FDPDas aktuelle Interview

Aufstehen gegen die Populisten

Christian LindnerChristian Lindner
11.07.2016

Der Rassismus und Antisemitismus der Alternative für Deutschland seien Ausdruck genereller Demokratiefeindlichkeit, konstatiert FDP-Chef Christian Lindner im Interview mit der "Bild". Lindner stellte klar: "Wer heute schweigt, wenn so Stimmung gemacht wird, kann morgen selbst im Visier sein. Wer sich jetzt nicht von der AfD lossagt, muss sich mit ihrer Politik identifizieren lassen. Niemand kann mehr seine Hände in Unschuld waschen."

Die Unterstützer und Wähler der AfD ernstzunehmen und zu respektieren bedeute, ihnen die Positionen zu zurechnen, die die Partei vertrete, erläuterte Lindner. "Wer AfD wählt, wählt Menschenfeindlichkeit und Hass. Handeln und Parolen der AfD widersprechen dem Geist des Grundgesetzes." Es sei die Aufgabe der demokratischen Parteien, allen AfD-Wähler deutlich zu machen, dass sie bessere Antworten hätten als die Demagogen. Für ihn ist eindeutig: "Jede Form von Opportunismus, falschem Verständnis oder Anbiederung wäre dazu falsch."

Deswegen sei es selbstverständlich, dass sich der Verfassungsschutz mit der AfD befasse. Die Partei stelle sich gegen die Werte der Verfassung, "deshalb müssen wir wehrhaft sein – das ist eine Lehre aus der deutschen Geschichte", verdeutlichte der FDP-Chef.

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Frage: Herr Lindner, die FDP versteht sich als DIE bürgerliche Partei. Aber verstehen Sie die Bürger noch, die zusehends radikaler werden?

LINDNER: Ich bin stolz auf Deutschland, denn bei uns sind die Radikalen viel schwächer als anderswo in Europa. Das ist jedoch keine Beruhigung. Die AfD spricht bei uns zwar nur für einen kleinen Teil der Bürger. Aber genau diese müssen sich jetzt fragen lassen, wie lange sie die AfD noch unterstützen wollen.

Frage: Wollen Sie die AfD-Wähler ermahnen?

LINDNER: Manche AfD-Wähler haben sich mit ihren Sorgen nicht ernst genommen gefühlt. Zum Beispiel, weil der Staat in der Flüchtlingskrise zeitweilig die Kontrolle verloren hatte. Weil die große Koalition daran scheitert, mit einem Einwanderungsgesetz Ordnung zu schaffen. Weil man die Beschäftigung mit Islamismus nicht den Rechten überlassen darf – da sind wir alle gefordert. Ich nehme diese Bürger ausdrücklich ernst. Aber wer ernst genommen werden will, muss sich fragen lassen, ob ihm egal ist, was seine Partei sagt: Für die AfD ist die Rasse eines Menschen ein Thema, wie wir im Fall Boateng gesehen haben. Und jetzt kommt noch Judenhass hinzu.

Frage: Und wenn das bestimmte Bürger gar nicht stört?

LINDNER: Rassismus und Judenhass sind Ausdruck von genereller Demokratiefeindlichkeit – also ein Angriff der AfD auf uns alle! Wer heute schweigt, wenn so Stimmung gemacht wird, kann morgen selbst im Visier sein. Wer sich jetzt nicht von der AfD lossagt, muss sich mit ihrer Politik identifizieren lassen. Niemand kann mehr seine Hände in Unschuld waschen. Eine Unterstützung für die AfD kann man nicht mehr mit Protest gegen die Bundesregierung rechtfertigen. ‚Sorge ums Land’ ist keine Entschuldigung mehr.

Frage: Wird das jetzt eine Wählerbeschimpfung?

LINDNER: Noch einmal, ich gehe vom mündigen Wähler aus und respektiere ihn. Das ist doch genau das, was der AfD-Unterstützer will: ernstgenommen werden. Also rechne ich ihm die Positionen zu, die seine Partei vertritt. Und dann ist für mich klar: Wer AfD wählt, wählt Menschenfeindlichkeit und Hass. Handeln und Parolen der AfD widersprechen dem Geist des Grundgesetzes.

Frage: Das hieße ja: Der Verfassungsschutz muss die AfD beobachten. Ihr Ernst?

LINDNER: Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. Aber mir geht es in allererster Linie um die politische Auseinandersetzung. Der Streit um den Antisemitismus eines Abgeordneten der Stuttgarter AfD-Landtagsfraktion hat klar bewiesen, dass die AfD einen starken extremistischen Kern hat. Der wird sogar von der Parteivorsitzenden gedeckt, weil es ihr nur um Macht geht. Die AfD stellt sich gegen die Werte unserer Verfassung, deshalb müssen wir wehrhaft sein – das ist eine Lehre aus der deutschen Geschichte.

Frage: Das ist ein schweres Geschütz. Warum ist die AfD für die FDP der zentrale Gegner in den kommenden Wahlen?

LINDNER: Ich hoffe nicht nur für die FDP, sondern für jeden Demokraten. Die AfD ist autoritär, die FDP ist liberal. Die AfD schürt Angst, die FDP steht für die Mutigen ein. Die AfD tritt die Würde des Einzelnen mit Füßen, die FDP stärkt die Vielfalt in unserer Gesellschaft. Wir konkurrieren nicht um dieselben Wähler.

Frage: Aber die FDP hat doch erheblich an Wählern an die AfD verloren?

LINDNER: Erheblich nicht, sogar weniger als andere. Dennoch ist jeder einzelne zu viel. Unsere Aufgabe ist, allen AfD-Wähler deutlich zu machen, dass die demokratischen Parteien bessere Antworten haben als die Demagogen. Jede Form von Opportunismus, falschem Verständnis oder Anbiederung wäre dazu falsch.

Frage: Wenn man nach Großbritannien schaut, scheinen Demagogen und Populisten gerade Erfolg zu haben – auch in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft.

LINDNER: Der Brexit war der traurige Höhepunkt der Demagogen, die ihr Volk mit Lügen aufgehetzt haben, um es danach mit dem Chaos allein zu lassen. Man kann in Großbritannien klar erkennen: Populisten zerstören. Sie bauen nichts auf. Der Brexit wird deshalb das Geschäftsmodell der Populisten mindestens zum Teil zerschlagen. Das gilt auch für Deutschland.

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