FDPDas aktuelle Interview

Härter gegen die Niedrigzins-Politik der EZB kämpfen

Christian Lindner Christian Lindner greift die Bundesregierung an
21.03.2016

Angesichts der extremen Niedrigzinspolitik der EZB, verlangt der FDP-Vorsitzende Christian Lindner eine stärkere Einmischung der Bundesregierung in die Geldpolitik. "Ich wundere mich, dass der Präsident der Bundesbank vernehmbarer ist als der Bundesfinanzminister. Mehr Unterstützung von Herrn Weidmann durch Herrn Schäuble wäre keine Verletzung der Unabhängigkeit der EZB, sondern eine zwingende Notwendigkeit zum Erhalt der Stabilität im Interesse von Millionen Sparern", sagte Lindner in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".  Hart geht der FDP-Chef nach der Ministererlaubnis für die Fusion von Kaisers's Tengelmann mit Edeka auch mit der Politik von Sigmar Gabriel ins Gericht.

Auf die Frage, was man tun könne, damit Wettbewerb wieder respektiert werde, antwortete Lindner: "Den Wirtschaftsminister austauschen." Der Rücktritt des Vorsitzenden der Monopolkommission, Zimmer, sei ein Weckruf. 

CL will, dass die Bundesregierung härter gegen die Niedrigzins-Politik der EZB kämpft. TL

Posted by Christian Lindner on Montag, 21. März 2016

Fehler der Flüchtlings- und Euro-Krise nicht wiederholen

Lindner hält zudem die zusätzlichen Sozialausgaben, auf die sich Bundesfinanzminister Schäuble und Wirtschaftsminister Gabriel jetzt geeinigt haben für falsch: Die große Koalition strapaziere die  wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zusätzlich zu den Risiken aus der Weltwirtschaft und dem Kraftakt der Digitalisierung. Es gebe schon Bremsspuren. Lindner warnt: "Wer die Anfangssymptome nicht beachtet, wiederholt die Fehler der Flüchtlings- und Euro-Krise. Da hat man auch die ersten Zeichen ignoriert. Wenn man das jetzt wiederholt, könnte die nächste Krise am Ende des Jahrzehnts die Deutschland-Krise sein."

Er ist fest überzeugt: "Niedrigzinsen und Steuern machen dem Staat die Kassen voll. Da ist es möglich, auch die Lasten der Flüchtlinge ohne höhere Steuern und neue Schulden zu stemmen, wenn die Regierung auf Prestigeprojekte verzichtet."

Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Frage: Herr Lindner, wenn Sie nun, nach seinem Tod, die Jahre mit Guido Westerwelle Revue passieren lassen, gibt es da einen Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

LINDNER: Der prägendste Moment war am Wahlabend 2013. Wir haben kurz vor Verkündung des desaströsen Wahlergebnisses noch einen Spaziergang gemacht. Da hat er mir zugeraten, nun die Führung der FDP zu übernehmen. Das war ein Moment großer persönlicher und politischer Nähe, die wir so noch nicht hatten.  

Frage: Gibt es etwas, das Sie von Westerwelle gelernt haben?

LINDNER: Ich teile sein zutiefst optimistisches Menschenbild, auf das er seine Politik aufgebaut hat. Er glaubte an den zur Eigenverantwortung und Empathie fähigen Menschen, deshalb hat er auf Marktwirtschaft und eine offene Gesellschaft gesetzt. Kaum ein anderer hat diese Überzeugung mit solcher rhetorischer Brillanz und Tiefenschärfe auf den Punkt gebracht.

Frage: Westerwelle hat stark polarisiert, etwa mit seinen auf  Hartz-IV gemünzten Worten vom  „anstrengungslosen Wohlstand“, der in „spätrömische Dekadenz“ führe. Was verdanken ihm die Bürger dieses Landes?

LINDNER: Guido hat stets auf die Grenzen der staatlichen Möglichkeiten hingewiesen und die Menschen ermutigt, ihre eigenen Kräfte zu nutzen. Die FDP hat dank ihm als erste Partei eine Schuldenbremse in der Verfassung vorgeschlagen. Denn die Enkel-Generation darf nicht überfordert werden, indem heute Politik auf Pump gemacht wird. Das ist aktueller denn je.  

Die SPD ist hier nicht Teil der Lösung

Frage: Die FDP ist nach den Landtagswahlen wieder umworben. In Baden-Württemberg haben Sie eine Koalition unter Führung der Grünen und der SPD aber ausgeschlossen. Was trennt Sie am stärksten von den Grünen?

LINDNER: Die Grünen fühlen sich selbst zu oft im Besitz letzter Wahrheit, weshalb sie mit staatlicher Lenkung und dem erhobenen Zeigefinger die Menschen zu ihrem Glück zwingen wollen. In Baden-Württemberg ist es Herrn Kretschmann gelungen, sich von dieser Attitüde fernzuhalten. Aber es gibt da viele Projekte, die um 180 Grad gewendet werden müssten, damit sie zur FDP passen, etwa die Diskriminierung des Gymnasiums, die Geringschätzung der beruflichen Bildung, die Politik gegen das Auto und das dichte Netz von Bürokratie für Hausbauer und Mittelstand, das die Grünen über das Land geworfen haben.

Frage: Und was reizt Sie an der SPD, mit der zu koalieren Sie in Rheinland-Pfalz liebäugeln, mit  den Grünen als Dritten im Bunde?

LINDNER: Von der SPD geht kein besonderer Reiz aus, aber in Rheinland-Pfalz gibt es eine langjährige sozialliberale Tradition. Es ist daher eine Frage des politischen Anstands, dass man miteinander spricht. In Baden-Württemberg können wir als kleinster Koalitionspartner und unter Führung der Grünen nicht erwarten, dass wir einen Politikwechsel erreichen. Schon die Forderung wäre anmaßend. Unsere Wähler würden es zu Recht als Verrat empfinden, wenn wir in eine Regierung gehen, ohne Aussicht, liberale Politik durchzusetzen. In Rheinland-Pfalz wäre die FDP dagegen zweitgrößter Partner, da ist es nicht vermessen, eine Kurskorrektur zu fordern.

Frage: Ist die SPD eigentlich noch die Fortschrittspartei, als die sie sich gerne sieht?  

LINDNER: Nein, dafür ist SPD momentan zu pessimistisch. Die Digitalisierung ermöglicht mehr individuelle Selbstbestimmung für Arbeitnehmer und einen Produktivitätsschub für Unternehmen. Das sind großartige Chancen. Dafür braucht es mehr statt weniger Flexibilität, von der Arbeitszeit und den Werkverträgen über die Arbeitsstättenverordnung bis zur erleichterten Gründung und Finanzierung von Unternehmen. Die SPD ist hier nicht Teil der Lösung, sondern verkörpert in Arbeitsministerin Nahles das Problem

Wir brauchen jetzt ein modernes Einwanderungsgesetz.

Frage: Das vordinglichste Thema bleiben die Flüchtlinge, trotz der Einigung mit der Türkei über die Rücknahme illegal in die EU geschleuster Asylbewerber, für die Ankara einen hohen Preis fordert,  finanziell und politisch, die Visafreiheit für Türken und eine Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen zur EU. Wie bewerten Sie den Plan?

LINDNER: Mir ist der Deal nicht geheuer. Wir sollten europäische Werte verteidigen statt in die Abhängigkeit der Türkei zu geraten. Ich sehe auch noch nicht, wie die Zahl der Flüchtlinge reduziert wird und wie diese in Europa fair verteilt werden. Von der Bundeskanzlerin fehlt mir das klare Signal, dass die grenzenlose Aufnahmebereitschaft beendet ist.    

Frage: Die Wirtschaft warnt heftig davor, die EU-Binnengrenzen weiter zu kontrollieren. Doch ohne Kontrolle dürfte es vorerst kaum möglich sein, den Zustrom zu lenken und zu begrenzen. Spielt die  Wirtschaft in der Flüchtlingsdebatte eine glückliche Rolle und tut sie genug, um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen?

LINDNER: Ich erteile der deutschen Wirtschaft und ihren Verbänden keine Zensuren. Ich wünsche mir eine Kontrolle der Außengrenzen und eine Ordnung, in der wir selbst entscheiden, wer aus humanitären oder arbeitsmarktpolitischen Gründen nach Europa darf. Solange es das nicht gibt, könnte ein Zwischenschritt sein, dass wir das Dublin-Abkommen wieder anwenden – also Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen. Das wäre ein Signal, dass es nicht reicht, sich nach Deutschland durchzuschlagen, um hier dauerhaft bleiben zu dürfen. Was die Arbeitsplätze angeht, muss man realistisch sein. Die Qualifikation vieler Flüchtlinge wird auf Dauer nicht zu unseren Anforderungen passen. Deswegen sollten Flüchtlinge nur vorübergehenden Aufenthalt bekommen, solange Krieg herrscht. Danach muss die Ausreise die Regel sein. Während ihrer Zeit bei uns sollen sie gefördert werden und arbeiten dürfen. Wer die Sprache lernt, straffrei bleibt und durch Arbeit für sich selbst sorgen kann, soll sich später legal um eine dauerhafte Bleibeperspektive bewerben können. Dazu brauchen wir jetzt ein modernes Einwanderungsgesetz. 

Regierung sollte auf Prestigeprojekte verzichten

Frage: Diese Woche will der Bundesfinanzminister die Eckwerte des Haushalts für das Wahljahr 2017 vorstellen. Angeblich hat er den Forderungen von SPD-Chef Gabriel nachgegeben und 5 Milliarden Euro für zusätzliche Sozialleistungen eingestellt. Die SPD will zeigen, dass nicht nur für Flüchtlinge etwas getan wird, sondern auch sozial Schwache, die schon im Land leben: Langzeitarbeitslose, Kleinstrentner, Wohnungssuchende. Braucht es diese Ausgleichszahlungen?

LINDNER: Nein, auch diesen Menschen ist durch eine starke Wirtschaft besser geholfen, weil nur so der Sozialstaat finanzierbar bleibt. Die große Koalition strapaziert unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zusätzlich zu den Risiken aus der Weltwirtschaft und dem Kraftakt der Digitalisierung. Es gibt schon Bremsspuren, die Wirtschaft wächst langsamer als angesichts niedrigster Zinsen, Ölpreisverfall und schwachem Euro zu erwarten wäre. Das sind Folgen einer Politik, die nur verteilt hat, aber keinen Gedanken an das Erwirtschaften des Wohlstands verschwendet. Eine Wende ist jetzt nötig: keine Belastungen wie die Erbschaftsteuer, Abbau von Bürokratie, keine neue Subventionen für Ökoenergie oder Elektroautos, dafür steuerliche Forschungsförderung und bessere Abschreibungsregeln für den Mittelstand. Wer die Anfangssymptome nicht beachtet, wiederholt die Fehler der Flüchtlings- und Euro-Krise. Da hat man auch die erste Zeichen ignoriert. Wenn man das jetzt wiederholt, könnte die nächste Krise am Ende des Jahrzehnts die Deutschland-Krise sein.

Frage: Rechtfertigen die Milliarden für die Flüchtlinge nicht doch eine Schuldenfinanzierung, schließlich profitieren von einer gelungenen Integration und Qualifizierung auch nachfolgende Generationen?

LINDNER: Nein. Immer wird die erste Gelegenheit benutzt, um aus der Stabilitätspolitik abzubiegen. Niedrigzinsen und Steuern machen dem Staat die Kassen voll. Da ist es möglich, auch die Lasten der Flüchtlinge ohne höhere Steuern und neue Schulden zu stemmen, wenn die Regierung auf Prestigeprojekte verzichtet. Würde die ‚Schwarze Null‘ fallen, wäre das ein Fanal für ganz Europa. Und sollten irgendwann die Zinsen steigen, dann fliegt uns der Staatshaushalt um die Ohren.

Wir müssen raus wir aus dieser Zinspolitik

Frage: Munich-Re-Chef Nikolaus Bomhard hält es für befremdlich, dass sich die Bundesregierung angesichts des Vermögensverlustes durch die EZB-Zinspolitik nicht einschaltet. Nun ist die Unabhängigkeit der Notenbanken in Deutschland ein hohes Gut. Die EZB ist so unabhängig, wie sie ist, weil die Deutschen darauf gedrungen haben. Sollte die Bundesregierung sich wirklich einmischen?  

LINDNER: Die Bundesregierung sollte deutlich machen, dass wir raus müssen aus dieser Zinspolitik. Der Euro darf nicht zu einer Lira werden. Die Bundesregierung muss auch in ihrer Politik deutlich machen, dass sie die Nullzinspolitik nicht für ein Naturgesetz hält. Sie muss durch ihre Haushaltspolitik zeigen, dass es sich um eine Ausnahmesituation handelt, von der sie nicht auf Dauer profitieren will. Und sie muss öffentlich und innerhalb des europäischen Gesprächs auf eine andere Zinspolitik drängen. Ich wundere mich schon, dass der Präsident der Bundesbank vernehmbarer ist als der Bundesfinanzminister. Mehr Unterstützung von Herrn Weidmann durch Herrn Schäuble wäre keine Verletzung der Unabhängigkeit der EZB, sondern eine zwingende Notwendigkeit zum Erhalt der Stabilität im Interesse von Millionen Sparern.    

Frage: Wenn sich individuelle Vorsorge nicht mehr lohnt, geht das Konzept nicht auf, dass die Bürger im Alter künftig niedrigere Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung durch ergänzende private Altersvorsorge ausgleichen. Muss die Rentenpolitik darauf reagieren? Gewerkschaften und SPD-Linke verlangen, die Absenkung des Rentenniveaus zu stoppen und umzukehren.

LINDNER: Wo soll das Geld denn herkommen? Immer von den Jüngern? Das Rentensystem muss für alle Generationen tragfähig sein. Schon die Mütterrente und die Rente mit 63 belasten das System enorm. Die private Altersvorsorge muss gestärkt werden und zwar nicht, indem mehr Geld in Staatsanleihen oder Beton fließt, sondern durch eine liberalisierte Anlagepolitik. Amerikanische Pensionsfonds dürfen sehr zum Vorteil ihrer Anleger auch Aktien halten sowie Infrastruktur und Start-up-Unternehmen finanzieren. Das brächte auch hierzulande einen Schub an Investitionen. Und es wäre für Anleger eine wichtige Möglichkeit, einen Teil ihrer Altersvorsorge auf eine andere Basis zu stellen.

Sigmar Gabriel ist nicht der Erbe von Ludwig Erhard

Frage: Kommen wir noch zum Rücktritt des Vorsitzenden der Monopolkommission, Daniel Zimmer. Er hat hingeworfen, nachdem SPD-Wirtschaftsminister Gabriel gegen sein Votum und das des Kartellamts die Supermarktfusion genehmigt hat. Die Wettbewerbspolitik verludert, ohne sonderliche Empörung. Was könnte man tun, damit der Wettbewerb wieder respektiert wird?

LINDNER: Den Wirtschaftsminister austauschen. Der Rücktritt von Herrn Zimmer ist ein Weckruf. Auch bei der Digitalisierung setzt Herr Gabriel auf das Monopol der Telekom, die Kupfernetze statt Glasfaserkabel einsetzt. Das ist anti-marktwirtschaftlich. Jetzt die Fusion Kaiser’s Tengelmann und  Edeka, weil Gabriel in klassischer SPD-Manier glaubt, so Arbeitsplätze zu retten. In Wahrheit wird der Wettbewerb eingeschränkt, dann steigen die Preise für die Kunden, und am Ende gehen Arbeitsplätze verloren. Millionen Menschen werden darunter leiden. Sigmar Gabriel ist nicht der Erbe von Ludwig Erhard, sondern höchstens der böse Onkel.
 

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