FDP, StiftungKulturgutschutzgesetz

Ein provinzieller Rückfall in den Nationalismus

GalerieDie Freien Demokraten sehen das geplante Kulturgutschutzgesetz äußerst kritisch
23.06.2016

Noch vor der Sommerpause will die Große Koalition das umstrittene Kulturgutschutzgesetz durch Bundestag und Bundesrat bringen. Im "Focus Online"-Gastbeitrag nehmen FDP-Präsidiumsmitglied Hermann Otto Solms und Karl-Heinz Paqué, Vorstandsmitglied der Stiftung für die Freiheit, das Vorhaben ins Visier. Die vorgesehene Beschränkung des Exports von Kunstwerken kritisieren sie als sinnlos und schädlich. "Unsere wohlhabende Kulturnation importiert viel mehr Kunst und Kultur als sie exportiert", geben sie zu bedenken. "Bis zu diesem Gesetzentwurf blühten die Kunstmessen auf, die Galeristen und Sammler sorgten in den urbanen Metropolen für reiches Kulturleben, bei dem natürlich das künstlerische Schaffen und der Handel eng verzahnt waren." Solms und Paqué fragen: "Warum gefährden wir dies durch einen neuen provinziellen Nationalismus?"

Zentrales Kriterium bei dem Ausfuhrverbot wäre nämlich, dass es sich um ein Kulturgut handele, das für die Nation 'identitätsstiftend' sei. "Man reibt sich die Augen: Eine Landesbürokratie soll entscheiden, was nationale Identität stiftet, und gegebenenfalls die Ausfuhr durch private Galeristen und Sammler verbieten", monieren Solms und Paqué. Für diese Aufgabe seien Landesbeamte in keiner Weise qualifiziert. "Zudem sind sich alle Fachleute einig, dass der bürokratische Aufwand mit dem geplanten Gesetz übergroß wird. Und das bedeutet gleichzeitig steigende Kosten."

Viel schlimmer aber sei die Grundhaltung, die hinter dem Gesetz ste Aus Sicht der Freien Demokraten ein ungeheuerlicher Vorgang, der einen Eingriff in die Freiheit der Kunst und eine kalte Enteignung von Künstlern und Sammlern darstelle. "Denn natürlich hängt der Wert eines Kulturgegenstandes davon ab, ob dieser international frei handelbar ist oder nicht", betonen sie.

Lesen Sie hier den gesamten Gastbeitrag.

Es gibt Gesetzentwürfe, die gleichzeitig Sinnvolles und Sinnloses enthalten. Genau so ist es beim Kulturgutschutzgesetz, das die Große Koalition noch vor der Sommerpause durch Bundestag und Bundesrat bringen will.

Das Sinnvolle: Man will die Einfuhr von Raubkunst unterbinden und die Rückgabe von illegal gehandelten Kulturgütern klar regeln. Dagegen gibt es nichts einzuwenden.

Sinnlos und schädlich dagegen ist die Beschränkung des Exports von Kunstwerken, die der Gesetzentwurf vorsieht. Es geht im Wesentlichen um „national wertvolles Kulturgut“, das über 75 Jahre alt ist und im Markt- oder Schätzwert 300.000 Euro überschreitet. Die entscheidende Frage lautet natürlich: Wer definiert, was dies ist, das sogenannte national wertvolle Kulturgut? Die erstaunlich einfache Antwort lautet: Der Staat, und zwar nach einer Prüfung durch die zuständigen Landesbehörden auf der Grundlage von Gutachten. Zentrales Kriterium ist dabei, dass es sich um ein Kulturgut handelt, das für die Nation „identitätsstiftend“ ist.

Eine Landesbürokratie soll entscheiden, was nationale Identität stiftet

Man reibt sich die Augen: Eine Landesbürokratie soll entscheiden, was nationale Identität stiftet, und ggf. die Ausfuhr durch private Galeristen und Sammler verbieten. Eine komplexe Aufgabe, für die Landesbeamte in keiner Weise qualifiziert sind.

Zudem sind sich alle Fachleute einig, dass der bürokratische Aufwand mit dem geplanten Gesetz übergroß wird. So muss die Beurteilung von Werken archäologischen, naturwissenschaftlichen und künstlerischen Charakters die Länderverwaltungen total überfordern. Und das bedeutet gleichzeitig steigende Kosten. Während das Kulturstaatsministerium jährlich von Mehrkosten in Höhe von lediglich 375.000 Euro ausgeht, landen Experten bei ganz anderen Summen. So warnt der Ex-Verfassungsrichter und Sammler Professor Harald Falckenberg vor Mehrkosten von mindestens 43 Millionen Euro für Bund und Länder. Eine Kostenlawine, die vor allem auf die Bundesländer zukommt. Wie jüngst zu hören ist, haben vor allem Baden-Württemberg und Hessen auch deswegen größte Bedenken gegen das Gesetz.

Staat darf Kunstliebhabern den Verkauf von Werken versagen

Viel schlimmer aber ist die Grundhaltung, die dahintersteckt: Ausgerechnet in Deutschland, wo noch vor einem dreiviertel Jahrhundert der kulturelle Ungeist des Nationalsozialismus wütete und sich der Staat anmaßte zu entscheiden, was gute und was ‚entartete‘ Kunst ist, wird dem Staat das Recht eingeräumt, privaten Kunstliebhabern den Verkauf von Werken zu versagen, wenn diese von Verwaltungsbeamten entsprechend zensiert worden sind. Ein ungeheuerlicher Vorgang. Ein Eingriff in die Freiheit der Kunst und gleichzeitig eine kalte Enteignung von Künstlern und Sammlern. Denn natürlich hängt der Wert eines Kunst- und Kulturgegenstandes davon ab, ob dieser international frei handelbar ist oder nicht.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters versucht seit Monaten, diesen Hautgout des Gesetzentwurfs herunterzuspielen, indem sie immer wieder betont, dass die Anzahl der vom Exportverbot betroffenen Fälle im Ergebnis gering sei. Mag sein, dass dies so wäre. Aber das hilft nichts: Leider gibt es ja schon jetzt erhebliche Auswirkungen auf den deutschen Kunstmarkt. Sammler und Händler wandern zuhauf mit ihren Werken ins Ausland ab. Spezialisten für Kunsttransporte sprechen von Milliardenversicherungssummen und vollen Lagerhäusern in Luxemburg und der Schweiz. Internationale Auktionshäuser werben sogar offensiv um die Kunst, die Deutschland mit dem Gesetz aus dem Land treibt. Ergebnis: Der Kunst-Standort Deutschland leidet, wird ausgetrocknet, und all diese Kunstwerke stehen Ausstellungen und Museen in Zukunft nicht mehr zur Verfügung.

Ein neuer provinzieller Nationalismus

Dabei läuft es doch bisher hierzulande gut: Unsere wohlhabende Kulturnation importiert viel mehr Kunst und Kultur als sie exportiert. Bis zu diesem Gesetzentwurf blühten die Kunstmessen auf, die Galeristen und Sammler sorgten in den urbanen Metropolen für reiches Kulturleben, bei dem natürlich das künstlerische Schaffen und der Handel eng verzahnt waren. Warum gefährden wir dies durch einen neuen provinziellen Nationalismus?

Gerne wird von der Regierung darauf verwiesen, dass es andere Nationen gibt, die ähnlich restriktive Regeln haben wie die jetzt in Deutschland geplanten. Das ist ein merkwürdiges Argument, einer selbstbewussten Kulturnation unwürdig: Warum nur sollen wir den Gewinn an kosmopolitischem Geist, der endlich wieder in Städten wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt oder München spürbar ist, auf regionales Mittelmaß zurückstutzen?

Im Übrigen ist die Praxis zumindest in Großbritannien durchaus liberaler als die Pläne der Bundesregierung: Dort hat bei bedeutendem Kulturgut der Staat ein Vorkaufsrecht, um den Gegenstand im Land zu behalten. Der Staat greift nicht in die Preisbildung ein. Es kommt zu keiner Wertminderung.

Ein abstruses Verständnis von Eigentum und Markt

Was aber tut die Große Koalition? Sie rühmt sich, nach britischem Modell ein unverbindliches Ankaufsrecht einzuführen. Doch was ist das Ergebnis? Kommt zwischen Staat und Eigentümer kein Vertrag zustande, darf der Kunstgegenstand nicht aus Deutschland ausgeführt werden. Man fragt sich, was das denn für ein abstruses Verständnis von Eigentum und Markt ist.

Doch die Große Koalition will von all der Kritik nichts wissen. Statt das Gesetz anzuhalten, wird stur weitergemacht. Es geht nur noch darum, das Gesicht von Monika Grütters zu retten.

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