompromisse ohne Prinzipien, auf Weiter-so ohne Visionen. Diesem Trend stellen sich die oppositionellen Freien Demokraten entgegen. Beim Politischen Aschermittwoch in Dingolfing plädierte FDP-Chef Christian Lindner dafür, Haltungsfragen in der Politik "wieder ganz nach vorn zu stellen". Sei es bei Herausforderungen wie dem Klimaschutz, der Entstehung von bezahlbarem Wohnraum, der Gesundheitsversorgung oder der Migrationspolitik: "Klare Haltungen wünschen wir uns für unser Land." Die bayerische Landtagswahl sei ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg und stelle eine weitere Chance dar, einen echten Politikwechsel zu erreichen.

Lindner begrüßte die positiven Umfragen im Land als gute Ausgangslage für den Wahlkampf. "Wir werden den Freistaat Bayern umgraben, damit es wie im Deutschen Bundestag auch im Bayerischen Landtag wieder eine starke Fraktion der Freien Demokraten geben wird", sagte er. Bayern brauche eine weltoffene und keine populistische Opposition: "Eine liberale Partei im Parlament, die den Status Quo nicht bewachen will, die sich nicht in ihn verliebt hat, sondern die ihn überwinden möchte. Die nicht ideologisch belastete, sondern vernünftige Politik machen will, und vor allen Dingen eine Politik, die dem einzelnen Menschen wieder die Lebenslauf-Souveränität zurückgibt, in einem Land, das alles, was nicht niet- und nagelfest ist, sofort bürokratisieren will."

Für eine liberale Modernisierungsagenda

Diesen Erneuerungsgeist will auch der Generalsekretär der FDP Bayern, Norbert Hoffmann, in der Landespolitik entfachen. Der rekordverdächtige Andrang beim Politischen Aschermittwoch ist für ihn ein klares Zeichen, dass die Freien Demokraten auf dem richtigen Weg sind. Die FDP habe ihren Erneuerungsprozess durchgemacht, ohne ihre Grundprinzipien aufzugeben. Nun gelte es, auch in Bayern in den Landtag einzuziehen und die Alleinherrschaft der CSU zu beenden. Zu viele Zukunftsaufgaben seien unter ihrer Aufsicht liegen geblieben. Chancengerechtigkeit bei der Bildung, unbürokratisches Bauen und mehr Tempo bei der Digitalisierung: All das und mehr will die FDP endlich voranbringen. "Wir treten an, für ein modernes, weltoffenes, der Zukunft zugewandtes, nicht in der Vergangenheit verhaftetes Bayern", unterstrich Hoffmann. Klar sei: "Unser Land braucht keine konservative Revolution. Unser Land braucht eine liberale Modernisierungsagenda!"

Große Koalition unterfordert Deutschland

Diese Auseinandersetzung spielt sich im Bund wie im Land ab. Lindner warf der angehenden Großen Koalition vor, Deutschland mit Ambitionslosigkeit zu unterfordern. "Wir wollen das Land erneuern", betont er. Die Freien Demokraten nähmen sich dabei ein Beispiel an Gesellschaften, die sich den Zeiten stellten und Reformen angingen. "Wir erleben in Frankreich eine echte gestalterische Politik. Da wird entschieden", hob er hervor. Lindner stellte klar: "Nach zwölf Jahren ist auch die Methode Merkel an ein Ende gekommen, unser Land braucht ein neues Denken."

Etwa in die Bildung als Schlüsselaufgabe investiere die Große Koalition zu wenig, kritisierte Lindner. Die Antwort auf die Herausforderung der Digitalisierung und der neuen Arbeitswelt müsse sein, das Bildungssystem zu verbessern und auch lebenslanges Lernen zu ermöglichen, statt den Arbeitsmarkt zu verriegeln und auf Umverteilung zu setzen. "Arbeit ist nicht nur Einkommen, das ist auch ein Stück Sinn", betonte er. Stattdessen verteile die Große Koalition mit der Gießkanne und gebe Geld für Rentengeschenke aus, obwohl auch jeder Rentner die wesentliche Rolle der Bildung für die jüngeren Generationen erkennen würde.

Die geplante Steuerentlastung in Höhe von zehn Milliarden Euro sei ein Scherz, so Lindner weiter. Die massiven Steuerreformen in Frankreich und den USA würden Auswirkungen auf Deutschland haben. "Wir können uns nicht erlauben, irgendwann die höchsten Belastungen in der Welt zu haben. Da müssen wir die Trendwende einleiten." Konkret bedeute dies, den Solidaritätszuschlag wie zu seiner Einführung versprochen gänzlich abzuschaffen und darüber hinaus der breiten Mitte der Gesellschaft den Aufbau von Vermögen und den Erwerb eines Eigenheims zu erleichtern.

Finanzielle Eigenverantwortung in Europa aufrechterhalten

Auch die Pläne der Großen Koalition auf europäischer Ebene nahm Lindner ins Visier. Die Freien Demokraten bekennen sich klar zu mehr europäischer Zusammenarbeit in den großen gemeinsamen Aufgaben wie Migration, Entwicklung, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, betonte der FDP-Chef. Auch unterstütze die FDP die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Freien Demokraten wüssten aber als Marktwirtschaftler, dass Handeln und Haften niemals getrennt werden dürften, sagte Lindner.

Pläne zur Umwandlung des Stabilitätsmechanismus mit dem Geld der Steuerzahler in einen Mechanismus für Transfers und Vergemeinschaftung von Risiken lehnt die FDP deshalb ab. "Und dann sagt der französische Finanzminister, man sei mit der deutschen Bundesregierung in diesen Fragen im Grunde bereits handelseinig. Ich frage mich, mit welcher Bundesregierung eigentlich? Wir haben gegenwärtig nur eine geschäftsführende Bundesregierung", gab Lindner zu bedenken. Eine Entscheidung, die Politik von Wolfgang Schäuble zu beenden und auf neue Transfers zu setzen, sei ein Vorgang, der im Parlament debattiert werden müsse. "Das werden wir im Deutschen Bundestag zum Thema machen, und so sehen wir unsere Oppositionsrolle", versprach er. "Die finanzpolitische Eigenverantwortung der Mitglieder der Währungsunion muss erhalten bleiben."

Wir kämpfen weiter für zukunftsgewandte Politiklösungen

Weitere Schwerpunkte der konstruktiven Oppositionsarbeit sieht Lindner in der Digitalisierung und in der Einwanderungspolitik. Bei Digitalem sei Deutschland ins Hintertreffen gekommen, sowohl bei Infrastruktur als auch bei der öffentlichen Verwaltung. Die FDP werbe weiterhin dafür, dass die nicht benötigten Staatsanteile bei Post und Telekom verkauft werden und die eingebrachten Mittel in eine Investitionsoffensive fließen sollten. Doch statt Kompetenzen zu bündeln und im Rahmen eines Digitalministeriums diese Aufgaben entschlossen anzugehen, schaffe die Große Koalition lieber ein Heimatministerium. "Den Heimatminister gibt's, weil sich Horst Seehofer daheim nicht mehr sehen lassen kann", merkte Lindner an. "Also muss er sich in Berlin zu Hause fühlen."

Aber weder in diesem Bereich noch in der Migration brauche das Land eine CSU-Politik, konstatierte Lindner. Sondern vielmehr: eine moderne. Diese sei im Koalitionsvertrag grundsätzlich nicht zu erkennen. Es fehle die Einsicht, "dass wir ein weltoffenes Land sind, das Einwanderung braucht". Für den FDP-Chef ist eindeutig: "Man kann doch nicht Flüchtlinge gegen Fachkräfte ausspielen." Es brauche deshalb eine klare rechtliche Unterscheidung zwischen Asylberechtigten, Flüchtlingen, qualifizierten Einwanderern und denen, die keinen Aufenthaltsanspruch hätten und deshalb schnellstmöglich zurück in die alte Heimat müssten.

Außerdem fehle ein gelungenes Verständnis von Integration. Statt Diskussionen über Leitkultur müsse das Ziel der Integration die "Akzeptanz unserer verfassungsmäßigen Ordnung und der in ihr enthaltenen Regeln" sein, forderte Lindner. Hier müsse Deutschland von Kanada lernen. Dort sei es kein Thema, woher jemand komme oder welcher Religion er angehöre, wenn er sich an Regeln halte und für seinen Lebensunterhalt aufkommen könne. "Dann bist du uns willkommen, und dann ist das Ziel auch, dass du unsere Staatsangehörigkeit erwirbst." Bei der Frage des Familiennachzugs müsse der Einzelfall berücksichtigt werden, statt auf ein willkürliches Kontingent von 1.000 Angehörigen im Monat zu setzen. Hier fehle eine Haltung. Dafür, dass diese wieder sichtbar wird, wollen sich die Freien Demokraten einsetzen. (ch)

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