FDPFacebook-Interview

Wir sind eine lebensbejahende Partei

Christian LindnerIm ausführlichen Live-Interview mit der "Welt" stellte sich Christian Lindner den Fragen der Bürger
01.09.2016

"Die Welt" war bei den Freien Demokraten zu Besuch: Im Facebook-Livestream moderierte sie ein Interview mit den Fragen von Interessierten an FDP-Chef Christian Lindner. Unter anderem ging es um Einwanderung und Asyl, Steuern und Freihandel, Brexit, AfD und den besonderen Anspruch der FDP. "Wir sind eine optimistische, lebensbejahende Partei. Wir machen den Menschen nicht Angst, um gewählt zu werden – das machen andere – sondern wir machen den Menschen Mut und Lust auf Zukunft, Veränderungen und Wachstum", erklärte er.

Gerade in Berlin sei dieses Alleinstellungsmerkmal deutlich zu erkennen. "Die FDP ist die einzige Partei, die den Flughafen Tegel auf halten will. Tegel ist ein Symbol für Weltoffenheit, für eine Stadt, die wirtschaftliches Wachstum will. Es könnte zukünftig ein Business-Airport sein", erläuterte Lindner. Dennoch hielten alle anderen Parteien stur am Plan fest, TXL nach der BER-Eröffnung zu schließen.

Auch in der Asylpolitik legte Lindner die besondere Position der Freien Demokraten dar. Im Sinne der Genfer Konvention gehe es aus liberaler Sicht um die Möglichkeit, dass manche Flüchtlinge auch auf Dauer in Deutschland bleiben würden, aber eben nicht jeder. Vielmehr brauche es den vorübergehenden Schutz und dann eine Rückkehr in die alte Heimat nach Ende der konkreten Bedrohungslage. Für Lindner trennt die aktuelle Politik des Bundes nicht ausreichend zwischen den Bereichen Asyl, Integration und Einwanderung. Deswegen fordern die Freien Demokraten ein modernes Einwanderungsgesetz, das besser differenzieren und klare Kriterien schaffen soll.

Für eine einfachere und gerechtere Steuerpolitik

Im Bereich Steuern wollten die Freien Demokraten eine Entlastung der Arbeitnehmer erreichen und lästige Bürokratie abschaffen, die den Menschen Lebenszeit raube. Der aktuelle Entwurf zur Erbschaftsteuerreform steht aus Lindners Sicht beispielhaft für das Scheitern der Großen Koalition in Steuerfragen. So sehe der Entwurf hohe Privilegien für Menschen vor, die ein betriebliches Millionenvermögen erbten – also keine Steuern, aber lästige Bürokratie. "Auf der anderen Seite zahlt einer hohe Steuern, wenn er als Privatperson vielleicht zwei Häuser erbt. Das finde ich falsch", unterstrich der FDP-Chef.

Der Gegenvorschlag der Freien Demokraten: "Ab einer Millionen Erbschaft gibt es keinerlei Privilegien mehr. Alle, egal was sie erben, müssen zahlen. Zehn Prozent Steuersatz ohne Bürokratie." Dieses System würde den Mittelstand entfesseln und für mehr Gerechtigkeit sorgen, gab Lindner zu bedenken.

Gabriel darf ein Zivilisationsprojekt wie TTIP nicht einfach absagen

In Sachen Freihandel übte Lindner scharfe Kritik am Vorgehen von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Der SPD-Chef habe aus Parteikalkül heraus großen Schaden angerichtet, als er die TTIP-Verhandlungen für de facto gescheitert erklärt hatte. Stattdessen müsse er sauber zu Ende verhandeln und europäische Interessen mit Überzeugung vertreten, verlangte der Freidemokrat. Lindner erinnerte daran, dass TTIP und auch die vieldiskutierten Schiedsgerichte ursprünglich in erster Linie ein Ziel von deutschen und europäischen Mittelständlern gewesen seien und nicht von großen amerikanischen Konzernen. Er kritisierte, dass in der öffentlichen Debatte inzwischen so getan werde, als würden die Amerikaner mit dem Abkommen nach Europa kommen und die Regeln des Spiels bestimmen. "Absoluter Quatsch", konstatierte der FDP-Chef.

Deswegen müsse neben den Verhandlungen auch mehr Aufklärungsarbeit betrieben werden, so der FDP-Bundesvorsitzende weiter. Lindner richtete eine klare Forderung an Gabriel, bei TTIP seiner Verantwortung als Wirtschaftsminister gerecht zu werden: "Nur weil seine Partei im Trudeln ist, kann er nicht so ein Zivilisationsprojekt einfach absagen."

Deutschland braucht mehr Weltoffenheit und Modernität

In der Freihandelsdebatte und auch in der Gesellschaft insgesamt sprach sich der FDP-Chef für einen Mentalitätswandel aus. Deutschland dürfe sich nicht mit dem Status quo zufrieden geben, sondern müsse weg von Ängstlichkeit und hin zu mehr Offenheit und Mut zu Neuem. Sonst werde Deutschland zum Freilichtmuseum und nicht zu einem Land, das jungen Menschen Chancen bieten und die besten Köpfen aus dem Ausland anlocken könne, mahnte er.

Vor diesem Hintergrund rügte Lindner die vergangenheitsverliebte, ängstliche Politik der AfD. Sie stehe nicht mal für Status quo, sondern wolle die Zeit ganz zurückdrehen. "Die haben mit Modernität, mit Weltoffenheit gar nichts am Hut", stellte er klar. Der Freidemokrat verdeutlichte: "Das ist eine Partei, die verharmlost in Baden-Württemberg Judenhass, und das ist ein Angriff auf jeden von uns, auf das Grundgesetz."

Rechtspopulisten können nur zerstören

Wer meine, aus Protest gegen eine Regierung die AfD wählen zu müssen, schade den eigenen Zukunftschancen, warnte Lindner. Diese Partei wolle nichts aufbauen, sondern nur zerstören. Dies sei auch die Lehre aus dem Brexit: "Da gab's auch solche Demagogen, die mit ganz einfachen Botschaften, Verdrehungen und Lügen die Menschen auf die Palme getrieben haben. Dann kam der Brexit, und man sieht, dass gerade die Menschen, die dafür gestimmt haben, ganz besonders negativ betroffen sind."

Was das künftige Verhältnis zwischen Großbritannien und EU nach dem Brexit angeht, forderte Lindner einen respektvollen Umgang miteinander. Allerdings dürfe es keinen speziellen Deal für das Vereinigte Königreich geben. "Wenn sie unseren Binnenmarkt weiter erreichen möchten, dann müssen sie die Regeln akzeptieren, ohne dass sie auf diese Einfluss nehmen können", machte der FDP-Chef klar. Darüber hinaus müssten die Briten wie Norwegen für den Verzicht auf Zölle zahlen. Die Hoffnungen, es gäbe für Großbritannien ein Modell Schweiz mit tausend Einzelverabredungen, hält er für aussichtslos.

Hier können Sie das Interview in voller Länge anschauen.

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